Hochwasserschutz: Fehlanzeige! Was unternimmt die Landesregierung, um Bevölkerung und Infrastruktur zu schützen?

Aktuelles Thema der Medienberichterstattung ist, dass das Land trotz der Flutkatastrophe im Sommer 2021, von der auch weite Teile Nordrhein-Westfalens betroffen waren, deutlich weniger Bundesmittel für den Hochwasserschutz abgerufen habe, als ihm zugestanden hätten.  Von den 2018 bis 2023 bereitgestellten 438 Millionen Euro des Bundes für „Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes“ hätten 43,8 Millionen Euro nach Nordrhein-Westfalen fließen können. Abgerufen wurden allerdings nur rund 11,5 Millionen Euro – gerade mal ein Viertel. Laut Zahlen der Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist Nordrhein-Westfalen mit dieser Abrufungsquote sogar Schlusslicht unter allen 16 Bundesländern. Bayern strich mit 96,7 Prozent nahezu alle Mittel ein, auch Baden-Württemberg schaffte mit 93,5 Prozent einen fast vollständigen Abruf.

Ziel der Bundesmittel ist es, die Hochwassersicherheit zu erhöhen, Schäden an Menschen, Umwelt und Eigentum zu verhindern und gleichzeitig die natürlichen Wasserressourcen und Lebensräume zu schützen. Durch eine umfassende und integrierte Herangehensweise soll ein nachhaltiger und effektiver Hochwasserschutz gewährleistet werden. Mit dem Geld sollen den Angaben zufolge Deiche zurückgebaut werden, um an großen Flüssen mehr Überschwemmungsgebiete zu schaffen. Zudem sollen Hochwasserrückhaltebecken und Polder gebaut werden.

Die aktuellen Bilder von gebrochenen Dämmen, überfluteten Straßen und evakuierten Siedlungen in den Hochwassergebieten in Süddeutschland, im Saarland und in Rheinland-Pfalz sind eine deutliche Warnung, dem Hochwasserschutz in Nordrhein-Westfalen höchste Priorität einzuräumen. Das jüngste Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg hat nach einer ersten vorläufigen Schätzung der Versicherer nämlich Schäden in einer Größenordnung von etwa zwei Milliarden Euro verursacht.

NRW-Umweltminister Oliver Krischer äußerte sich laut WDR-Bericht vom 09.06.2024 hierzu folgendermaßen: „Die großräumigen Winter-Hochwasser in NRW und jetzt die schweren Hochwasser in Saarland, Bayern und Baden-Württemberg zeigen, dass wir unser Land gegenüber solchen Naturgewalten stärken müssen. Die Hochwasserlagen zeigen, wie wichtig es ist, den Hochwasserschutz insgesamt zu stärken.”

Vor dem Hintergrund der richtigen Diagnose von Krischer drängt sich allerdings die dringende Frage auf, warum es der nordrhein-westfälischen Landesregierung trotzdem nicht gelingt, Dreiviertel der verfügbaren Bundesmittel für den Hochwasserschutz abzurufen. Der Handlungsbedarf für mehr Hochwasserschutzmaßnahmen ist enorm. Seit 2018 sind in Nordrhein-Westfalen 438 Risikogewässer mit einer Gesamtlänge von 5.894 Kilometern bekannt. An nordrhein-westfälischen Flüssen gibt es auf einer Länge von 530 Kilometern Deiche. Bei mindestens der Hälfte besteht Sanierungs- und Modernisierungsbedarf.

Die unzureichende Mittelabrufung und die mangelnden Investitionen in den Hochwasserschutz sind nicht akzeptabel und gefährden Menschenleben. Es fehlt an einem Masterplan mit konkreten Umsetzungszielen beim Hochwasserschutz. Solch ein Masterplan ist seit der Flutkatastrophe 2021 überfällig. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Hochwasserschutzmaßnahmen müssen dringend vereinfacht und beschleunigt werden.

Die Landesregierung ist gegenüber Öffentlichkeit und dem Landtag zur Rechenschaft über die unzureichenden Hochwasserschutzmaßnahmen verpflichtet. Der Landtag muss im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die unzureichende Mittelabrufung und die mangelnden Investitionen beim Hochwasserschutz in Nordrhein-Westfalen und die damit möglicherweise schweren Konsequenzen für die Bevölkerung während eines Ernstfalles im Land debattieren.