Hohe Anzahl an Arbeits- und Expertengruppen zur länderübergreifenden und bilateralen Hochwasser-Vorsorge – Warum wurde trotzdem das Hochwasser nach dem Starkregenereignis vom 14./15.7.2021 nicht verhindert?

In der Antwort der Kleinen Anfrage 546 „Länderübergreifende Hochwasser-Vorsorge – Wer übernimmt in der Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Verantwortung“ (LT-Drs. 18/1642) der Landesregierung werden diverse Arbeitsgremien bzw. Arbeitspapiere als Grundlage der Zusammenarbeit und der länderübergreifenden Hochwasser-Vorsorge genannt:

- Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA)
- Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR): „Arbeitsgruppe Hochwasser“
- Zwei Verwaltungsvereinbarungen im Bereich der Hochwasservorsorge von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz:

  • Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zum Hochwasser- und Hochwasservorhersagedienst am Rhein und zur Bereitstellung von Hochwasservorhersagen für Lahn, Sieg und die Rheinzuflüsse in Nordrhein-Westfalen
  • Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland zur Wasserstands- und Hochwasservorhersage für die Bundeswasserstraßen Rhein, Neckar, Main, Mosel, Lahn und Saar

- Zusammenarbeit zwischen Bezirksregierung Köln und der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (Rheinland-Pfalz)
- Projekt „Klimaanpassung Hochwasser und Resilienz (KAHR)“
- Zusammenarbeit zwischen Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) und Arbeitsgruppen der IKSR

  • IKSR-Expertengruppe Validierung (EG HVAL)
  • IKSR-Expertengruppe Abflussprojektionen (EG HLIM)
  • Expertengruppe HVZ der IKSR

- Zusammenarbeit zwischen Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) und verschiedenen Gremien auf Bundesebene

  • Projektbegleitende Arbeitsgruppe zu den Untersuchungen zur Ermittlung der Wirkungen von präventiven Hochwasserschutzmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Hochwasserschutzprogrammes (NHWSP)
  • Expertengruppe „länderübergreifendes Hochwasserportal“ der LAWA
  • Arbeitskreis Hydrometeorologie der LAWA
  • Eingerichteter Erfahrungsaustausch Hochwasservorhersage der Länder und des Bundes

- Teilnahme LANUV an LARSIM-Anwendertreffen (Wasserhaushaltsmodell, Large Area Runoff Simulation Model
- Austausch mit Deutschen Wetterdienst (DWD)

  • Regelmäßigen Arbeitstreffen mit der Regionalen Wetterberatung (RWB)

- Trilateraler informeller Austausch zur Anwendung des Hochwasservorhersagemodells LARSIM vom LANUV mit den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen

Darüber hinaus bestehen laut Antwort auf die Kleine Anfrage auch bilaterale Arbeitsgremien:

- Internationale Maaskommission (IMK)
- deutsch-niederländische Arbeitsgruppe für grenzüberschreitende Koordination im Rahmen der Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie
- deutsch-niederländische Grenzgewässerkommission sowie deren einzelne Unterausschüsse
- Arbeitsgruppe Deltarhein
- Grenzüberschreitende Plattform für regionale Wasserwirtschaft (GPRW)
- deutsch-Niederländische Arbeitsgruppe Hochwasser

Neben den aufgeführten länderübergreifenden sowie bilateralen Arbeitsgruppen „(…) gibt es im Bereich des Katastrophenschutzes eine Reihe von multilateralen Gesprächsformaten, die (…) ein länderübergreifendes Krisenmanagement auf der Arbeitsebene zum Thema haben“ (LT-Drs. 18/1642). Eine Aufzählung der vorhandenen Gruppen wurde in der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht vorgenommen.

Im Vorfeld der Katastrophe im Juli 2021 und auch während der Katastrophe war aus diesen Expertengruppen nichts zu vernehmen. Daher stellt sich die Frage nach der Effektivität und dem Sinn der Arbeit dieser Gremien.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  • Wenn eine Vielzahl von Arbeitsgremien bereits vorhanden ist, warum konnten dann die Folgen des Starkregenereignisses vom 14./15.7.2021 nicht richtig gedeutet werden bzw. keine frühzeitigen Gegenmaßnahmen (z.B. die Warnung der Bevölkerung) ergriffen werden?
  • Wurden auf diesen Ebenen und Institutionen bzw. Arbeitsgruppen vor dem 14./15.7.2021 keine Vorschläge für Vorsorgemaßnahmen im Falle eines Starkregenereignisses insbesondere an kleineren Flüssen und Bächen erarbeitet?
  • Wurde auf keiner dieser Ebenen und Institutionen bzw. Arbeitsgruppen das Thema Starkregenereignisse in Zeiten des Klimawandels behandelt?
  • Gibt es in einer der Ebenen und Institutionen bzw. Arbeitsgruppen eine Stelle, in der Meteorologen, Hydrologen, Geografen, Topologen, Stadtplaner etc. zusammenarbeiten, um im Falle von Katastrophen, wie die Flutkatastrophe am 14./15.7.2021 - als eigenständigem Szenarium - vorbereitet zu sein?
  • Beabsichtigt die Landesregierung an den aus der Antwort zur Kleinen Anfrage (LT-Drs. 18/1642) genannten Gremien gemeinsam mit den übrigen Partnern etwas zu ändern, z. B. im Sinne einer Umstrukturierung, um Effektivität zu erreichen?

Dr. Werner Pfeil