Günstig, flexibel, klimafreundlich - das digitale ÖPNV-Taxi stärken

I. Ausgangslage

Der ÖPNV muss flexibel und verlässlich sein, um eine echte Alternative zu anderen Verkehrsträgern darstellen zu können. Während diese Kriterien in den größeren Städten weitgehend erfüllt sind, sind die Angebote des ÖPNV im ländlichen Raum häufig sehr ausgedünnt. Wenn der Bus nur zweimal am Tag in die nächste Stadt fährt, ist der eigene PKW praktisch alternativlos.

Die Unterversorgung des ländlichen Raums, in dem der Linienverkehr in der Regel auf die Belange des Schulverkehrs ausgerichtet ist, ist weitgehend unstreitig. Laut einer KfW-Studie können sich jedoch 71 Prozent der Haushalte in Landgemeinden eine erhöhte Nutzung des ÖPNV vorstellen. Entscheidend sei eine gute verkehrliche Anbindung, der Fahrpreis spiele eine untergeordnete Rolle. So lässt der lückenhafte ÖPNV den Wunsch, eigentlich lieber den Bus zu nehmen, unerfüllt.

Zur Erreichung klimapolitischer Ziele ist es sinnvoll, klimafreundliche Mobilitätsangebote zu machen, zu denen auch der ÖPNV gehört. Das gibt jedem Einzelnen mehr Wahlmöglichkeiten, seine Ziele schnell, sicher und sauber zu erreichen. Neben den Linienbussen wird in Nordrhein-Westfalen aus diesem Grunde mit Bedarfsverkehren Abhilfe geschaffen. Diese „On-Demand-Verkehre“(ODV) sind im Gegensatz zum klassischen ÖPNV nicht an bestimmte Linien und Fahrpläne gebunden. Die Fahrten werden nur nach Bedarf, meistens mit Kleinbussen, durchgeführt. Die Angebote des ODV sind weitgehend digitalisiert, in einer App kann nach einer Registrierung gebucht und bezahlt werden. Der Fahrpreis bewegt sich in der Regel zwischen dem Nahverkehrs- und dem Taxitarif. Die ODV ergänzen das schwache ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum, insbesondere zu Zeiten, in denen der ÖPNV keine Angebote macht, bspw. nachts und an den Wochenenden. Damit erfüllt der ODV nahezu alle genannten Kriterien an den ÖPNV. Mehrere Kreise und kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen bieten bereits ODV an.

Ein beachtlicher Nachteil dieser ODV in Trägerschaft der Verkehrsbetriebe ist jedoch die mangelnde Effizienz. Die Einrichtung der ODV verursacht den Kommunen als Aufgabenträgern des ÖPNV hohe Kosten, weil sie dafür Fahrzeuge (meist Hybridbusse) anschaffen müssen und zusätzliche Fahrer für diese Kleinbusse benötigen. Zudem müssen die angeschafften Fahrzeuge vorgehalten und unterhalten werden. Die so entstandenen Kosten können auch durch eine rege Nutzung des ODV nicht ausgeglichen werden. Dadurch beschreiten derzeitige On-Demand-Projekte einen Weg, der verbesserungswürdig erscheint. Einen vorteilhafteren Weg im Bereich des Bedarfsverkehrs bietet das Projekt „ÖPNV-Taxi“. Bei diesem Projekt werden Taxis als Ergänzung des klassischen ÖPNV in ländlichen Gegenden eingesetzt, um die mangelhafte Angebotsqualität zu verbessern. Dadurch wird auch der klassische Linienverkehr entlastet, weil er sich auf stärker frequentierte Verbindungen konzentrieren kann.

Um die Taxiunternehmen in den ÖPNV zu integrieren, schließen die Aufgabenträger mit den Unternehmen eine Kooperation. Für die Auskunft, Buchung und Abrechnung wird das Buchungsportal des ODV einschließlich App um die Fahrten mit dem „ÖPNV-Taxi“ erweitert. Für den Fahrgast ändert sich nichts. Er kann wie gewohnt, nach der Registrierung und Hinterlegung eines Zahlungsmittels, über die App neben den bestehenden Verkehrsmitteln auch auf das Angebot einer Taxifahrt zugreifen. Die App zeigt dem Fahrgast alle möglichen Verkehrsmittel der gewünschten Fahrt an. Sollte diese Fahrt auch mit einem Linienbus unternommen
werden können, gibt es kein Angebot mit dem „ÖPNV-Taxi“.

Die Fahrt mit dem „ÖPNV-Taxi“wird für den Fahrgast nach dem ÖPNV-Tarif plus einem Zuschlag abgerechnet. Die Höhe des Zuschlags legen die Kreise und kreisfreien Städte fest. Der Zuschlag verringert sich pro Person, je mehr Fahrgäste sich die Tour teilen. Der Fahrgast zahlt den Fahrtpreis an den Aufgabenträger. Die Taxiunternehmen erhalten vom Aufgabenträger auf der Grundlage des Markttarifs einen Ausgleich für die Mindereinnahmen der konkreten Fahrt. Zusätzlich zu den ÖPNV-Fahrten betreiben die Taxiunternehmen weiterhin ihr Alltagsgeschäft. Neue Genehmigungen sind nicht erforderlich, weil die ÖPNV-Fahrten mit den bestehenden Taxigenehmigungen erbracht werden können.

Grundsätzlich sind die Fahrten des „ÖPNV-Taxis“auf das Gebiet des Aufgabenträgers beschränkt. Denkbar sind aber Kooperationen zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten, um diese Fahrten über die Kreisgrenzen hinaus zu ermöglichen. Haltepunkte des „ÖPNV-Taxis“ sind alle ÖPNV-Haltestellen einschließlich der Bedarfshaltestellen sowie der eigens für das Taxi eingerichteten virtuellen Haltepunkte. Damit das ÖPNV-Taxi den Anforderungen des ÖPNV nach Effizienz gerecht wird, sollten die Haltestellen vom Aufgabenträger als für den Verkehr von Bedeutung bestimmt werden. Daneben findet für Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, eine Haustürbedienung statt.

Der Landkreis Vechta in Niedersachsen hat das Projekt unter dem Namen „Mobil+“ im Jahr 2023 gestartet, am 1. Juni 2024 wird es auf den gesamten Landkreis ausgedehnt. Gespräche mit dem Nachbarkreis Cloppenburg über eine Kooperation werden geführt. In Nordrhein-Westfalen gibt es in der kreisfreien Stadt Hamm und im Kreis Gütersloh Bestrebungen für eine Öffnung des ÖPNV für neue Verkehrsmittel. Bis jetzt bewegen sich die Initiativen noch im Bereich der Anfangsplanung auf der Stufe einzelner Gemeinden. Das zeigt, dass das „ÖPNV-Taxi“ in Nordrhein-Westfalen so gut wie nicht bekannt ist. Auch die EU-Kommission hat die große Bedeutung von Taxis für eine verlässliche Personenbeförderung im lokalen Bedarfsverkehr unterstrichen. Die Mitgliedstaaten stünden vor der Herausforderung, neue Betriebsformen in den nationalen Verkehrsmarkt zu integrieren.

Das „ÖPNV-Taxi“ punktet mit Flexibilität, Effizienz und Klimafreundlichkeit. Es kommt mit wenig bürokratischem Aufwand aus und ist digital. Es ist zuverlässig, sicher und bezahlbar und erfüllt damit alle Kriterien eines modernen ÖPNV.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Grundlage einer klimafreundlichen Verkehrspolitik ist die Schaffung von konkurrenzfähigen und klimafreundlichen Mobilitätsangeboten.
  • Während es in vielen Städten oft ein großes Mobilitätsangebot und auch einen Mix aus öffentlichen und privaten Anbietern gibt, bleibt es insbesondere im ländlichen und strukturschwachen Raum herausfordernd, ein ÖPNV-Angebot darzustellen, das vielen Menschen ihre individuellen Mobilitätsbedürfnisse erfüllen kann.
  • On-Demand-Verkehre können den Linienverkehr im ÖPNV – insbesondere im ländlichen und infrastrukturschwachen Raum – bedarfsgerecht ergänzen.
  • ÖPNV-Taxis sind als Bestandteil der On-Demand-Verkehre besonders attraktiv, weil für sie keine zusätzlichen Fahrzeuge und Fahrer bei den Verkehrsbetrieben vorgehalten werden müssen.


Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die Kreise und kreisfeien Städte mit einer Kampagne über das „ÖPNV-Taxi“ zu informieren,
  • die Aufgabenträger des ÖPNV – insbesondere im ländlichen und infrastrukturschwachen Raum – dazu zu motivieren, das Konzept des „ÖPNV-Taxi“ stärker in die Planung des öffentlichen Nahverkehrs zu integrieren,
  • zu prüfen, ob das reguläre Angebot von ÖPNV-Taxis einer rechtlichen Verankerung in der Landesgesetzgebung bedarf,
  • dem Landtag bis Ende August 2024 einen schriftlichen Bericht über die bis zum Jahr 2031 geplante „ÖPNV-Offensive“ sowie das „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ vorzulegen und insbesondere auch darzulegen, wie ÖPNV-Angebote sinnvoll mit privatwirtschaftlichen Angeboten verzahnt werden können.