Isolationspflicht aufheben – Nordrhein-Westfalen soll beim Umgang mit infizierten Personen stärker auf Eigenverantwortung und Empfehlungen setzen

I. Ausgangslage

Die Verordnung zur Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 und zur Regelung von Absonderungen nach § 30 des Infektionsschutzgesetzes (Corona-Test-und-Quarantäneverordnung - CoronaTestQuarantäneVO) regelt in § 7ff die Vorgaben zur Isolierung infizierter Personen. Die Verpflichtung zur Isolierung bei Verdacht und Nachweis einer Infektion wird in § 8 CoronaTestQuarantäneVO konkretisiert. Demnach endet die Isolierung grundsätzlich nach zehn Tagen ab dem Tag des erstmaligen Auftretens von Symptomen bzw. der Vornahme des ersten positiven Tests. Die Isolierung kann frühzeitig durch eine frühestens am fünften vollständigen Tag der Isolierung vorgenommene negative Testung mittels Coronaschnelltest oder PCR-Test einer anerkannten Teststelle beendet werden, ein Coronaselbsttest ist hierzu nicht ausreichend. Der letzte Punkt geht über die Empfehlungen zu Isolierung und Quarantäne des Robert-Koch-Instituts (RKI) und die Vorgaben in den meisten anderen Bundesländern hinaus, nach denen ein Selbsttest ausreichend wäre. Insofern sind die Regelungen zur Isolierung in Nordrhein-Westfalen besonders restriktiv.

Ende September haben die vier Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein eine Abschaffung der Isolationspflicht gefordert. In einem gemeinsamen Schreiben haben sie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Robert-Koch-Institut seine Vorgaben vom 2. Mai 2022 neu bewertet. Der grüne Gesundheitsminister Manne Lucha aus Baden-Württemberg führte dazu aus: „Wir sollten nach und nach in den Modus kommen, eine Corona-Infektionen wie eine andere Infektionskrankheit zu behandeln, bei der gilt: Wer krank ist, bleibt zu Hause.“ Man müsse auf mehr Eigenverantwortung setzen und den Menschen nicht mehr fünf Tage Absonderungspflicht vorschreiben, so Lucha. Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken sei die Anpassung der Isolationsregeln „ein Schritt auf dem Weg zurück zur Normalität“.

Eine Aufforderung an den Bund wäre rechtlich aber gar nicht erforderlich. Bundesländer können die Isolationspflicht in ihren Landesverordnungen unabhängig von den RKI-Empfehlungen aufheben. Damit würden sie vielen Nachbarstaaten Deutschlands folgen. In Ländern wie Dänemark, Polen oder der Schweiz ist die Pflicht zur Isolierung sogar schon seit Monaten abgeschafft bzw. durch eine Empfehlung ersetzt. In Österreich wurde die Absonderungspflicht seit dem 1. August 2022 durch eine sogenannte „Verkehrsbeschränkung“ ersetzt. Dort müssen Infizierte zehn Tage lang bei Kontakten mit anderen Personen bzw. in öffentlichen Innenräumen eine FFP2-Maske tragen, sie dürfen keine Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Kindergärten oder Grundschulen besuchen, können aber an ihren Arbeitsplatz.

Eine besondere Problematik besteht hinsichtlich der Personalausfälle in den sogenannten kritischen Infrastrukturen. § 12 Abs. 2 CoronaTestQuarantäneVO sieht für diese Bereiche als Ausnahmeregelung eine sogenannte Arbeitsquarantäne vor. Demnach können die zuständigen Behörden Ausnahmen von der Isolationspflicht zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit zulassen, wenn keine Krankheitssymptome vorliegen und ein striktes betriebliches Konzept mit präventiven Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz besteht. Eine generelle Regelung zur Zulassung der Berufsausübung von symptomlosen infizierten Personen könnte in dieser Frage eine deutliche Vereinfachung bedeuten. Voraussetzung dafür sollten präventive Maßnahmen wie das Tragen einer medizinischen oder FFP-2-Maske sein.

Weiterhin ist fraglich, inwiefern die Isolationspflicht in der Praxis überhaupt eingehalten wird. Laut einer repräsentativen Studie „Arbeiten 2022“ der Betriebskrankenkasse Pronova BKK, für die rund 1200 Beschäftigte befragt wurden, gehen neun Prozent der Corona-Infizierten bei einem milden Verlauf und trotz positiven Tests zur Arbeit. Die bestehende Isolationspflicht stellt auch einen negativen Anreiz für die Wahrnehmung offizieller Testangebote dar. Viele Menschen könnten aufgrund einer drohenden Isolation dazu verleitet sein, nur noch Selbsttests durchzuführen, solange sie keinen negativen Tests nachweisen müssen (wie z. B. beim Besuch in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen). Deshalb wäre zu hinterfragen, ob die psychologische Wirkung einer Isolationspflicht letztlich kontraproduktiv ist.

II. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • die Verpflichtung zur Isolierung in § 8 CoronaTestQuarantäneVO aufzuheben,
  • bei den Vorgaben zum Umgang mit infizierten Personen stärker auf Eigenverantwortung und Empfehlungen zu setzen,
  • insbesondere die Ausübung der beruflichen Tätigkeit zuzulassen, wenn keine Krankheitssymptome vorliegen und präventive Maßnahmen wie das Tragen einer medizinischen oder FFP-2-Maske eingehalten werden sowie
  • sich auf Bundesebene für eine Überarbeitung der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts einzusetzen.

Henning Höne
Marcel Hafke
Angela Freimuth
Yvonne Gebauer
Marc Lürbke

und Fraktion