Hat die Landesregierung einzelne Fraktionen des Landtags vorzeitig über die Pläne zum vorgezogenen Kohleausstieg informiert?
Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NordrheinWestfalen hat sich mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der RWE AG auf Eckpunkte für das Vorziehen des Kohleausstiegs um acht Jahre auf das Jahr 2030 verständigt. In einer Pressekonferenz in Berlin am 04.10.2022 wurde die Eckpunktevereinbarung der Öffentlichkeit präsentiert. Eine vorige Unterrichtung des Landtags Nordrhein-Westfalen über die Vereinbarung erfolgte hingegen nicht. Inwiefern die Informationspolitik der Landesregierung mit der Informationspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag übereinstimmt, ist Gegenstand von medialer Berichterstattung und den Kleinen Anfragen Nr. 537, 550 und 556.
In einem Interview mit der taz vom 07.10.2022 äußert sich die Abgeordnete Antje Grothus zu den Abläufen am 04.10.2022: „[…] über das Ergebnis sind alle Abgeordneten auch erst per Videokonferenz am frühen Dienstagmorgen informiert worden. Gleich gebe es eine Pressekonferenz.“ Stimmt diese Aussage, hätte die Landesregierung mindestens eine Fraktion im Landtag privilegiert informiert.
Die Fraktionen haben ein unmittelbar aus der Verfassung abgeleitetes Recht auf gleiche Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung, es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen. Erhält eine oder erhalten mehrere Fraktionen Informationen der Landesregierung vor anderen Fraktionen, so begründet dies nicht nur einen Wissensvorsprung, sondern daraus resultierend auch einen tatsächlichen Vorteil gegenüber den anderen Fraktionen. Dies ist umso schwerwiegender, wenn dieser Vorteil auf Seiten der die Regierung tragenden Fraktionen besteht.
Die Ausübung des freien Mandates und die Möglichkeit zur Kontrolle der Regierung setzen voraus, dass Informationen dem Parlament schnell, vollständig und unter gleichen Voraussetzungen zugänglich gemacht werden. Eine einseitige Information nur von regierungstragenden Fraktionen behindert die Opposition somit in ihren Arbeits- und Kontrollmöglichkeiten.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Sind die Angaben von Frau Abgeordneten Grothus zur Fraktionssitzung bzw. Videokonferenz von Bündnis90/Die Grünen am frühen Morgen des 04.10.2022 nach Kenntnis der Landesregierung zutreffend?
- Welche Mitglieder der Landesregierung haben an entsprechenden Sitzungen, auf die Frau Abgeordnete Grothus in dem Interview Bezug nimmt, teilgenommen?
- Haben im Rahmen der Sitzung am 04.10.2022 Mitglieder der Landesregierung Informationen weitergegeben, die ihnen ausschließlich in dieser Funktion vorlagen (insb. Inhalte aus der o.g. Pressekonferenz)?
- Welche Informationen wurden konkret im Rahmen der von Frau Abgeordneten Grothus angesprochenen Sitzung dem Kreis der Abgeordneten mitgeteilt?
- Inwiefern lässt sich die bevorzugte Information der regierungstragenden Fraktionen mit Blick auf die parlamentarischen Informations- und Minderheitenrechte rechtfertigen?
Henning Höne