Grundlage für Wirtschaftswachstum schaffen – Wirtschafts- und Güterverkehre angemessen im Landesentwicklungsplan berücksichtigen
I. Ausgangslage
Mit Beschluss vom 14. März 2025 entschied die Landesregierung, den Landesentwicklungsplan (LEP) als zentrales Steuerungselement der Landesplanung ein drittes Mal zu ändern – mit dem ausgegebenen Ziel einer nachhaltigeren Landesentwicklung. Nachdem das erste Beteiligungsverfahren zur dritten Änderung am 30. Juni 2025 beendet wurde, befindet sich der Entwurf aktuell in der Überarbeitung durch die Landesregierung. Der Landesentwicklungsplan hat als strategisches Steuerungsinstrument die Aufgabe, die Nutzungsanforderungen des begrenzten Flächen- und Ressourcenangebots auszutarieren und stellt damit auch die Weichen für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur.
Eine gut instandgehaltene und bedarfsgerecht ausgebaute Verkehrsinfrastruktur ist unerlässlich für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens und das wirtschaftliche Wachstum des Landes gleichermaßen – und wird zukünftig noch stärker gefordert sein, da die Güterverkehrsprognose des Bundesministeriums für Verkehr einen deutlichen Anstieg erwartet, insbesondere beim Verkehrsträger Straße um 54 Prozent. Damit dieses zusätzliche Transportvolumen bewältigt werden kann, muss die Verkehrsinfrastruktur entsprechend leistungsfähig sein. Andernfalls kann das damit verbundene Mobilitätsversprechen und Wirtschaftswachstum nicht umgesetzt werden.
Nordrhein-Westfalen steht verkehrspolitisch vor gewaltigen Herausforderungen. Die ADAC-Staubilanz 2024 bescheinigt Nordrhein-Westfalen erneut mit großem Abstand das Bundesland mit den meisten Stauereignissen, den längsten Staudauern und den höchsten Staulängen zu sein. Die Probleme sind bekannt, die Infrastruktur ist umfassend sanierungsbedürftig. So gelten beispielsweise 18,5 Prozent aller Bundes- und Landesbrücken in Nordrhein-Westfalen als sanierungsbedürftig. Der Zustand des Schienennetzes landet im Bundesvergleich des aktuellen Berichts der DB InfraGO ebenfalls auf dem letzten Platz. Gleichzeitig befindet sich Nordrhein-Westfalen in einer anhaltenden wirtschaftlichen Schwächephase, in der die Volkswirtschaft nach zwei Rezessionsjahren aktuell weiter auf Rezessionsniveau stagniert.
II. Handlungsbedarf
Vor diesem Hintergrund wäre – auch verkehrspolitisch – eine konsequente und fokussierte Ausrichtung des Landesentwicklungsplans auf Wirtschaftswachstum und Bürokratieabbau geboten. Der aktuelle Entwurf des LEP scheint hier jedoch mit seiner fast ausschließlichen Betrachtung der Personenverkehre eine ernsthafte verkehrspolitische Fehlentwicklung zu zementieren. Eine deutlich stärkere Berücksichtigung der Güter- und Wirtschaftsverkehre ist aufgrund der herausragenden Bedeutung dieser für die Wirtschaft des Landes eindeutig im Landesinteresse und unbedingt notwendig. Andernfalls drohen die Belange der Wirtschafts- und Güterverkehre bei den Entscheidungen der Verkehrsplaner in den Hintergrund zu rücken. Dies würde eine massive zusätzliche Hürde für sämtliche Infrastrukturprojekte bedeuten, denn Infrastrukturnutzen ist im Grundsatz wirtschaftlich. Beachtet man die Bedürfnisse der Wirtschafts- und Güterverkehre jedoch nicht adäquat, drohen Infrastrukturvorhaben spätestens durch die im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse festgestellte Unwirtschaftlichkeit reihenweise zu scheitern.
Diese Grundsatzkritik lässt sich exemplarisch anhand verschiedener, verkehrsrelevanter Ziffern des LEP weiter verdeutlichen. Ziel 7.2-3 „Ausnahmsweise Inanspruchnahme von Bereichen für den Schutz der Natur (BSN)” etwa gestaltet die Inanspruchnahme von Naturschutzbereichen insbesondere im Hinblick auf Maßnahmen an bestehenden Infrastrukturtrassen deutlich restriktiver und bürokratischer. Da die Inanspruchnahme nun an das Erfordernis der Raumbedeutsamkeit geknüpft wird, Maßnahmen an vorhandenen Trassen gleichzeitig aber in der Neufassung von Ziel 7.2-3 nicht mehr als raumbedeutsam einzustufen sind, werden Ersatzneubau und Erweiterung der betroffenen Infrastrukturen folglich verhindert. Bei der Verkehrsplanung neuer Trassen beschränkt sich die Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände auf Trassenplanungen, die in den genannten verkehrlichen Bedarfsplänen zum Stichtag des Inkrafttretens der dritten Änderung des LEP enthalten sind. Planungen, die in der laufenden Aktualisierung der Bedarfspläne nach dem Stichtag ergänzt werden, können folglich nicht bei den Ausnahmetatbeständen berücksichtigt werden. Zudem droht das Ziel einen zusätzlichen bürokratischen Prüfaufwand zu bewirken, da für jeden Ausnahmetatbestand auf die notwendige Alternativenprüfung hinsichtlich rechtlich zulässiger, sachlich und technisch möglicher sowie wirtschaftlich realisierbarer Trassenalternativen verwiesen wird. All diese Kriterien werden jedoch bereits in der Verkehrswegeplanung geprüft, es würde somit eine unnötige, doppelte Prüfung auf Ebene des LEP erfolgen. Hier muss gelten, den Schutz der BSN durch einmalige, inhaltlich korrekte Prüfungen und nicht durch die Länge redundanter Verfahren zu gewährleisten.
Besonders die Änderungen an Ziel 8.1-1 „Integration von Siedlungs- und Verkehrsplanung“ verdeutlichen das hohe Ungleichgewicht bei der Berücksichtigung der Verkehrsströme. Fortan sollen in zentralörtlich bedeutsamen, verdichteten Siedlungsbereichen der ÖPNV sowie die weiteren Verkehrsmittel des Umweltverbundes vorrangig vor dem motorisierten Individualverkehr entwickelt werden. Diese uneingeschränkte Bevorzugung ignoriert die Bedarfe der, zu großen Teilen überregionalen, Berufspendler, die auf das Auto angewiesen sind, um zu ihren Arbeitsorten zu gelangen, der Logistiker, Zulieferer und Handwerker, die Straßenfahrzeuge und die entsprechende Infrastruktur für die Erfüllung ihrer Versorgungsaufgaben benötigen sowie viele weitere Wirtschafts-, Güter- und Individualverkehre, die auf eine bedarfsgerechte Straßenverkehrsplanung auch in diesen Räumen angewiesen sind. Eine Stärkung von ÖPNV und Umweltverbund ist grundsätzlich wünschenswert, darf jedoch keinesfalls zulasten anderer Verkehrsträger geschehen.
Neben dem Verkehrsträger Straße wird auch die Schiene zukünftig deutlich höhere Volumen an Wirtschafts- und Güterverkehren transportieren lassen. Dazu werden zukünftig auch weitere Schienentrassen benötigt. Die einfachste Möglichkeit, schnell zusätzliche Kapazitäten zu eröffnen, liegt dabei häufig in der Reaktivierung vorhandener, stillgelegter Trassen. Ziel 8.1-11 soll nun jedoch eben diese Trassen für die Nutzung als Radschnellverbindung freigeben. Hier muss unbedingt eine Abwägung des Nutzens für zukünftige Bedarfe des Wirtschafts- und Güterverkehrs erfolgen. Eine Umwidmung darf nur ermöglicht werden, wenn keinerlei absehbares wirtschaftliches Potential besteht, andernfalls muss die Bereithaltung für die Reaktivierung als Bahnstrecke Vorrang behalten.
Der Grundsatz 8.1-13 „Landesweites Radvorrangnetz und Radschnellverbindungen“ soll die Trassen für das landesweite Radvorrangnetz von entgegenstehenden Nutzungen freihalten. Auch hier ergibt sich durch die einseitige Fokussierung auf den Verkehrsträger Fahrrad, der fast ausschließlich für den Personenverkehr genutzt wird, eine Benachteiligung der Belange von Wirtschafts- und Güterverkehren. Das öffentliche Interesse am Radverkehr muss bei den somit zwangsläufig auftretenden Flächenkonkurrenzen adäquat gegenüber wirtschaftlichen Interessen abgewogen werden.
Einen indirekten, aber nicht weniger fatalen Effekt auf die Verkehrsentwicklung erzeugt der LEP durch den in Ziel 9.2-4 erdachten verbindlichen Degressionspfad für Kies und Sand. Kies und Sand sind Grundlage aller wesentlichen Infrastrukturprojekte im Rahmen der Energie- und Verkehrswende. Vor dem Hintergrund des besonders hohen Sanierungsbedarfs der Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen sowie den geplanten Investitionen aus dem Sondervermögen des Bundes wird der Bedarf an diesen Rohstoffen in den kommenden Jahren stark steigen. Gleichzeitig befindet sich die heimische Rohstoffgewinnung aktuell bereits auf einem Tiefstand. Die im letzten Jahr abgebauten 51,3 Millionen Tonnen Kies, Sand und Ton stellen einen Rückgang von 5,7 Prozent zum Vorjahr und den niedrigsten Stand seit 2014 dar. In dieser Situation einen verbindlichen Degressionspfad mit einem auf fehleranfälligen Prognosen basierenden Degressionsfaktor für den Primärrohstoffabbau festzulegen, bedeutet nichts anderes, als eine künstliche Verknappung vorzunehmen. Eine solche Maßnahme verteuert jegliche Bauvorhaben, bedroht die Versorgungssicherheit und schwächt die heimische Wertschöpfung. Preistreibende und klimaschädliche Rohstoffimporte werden die Folge sein.
Der von der Landesregierung angedachte kurzfristige Ausgleich der Rohstofflücke durch Sekundärrohstoffe ist unrealistisch – zu hoch sind die strukturellen Hürden für den Hochlauf der Recyclingwirtschaft, etwa durch langwierige Genehmigungsverfahren bei der Errichtung von Recyclinganlagen, fehlende Produktionsflächen, eingeschränkte bautechnische Eigenschaften, Defizite in der Ersatzbaustoffverordnung oder unzureichende Berücksichtigung in öffentlichen Ausschreibungen. Diese Hebel müssen bedient werden, um einen marktwirtschaftlichen Rückgang des Primärrohstoffverbrauchs zugunsten von Ersatzbaustoffen einzustellen.
Bezeichnend für die verkehrspolitisch einseitige Betrachtung des LEP ist aber auch, was in den Änderungen nicht enthalten ist. So besitzt Nordrhein-Westfalen beispielsweise eine dynamische Luftfahrtbranche, die den Standort mit ihrer gut auf die Bedarfe des Landes angepassten, dezentralen Flughafenstruktur, der starken Forschungslandschaft sowie vielen hochinnovativen hidden champions der Zuliefererindustrie deutlich aufwertet. Die erneute Einstufung der Flughäfen Dortmund, Paderborn/Lippstadt und Niederrhein als landesbedeutsam (8.1-6) wäre ein wichtiges und von der Branche seit langem gefordertes Bekenntnis zu diesem Standortvorteil gewesen, das nun scheinbar erneut ausbleibt.
Eine ebenso sinnvolle Maßnahme wäre, die Gewerbeflächen für luftverkehrsaffine Nutzungen in Flughafennähe gesondert zu betrachten und damit aus der allgemeinen Berechnung des regionalplanerischen Gewerbeflächenbedarfs herauszunehmen, wie es in Ziel 6.1-1 bereits für Hafenflächen gilt.
III. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Die aktuelle verkehrs- und wirtschaftspolitische Situation des Landes bedingt eine konsequente Fokussierung des LEP auf Wirtschaftswachstum und Bürokratieabbau.
- Der aktuelle LEP-Entwurf wird diesem Anspruch nicht gerecht, sondern droht durch seine durchgehende, einseitige Betrachtung und Bevorzugung der Personenverkehre eine verkehrspolitische Fehlentwicklung mit negativen wirtschaftlichen Konsequenzen zu zementieren.
- Bei der Überarbeitung des LEP-Entwurfs ist eine durchgehende und mindestens gleichberechtigte Abwägung der Bedarfe der Wirtschafts- und Güterverkehre dringend geboten.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- den LEP-Entwurf umfassend so zu überarbeiten, dass die Bedarfe der Wirtschafts- und Güterverkehre gegenüber denen der Personenverkehre durchgehend und mindestens gleichberechtigt berücksichtigt werden. Ferner sollen konkret alle Änderungen entfallen, die
o Maßnahmen an bestehenden oder zu errichtenden Infrastrukturtrassen erschweren, verhindern oder unnötig bürokratisieren,
o einzelne Verkehrsträger uneingeschränkt in der Entwicklung bevorzugen,
o nicht abgewogene Umwidmungen wirtschaftlich relevanter Infrastrukturtrassen ermöglichen,
o die Rohstoffversorgung und damit die Umsetzbarkeit und Wirkung notwendiger Infrastrukturinvestitionen beschränken,
- nicht hinter den Vorstößen der ersten LEP-Änderung zurückzufallen und eindeutig wirtschaftsförderliche Maßnahmen, wie die raumplanerische Stärkung des Luftfahrtstandortes, insbesondere durch eine rechtssichere Klassifizierung aller internationalen Verkehrsflughäfen als landesbedeutsam, wieder aufzunehmen.