KI und LLM in NRW fördern am Beispiel des Nachbarschaftsrechts NRW! Ist das Justizministerium in der Lage, NRW-Bürgerinnen und Bürger das Nachbarschaftsrecht durch KI einfach und verständlich darzustellen?

 

Ausgangslage

Die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Large Language Models (LLM) spielen auch im NRW-Justizbereich eine immer wichtigere Rolle. Die Bereiche Digitalisierung und Einsatz von KI in der Justiz sind seit Jahren Thema im Rechtsausschuss. In der letzten 17. Legislaturperiode wurde auf Anregung der FDP-Landtagsfraktion die erste KI-Tagung des Justizministeriums in Corona-Zeiten durchgeführt. Leider war es auch die letzte Veranstaltung, weil die aktuelle Landesregierung unter dem amtierenden Justizminister in der 18. Legislaturperiode trotz entsprechender Forderungen aus Wissenschaft, Justiz und Wirtschaft, in diversen Anhörungen, eine Fortführung dieser interdisziplinären Gespräche auf NRW-Ebene nicht für notwendig erachtete.

Von Seiten der FDP-Fraktion wurden daher zu Digitalisierung und KI eine Vielzahl von Berichtswünschen in Rechtsausschusssitzungen oder Plenaranträge und Anhörungen durchgeführt, um das Thema auf diesem Wege weiter zu bearbeiten.

Zuletzt hat die Landesregierung mit Bericht vom 26.6.2024 in der 43. Sitzung des Rechtsausschusses einen Bericht vorgelegt und mitgeteilt, in welchen Einsatzbereichen und aktuellen KI-Pilotprojekten NRW beteiligt ist. Dieser Bericht gibt einen Einblick der derzeitigen Maßnahmen, zeigt aber auch auf, dass wesentlich mehr gemacht werden könnte. Unterstützt wird das Justizministerium durch den Think-Tank, wobei in einem früheren Bericht des Justizministeriums der Think-Tank mit nur eingeschränkten Möglichkeiten dargestellt wurde.

NRW ist Kooperationspartner der „Digitalen Rechtsantragstelle“ und des zivilgerichtlichen Onlineverfahrens“. Zusätzlich wurde zwischen NRW und dem Bayerischen Staatsministerium eine Vereinbarung für ein Forschungsprojekt zu Large Language geschlossen.

Nach einer Mitteilung des NRW- Justizministeriums entwickeln und erproben Nordrhein-Westfalen und Bayern in dem Forschungsprojekt ein speziell auf die Bedürfnisse der Justiz abgestimmtes Sprachmodell („Generatives Sprachmodell der Justiz“). Ziel des KI-Projekts ist es unter anderem, die Gerichte in Massenverfahren zu entlasten. Das Modell solle anhand von mehreren Pilotprojekten, deren Ausgestaltung anhand der Anwenderbedürfnisse unter Anwendung von Legal Design Thinking Methoden erfolge, erprobt werden. Auf wissenschaftlicher Ebene wird das Projekt von der Universität zu Köln und von der Technischen Universität München erarbeitet.

In dem Bericht vom 26.6.2024 in der 43. Sitzung des Rechtsausschusses heißt es: „In den Bereichen Large Language Models und KI-Chatbots beteiligen sich darüber hinaus Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Mittelbehörden und der ITD in Zusammenarbeit mit dem KI-Labor von IT-NRW bei der Erprobung eines ChatGPT-Modells, das sich auf Servern in Westeuropa befindet. Denkbares späteres Einsatzszenario könnte die Übertragung von neutralisieren Entscheidungen in einfacher Sprache sein.“ 

Dabei würde genau diese Entwicklung einer verfassungsgerichtlichen Forderung nachkommen. In der deutschen Justiz ist es die Ausnahme, dass eine Entscheidung – zumal die eines Instanzgerichts – überhaupt veröffentlicht wird. Laut einer Studie sind es maximal ein Prozent der Gerichtsentscheidungen eines Jahres. Begrenzt wird diese Pflicht der Veröffentlichung durch kollidierendes Verfassungsrecht, insbesondere durch Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten. Es kommt also immer auf eine Abwägung im Einzelfall an: Überwiegt das öffentliche Interesse an bestimmten Informationen oder überwiegen Persönlichkeitsrechte einzelner Personen.

Denn für Gerichte gilt, dass diese ihre zivilrechtlichen Entscheidungen in aller Regel anonymisiert veröffentlichen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 05.04.2017, Az. IV AR(VZ) 2/16). 

Das Nachbarschaftsrecht von NRW ist eine geeignete Materie, um KI in NRW für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbar zu machen.

Das Nachbarschaftsrecht jedes Bundeslandes ist eine eigenständige Rechtsordnung, die Streit zwischen Grundstücksnachbarn durch verschiedene gesetzliche Regelungen verhindern will. So gibt es das Hammerschlag- und Leiterrecht, dass das Betreten des Nachbargrundstücks nach vorheriger frühzeitiger Mitteilung erlaubt, verschiedene Abstandsflächen regeln das Einpflanzen von Bäumen und Sträucher. Bäume und Sträucher, die länger als 6 Jahre eingepflanzt sind, dürfen nicht abgeholzt werden, jedoch hat der BGH hierzu erklärt, dass ein regelmäßiges Zurückschneiden über die Grenze hängende Äste erwartet werden kann. Die Verkehrssicherungspflicht trifft im Übrigen den Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Bäume stehen. Des Weiteren sind Regelungen zu Grenzzäunen, Giebelwänden etc. dort vorhanden. Was fehlt, sind Regelungen zum Beispiel zu Überwachungskameras, die an Haustüren, Hauswänden oder Fenstern befestigt sind und auch Nachbargrundstücke überwachen, aber hierzu gibt das BGB und die Rechtsprechung des BGH die entsprechenden Antworten. Zuständig für das Nachbarschaftsgesetz in NRW ist das NRW-Justizministerium.

Das bedeutet, dass wir mit den Nachbarschaftsrecht und seinen weiteren Regelungen im BGB sowie der Rechtsprechung des BGH ein Rechtsinstitut haben, das

a)         zum einen für alle Bürgerinnen und Bürger in NRW von Interesse ist,

b)         zum zweiten dem Hause des NRW-Justizministeriums als Landesrecht unmittelbar unterstellt ist und kein anderes Ministerium daran beteiligt ist, was wiederum bedeutet, dass alle entscheidenden Urteile zum Nachbarschaftsrecht NRW sehr schnell und auf einfache Weise von den Untergerichten gesammelt und zur Verfügung gestellt werden könnten.

c)         durch das Zusammenwirken von Landesrecht (NachbarG NRW mit 55 Paragraphen), BGB (§§ 903 – 924 und 1004) und der BGH-Rechtsprechung eine Kombination unterschiedlicher Gesetze mit einem Gesetzeszweck mit weitreichender Bedeutung zusammentreffen, die für die KI-Forschung und KI-Entwicklung genügend Herausforderungen bietet, um sowohl den Think-Tank damit zu beauftragen als auch die KI-Labore von IT.NRW bei ChatGPT-Modells zu unterstützen.

In der Anhörung zu ChatGPT vom 13.6.2023 haben die Sachverständigen gefordert, die Grenzen von KI und von LLM an unterschiedlichen Projekten zu erproben.

Die juristische Rechercheplattform Casetext hat jüngst durch den Einsatz von Chatbots als "CoCounsel" von sich reden gemacht, weil es verspricht Dokumente eigenständig zu analysieren oder mündliche Einlassungen vorzubereiten.

Auf dem 2. Bund-Länder-Digitalgipfel am 25.05.2023 in Berlin wurde beschlossen, das Generative Sprachmodell der Justiz (GSJ) zu priorisieren. Ein Jahr später hat NRW die Vereinbarung mit Bayern im Jahr 2024 geschlossen. Tatsächlich könnte NRW aber noch mehr tun und schneller sein. Und um nicht den Vorwurf zu hören, das ginge nicht, weil es zu viel Abstimmung bedarf, ist das NRW- Nachbarschaftsrecht, dessen Gesetzesmaterie ausschließlich bei dem Justizministerium liegt, genau der richtige Gesetzestext, da es alle Bürgerinnen und Bürgern betrifft und mit einem eigenen KI- und ChatGPT-Modell einfachgesetzlich erprobt werden könnte.

Wenn nämlich nicht nur justizintern, sondern auch die Anwendung von KI im Nachbarschaftsrecht zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger durch neue Konzepte erprobt würde, würde dies einen großen Schritt nach vorne bedeuten bei der Akzeptanz von KI in der Justiz, weil die Bürgerinnen und Bürger dies selbst ausprobieren können und das Zusammenwirken von Justiz, Wissenschaft und Wirtschaft damit anhand dieses einfachen Rechtsinstituts erarbeitet und auch diskriminierungsfrei erprobt werden kann.

Dazu müssten jedoch zum einen sämtliche Urteile zum Nachbarschaftsrecht und zum Nachbargesetz NRW gesammelt und einer externen Datenbank zugeführt werden, anhand deren dann LLM justizintern weitergebildet werden könnte, so dass in einem weiteren Schritt durch Anwendung nationaler sicherer KI-Lösungsvorschläge angewandt werden könnten.

Diese können dann wiederum Bürgerinnen und Bürger, Schlichter und Schlichterinnen des obligatorischen Streitschlichtungsverfahrens, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Richter und Richterinnen für eigene Rechtsprüfungen nutzen.

II.  Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen

  • Das Justizministerium von NRW trägt dafür Sorge, dass ab dem Jahr 2024 die in NRW gefassten Urteile zum Nachbarschaftsrecht in einer NRW-Online-Sammlung anonymisierte Fassung von gerichtlichen Entscheidungen veröffentlichen werden, wobei die Anonymisierungen von Dritten nicht rückgängig gemacht werden können.
  • Der Think-Tank erhält gemeinsam mit dem KI-Labor von IT.NRW die Möglichkeit, eine Machbarkeitsstudie über ein KI und LLM-Projekt über die Nutzung anonymisierter Urteile aus dem Nachbarschaftsrecht in Form des NachbarG NRW sowie der dazugehörigen weiteren Rechtsprechung zu den §§ 903 - 924 BGB und 1024 BGB zu erarbeiten und dem Justizministerium sowie dem Landtag von NRW vorzustellen.