Humanität und Ordnung in der Flüchtlingspolitik: Nach den Vorleistungen des Bundes muss auch Nordrhein-Westfalen seinen Beitrag leisten, um irreguläre Migration zu reduzieren
I. Ausgangslage
Länder und Kommunen stoßen zunehmend an die Grenzen des Leistbaren bei Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Ein wesentlicher Grund dafür ist der Anstieg der irregulären Migration aus Drittstaaten. So beträgt die Zahl der Asylerstanträge im Zeitraum Januar bis September 2023 in Nordrhein-Westfalen 47.782. Diese Zahl lag im Vorjahreszeitraum noch bei 28.003. In der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 6. November 2023 wurde deshalb ein umfassender Beschluss zur Flüchtlingspolitik gefasst. Dabei hat die Bundesregierung nicht nur eine finanzielle Unterstützung der Länder und Kommunen über jährliche Pro-Kopf-Pauschalen in Höhe von 7.500 Euro zugesagt, sondern auch eine Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung irregulärer Migration.
Zu den konkreten Maßnahmen zählen insbesondere Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern, die bereits eingeführten verstärkten Kontrollen der deutschen Grenzen, der in die parlamentarischen Beratungen eingebrachte Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rückführung, die Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte, die Verschiebung des Anspruchs auf die sogenannten Analogleistungen bei den Asylbewerberleistungen statt bisher nach 18 Monaten auf künftig erst nach 36 Monaten, eine Änderung des Sozialgesetzbuchs II und XII in Bezug auf Leistungen bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und der Abbau von Hürden für die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten mit rechtlich gesicherter Bleibeperspektive. Dies sind wichtige Schritte, um den Missbrauch des Asylrechts zu bekämpfen.
Ministerpräsident Hendrik Wüst hat allerdings den Beschluss als „kein ausreichendes Ergebnis“ bezeichnet. So stellt er einerseits weitergehende Forderungen an die Bundespolitik, obwohl andererseits Äußerungen aus den Reihen seines Koalitionspartners in Nordrhein-Westfalen vermuten lassen, dass nicht die gesamte Landesregierung hinter diesen Forderungen steht. U. a. meinte der Co-Landesvorsitzende der Grünen Tim Achtermeyer, „dass die Grundleistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz nun von 18 auf 36 Monate verlängert werden, halte ich jedoch für problematisch.“ Auch Verena Schäffer, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, rückte in der WDR-Sendung „Westpol“ am 12. November 2023 an vielen Stellen deutlich ab von den MPK-Beschlüssen sowie den Forderungen ihres Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Auch in der konkreten Politik der Landesregierung lassen sich abgesehen von der in der Ergänzungsvorlage zum Haushalt nach mehrmaligen Aufforderungen der FDP-Landtagsfraktion endlich vorgesehenen Stärkung der Zentralen Ausländerbehörden keine Ansätze zur Reduzierung irregulärer Migration erkennen.
Die Umsetzung etlicher Punkte des Beschlusses von Bund und Ländern liegt jedoch in der eigenen Verantwortung der Bundesländer. Daher sind eigene Anstrengungen der Länder und damit auch von Nordrhein-Westfalen gefordert. Ein wesentlicher Punkt sind die Aufenthaltszeiten in den Unterkünften des Landes, so dass nur Personen mit Bleibeperspektive den Kommunen zugewiesen werden. Die Städte und Gemeinden könnten so ihr Engagement bei der Integration vor Ort auf die Menschen konzentrieren, die voraussichtlich in unserem Land bleiben werden. Im August kündigte die Landesregierung jedoch an, „vorzeitige Zuweisungen von Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen in die Kommunen“ vorzunehmen. Um dies zu verhindern, müssen die Kapazitäten der Landeseinrichtungen vergleichbar 2015/16 erhöht werden. Bisher verfehlt das Land aber selbst das wenig ambitionierte Ziel eines Ausbaus auf 35.000 Plätze.
Weitere wichtige Punkte in Verantwortung der Länder sind die Verkürzung der Asylgerichtsverfahren und die Schaffung von Abschiebeeinrichtungen an großen Flughäfen. Bund und Länder haben vereinbart, Asylgerichtsverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, in drei Monaten abzuschließen. Dafür sind die personellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Rheinland-Pfalz hat gezeigt, dass mit Hilfe einer Zentralisierung und einer guten personellen und sachlichen Ausstattung eine erhebliche Verkürzung der Verfahren möglich ist. Zudem muss das Land den vereinbarten zustimmungspflichtigen Initiativen im Bundesrat zustimmen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- die vorzeitigen Zuweisungen aus den Landeseinrichtungen zu beenden und nur Menschen mit Bleibeperspektive auf die Kommunen zu verteilen;
- dazu die Kapazität der Landeseinrichtungen vergleichbar 2015/16 zu erhöhen;
- die Voraussetzungen für eine umgehende Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte zu schaffen;
- Asylgerichtsverfahren mit Hilfe einer Zentralisierung und einer besseren personellen und sachlichen Ausstattung der Verwaltungsgerichte zu verkürzen;
- ein Abschiebegewahrsam an einem internationalen Flughafen wie Düsseldorf einzurichten;
- den vereinbarten zustimmungspflichtigen Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz und im SGB II und SGB XII im Bundesrat zuzustimmen;
- dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat zuzustimmen sowie
- sich auf Bundesebene für eine Einstufung weiterer Staaten wie insbesondere der Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einzusetzen.