Grenzpendler: Homeoffice zwischen Nordrhein-Westfalen, Belgien und Niederlande muss auch weiterhin möglich sein!
I. Ausgangslage
Im kommenden Jahr 2023 dürften Grenzpendlerinnen und -pendler zwischen Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden massiv beim mobilen Arbeiten behindert werden. Denn mit Jahreswechsel soll eine Übergangfrist auslaufen, die für die Zeit der Covid19-Pandemie die starren Homeoffice-Regelungen in Europa liberalisiert hat.
Grenzpendlerinnen und -pendler sind Personen, die in einem EU-Staat arbeiten, aber in einem anderen wohnen. Der Wohnort befindet sich im Herkunftsland, der Arbeitsplatz im Beschäftigungsland. Laut den geltenden EU-Regeln für die Sozialversicherungen muss man in dem Land, in dem man arbeitet, Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Wegen der Corona-Pandemie waren weitreichende Ausnahmen festgelegt worden. Ein Grenzpendler, der daheim blieb und seiner Arbeit im Homeoffice nachging, wurde so behandelt, als sei er an seinem regulären Arbeitsplatz im Beschäftigungsland gewesen. Er musste in der Folge also weiterhin nur einmal, nämlich im Beschäftigungsland, Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Diese unbürokratische Handhabung der Regeln wird nun aber beendet: Die zuständigen Sozialversicherungen haben sich darauf verständigt, die Sonderregelungen europaweit auslaufen zu lassen. Hintergrund ist, dass die Corona-Ausnahmen nicht die Erhöhung der Flexibilität der Beschäftigen zum Ziel hatte. Vielmehr war sie Teil des Corona-Managements und zielte darauf ab, die Pendlerströme insgesamt zu verringern. Da die harte Zeit der Pandemie nun vorbei zu sein scheint, sollen die liberalen Homeoffice-Regeln wieder abgeschafft werden. Eine Übergangsfrist läuft am 31. Dezember 2022 aus.
Ohne eine Verlängerung oder Neuregelung würde diese starren europäischen Regeln allerdings die gängige Praxis des Homeoffice durchkreuzen. Zwar setzen die einschlägigen Gesetze eine Obergrenze fest: Bis zu 25 Prozent der Arbeitszeit kann mobil abgeleistet werden. Wird die Schwelle allerdings überschritten, werden die Berufspendlerinnen und -pendler auch in ihrem Herkunftsland sozialversicherungspflichtig. Denn der Logik der europäischen Regeln nach haben sie dann zwei Beschäftigungsländer.
In der Praxis wird das dazu führen, dass beispielsweise in einem niederländischen Unternehmen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fünf Tage die Woche im Homeoffice arbeiten können. Die Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland hingegen werden nur an einem Tag in der Woche davon Gebrauch machen. Denn ansonsten müssten sie in zwei Ländern Sozialversicherungsbeiträge abführen und deutliche Lohneinbußen hinnehmen. Auf diese Weise dürfte in multinationalen Teams nicht nur ein kaum zu rechtfertigendes Gefühl von Ungleichbehandlung aufkommen. Es erscheint geradezu absurd, dass ausgerechnet Grenzpendlerinnen und Grenzpendler in ihrer neuen Flexibilität eingeschränkt werden sollen. Denn sie konnten wegen der oft weiteren Anfahrtswege, die aktuell durch die grassierende Energiekriese und den hohen Verbrauchspreisen für Kraftstoffe die Portemonnaies noch einmal stärker angreifen, von den Vorteilen der liberalen Regeln besonders profitieren. Gerade mit Blick auf die Energiekrise ist es dringlich erforderlich, erneut eine Ausnahmeregelung zu erlassen. Denn wer von Zuhause arbeitet, spart Energie für uns alle ein. Die Übergangszeit muss dann konsequent genutzt werden, um das europäische Sozialversicherungsrecht an die Gegebenheiten des mobilen Arbeitens anzupassen. Denn bereits jetzt gibt es für einzelne Fallkonstellationen dauerhafte Ausnahmen: Wer nach seinem Urlaub beispielsweise wenige Tage mobil am Urlaubsort arbeitet, löst keine sozialversicherungsrechtliche Pflichten aus. Auch können Beamtinnen und Beamten oder Beschäftigte mit gleichgestellten Funktionen grundsätzlich mobil arbeiten. Es ist Zeit, diese Privilegen dauerhaft auf alle Grenzpendlerinnen und -pendler zu erweitern. Vor Corona pendelten täglich aus Deutschland 42.700 Beschäftige in die Niederlande und 1.500 nach Belgien. Umgekehrt kamen rund 9.000 Niederländer und 5.500 Belgier für die Arbeit nach Deutschland. Damit überquerten rund 60.000 Menschen täglich die Grenzen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest: Europa ist vor allem dann stark, wenn es Chancen für seine Bürgerinnen und Bürger eröffnet. Frieden und Freiheit werden wir nur sichern können, wenn wir dieses europäische Versprechen gemeinsam mit unseren Nachbarn von der Basis her weiterentwickeln. Nirgendwo anders als im Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden können Menschen so einfach die Vorteile der europäischen Einigung erfahren. Deswegen müssen alle Grenzpendlerinnen und Grenzpendler auch künftig unbürokratisch und flexibel mobil arbeiten können.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- sich wegen der Energiekrise und der besonders hohen Kosten für Kraftstoffe gemeinsam mit dem Bund bei den zuständigen Sozialversicherungen dafür einzusetzen, eine neue Ausnahmeregelung für die Sozialversicherungspflichten von Grenzpendlerinnen und -pendler einzuführen. Die Ausnahmeregelung soll sich an der bisher geübten Sonderregel für die Covid19-Pandemie orientieren: Wer am heimischen Arbeitsplatz arbeitet, soll trotzdem nur im Beschäftigungsland Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen.
- sich gemeinsam mit dem Bund bei der Europäischen Kommission dafür einzusetzen, dass die Verordnung „Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“ VO (EG) 883/2004 samt der Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 so reformiert werden, dass für Grenzpendlerinnen und -pendler grundsätzlich mobiles Arbeiten keine doppelte Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträge auslöst.