Keine Mautpflicht für Garten- und Landschaftsgärtner
I. Ausgangslage
Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) ist für die Nutzung der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen durch Fahrzeuge, die für den Güterverkehr bestimmt oder verwendet werden, ab einem Gewicht von mindestens 7,5 Tonnen eine Gebühr (Maut) zu entrichten. Ausnahmen von der Entrichtung der Maut sind in § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 - 9 des Gesetzes geregelt. Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften wurde das BFStrMG in mehrfacher Hinsicht geändert. Neben der Einführung einer CO2-Komponente tritt am 1. Juli 2024 eine Veränderung in Bezug auf das zulässige Gesamtgewicht von Fahrzeugen in Kraft. Nach der Neuregelung des § 1 Absatz 1 Satz 1 BFStrMG besteht die Mautpflicht dann bereits für Fahrzeuge ab einem Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen.
Gleichzeitig werden die bisherigen Ausnahmebestimmungen um eine weitere, die sogenannte „Handwerkerausnahme“ in § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG, ergänzt. Danach sind Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von weniger als 7,5 Tonnen, die zur Beförderung von Material, Ausrüstungen oder Maschinen, die der Fahrer zur Ausübung seines Handwerks oder seines mit dem Handwerk vergleichbaren Beruf benötigt, oder zur Auslieferung von handwerklich hergestellten Gütern, wenn die Beförderung nicht erfolgt, benutzt werden, von der Maut befreit. Das bedeutet eine situative Befreiung von der Maut unter der Voraussetzung, dass die Fahrt gerade im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit erfolgt.
Welche handwerklichen Tätigkeiten von der Befreiung der Maut in § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG profitieren, hat das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) in der „Liste der handwerklichen Tätigkeiten im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG“ festgelegt. In dieser Liste sind 163 Handwerksberufe und handwerksähnliche Berufe alphabetisch aufgeführt. In der Vorbemerkung der BALM-Liste heißt es: „Diese Liste der handwerklichen Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG ist abschließend und kann dem Rechtsanwender bei der Auslegung der Ausnahmevorschrift nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG als Hilfestellung dienen.” Abschließend bedeutet, dass außer den dort genannten Berufen keine weiteren Tätigkeiten von der Mautpflicht befreit werden.
Nicht in dieser Liste befindet sich der Beruf der Garten- und Landschaftsgärtner (im Folgenden: Landschaftsgärtner). Allein im Vergleich zur von der Maut befreiten Tätigkeit der Kosmetiker erscheint die Nichtaufnahme der Landschaftsgärtner unverständlich. Begründet wird der Ausschluss des Landschaftsgärtners damit, dass dieser nicht in den Anlagen A und B der Handwerksordnung (HwO) erwähnt werde. Der Landschaftsgärtner sei auch kein handwerksähnlicher Beruf, weil er nicht im „Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe“ im Bereich des Handwerks auftauche.
Gegen diese Ungleichbehandlung wendet sich der Bundesverband des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. Der Verband hat eine rechtsgutachterliche Stellungnahme in Auftrag gegeben, die sich mit der Frage der Vergleichbarkeit der Tätigkeit der Landschaftsgärtner mit dem Handwerk im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG befasst.3 Außerdem beantwortet die Stellungnahme die Frage, ob die Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Diese alle rechtlichen Aspekte beleuchtende Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, dass die Begründung der abschließenden Aufzählung der von der Maut befreiten Handwerker einer näheren Betrachtung nicht standhält.
Durch den Ausschluss der Landschaftsgärtner wird verkannt, dass der Garten- und Landschaftsbau zwar kein Handwerk ist, aber ein mit dem Handwerk vergleichbarer Beruf im Sinne § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG. Abweichend vom Begriff des Handwerks erstreckt sich die Ausnahmebestimmung auch auf „mit dem Handwerk vergleichbare Berufe“. Eine Beschränkung auf das Handwerk ist also nicht beabsichtigt. Es kommt dem Gesetzgeber viel- mehr auf die handwerksmäßige Durchführung der beruflichen Tätigkeit an. Entscheidend für eine Mautbefreiung des Garten- und Landschaftsbaus ist demnach allein, ob eine mit dem Handwerk vergleichbare Tätigkeit erbracht wird. Die Stellungnahme kommt zu dem Schluss, dass der Garten- und Landschaftsbau die Voraussetzungen einer handwerksmäßigen Tätigkeit erfüllt. Abzustellen ist in dem Zusammenhang auf das Berufsbild, dass in § 4 Absatz 2 Nr. 3 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gärtner Ausdruck findet. Danach sind Gegenstand der Berufsausbildung in der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau unter anderem das Vorbereiten, Einrichten und Abwickeln von Baustellen, das Ausführen von Erdarbeiten sowie Be- und Entwässerungsmaßnahmen sowie das Herstellen von befestigten Flächen und Bauwerken in Außenanlagen.
Nach aktuellen gerichtlichen Feststellungen erfüllt der Garten- und Landschaftsbau zudem die Bedingung der Handwerksmäßigkeit, indem er fast ausnahmslos in kleinen bis mittelständischen Betrieben in handwerksmäßiger Form ausgeübt wird.4 Insbesondere gibt es höchstrichterlich anerkannte erhebliche Überschneidungen der Tätigkeit des Landschaftsgärtners mit dem in Nr. 5 der Anlage A zur HwO genannten Straßenbauer-Handwerk.5 Somit ist der Garten- und Landschaftsbau als ein „mit dem Handwerk im Sinne der Handwerksordnung vergleichbarer Beruf“ im Sinne des BFStrMG anzusehen.
Darüber hinaus ist Sinn und Zweck der Ausnahme, die Freistellung von zusätzlichen wirtschaftlichen Belastungen durch die Maut. Das trifft auf den Landschaftsgärtner ebenso zu wie auf den Straßenbauer zu. Im Gegensatz zum Kosmetiker belastet eine Maut den Landschaftsgärtner noch stärker, weil er seinen Beruf ausschließlich beim Kunden und nicht an seinem Unternehmensstandort ausüben kann.
Letztlich kann die BALM-Liste mangels Regelungskompetenz des BALM nicht die ihr zugedachte rechtliche Wirkung entfalten. Das BFStrMG enthält keine Ermächtigung des BALM zur verbindlichen und abschließenden Bestimmung der mit dem Handwerk vergleichbaren Berufe. Wie in der Vorbemerkung der Liste zu lesen ist, kann sie als Hilfestellung bei der schnellen Auskunft für betroffene Betriebe dienen, mehr aber auch nicht. Daher kann die Liste die Ausnahmen nach § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG nicht abschließend ausgestalten. Das hat zur Folge, dass eine mautrechtliche abschließende Differenzierung durch die BALM-Liste als sachfremd und willkürlich angesehen werden muss und als Begründung für einen Mautpflicht des Garten- und Landschaftsbaus nicht taugt.
Die Ungleichbehandlung der Landschaftsgärtner ist nicht gerechtfertigt. Die Befreiung von der
Mautpflicht muss folglich auch für Landschaftsgärtner gelten.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest,
- dass eine Mautpflicht für den Garten- und Landschaftsbaus in Ausübung ihrer Tätigkeit im Vergleich mit den von der Mautpflicht befreiten Handwerkstätigkeiten nicht gerechtfertigt ist.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- sich dafür einzusetzen, dass der Werkverkehr kleiner und mittlerer Betriebe des Garten- und Landschaftsbaus bei der Nutzung der Bundesfern- und Bundesstraßen von der erweiterten Mautpflicht ausgenommen werden.
- sich auf Bundesebene nachdrücklich dafür einzusetzen, dass die Tätigkeit der Garten- und Landschaftsgärtner als mit dem Handwerk vergleichbarer Beruf im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 10 BFStrMG anerkannt wird.