Kinderrechte in Nordrhein-Westfalen stärken

I. Ausgangslage

Kinder haben Rechte. Was offenkundig selbstverständlich sein müsste, wird im tagtäglichen Umgang mit Kindern nicht immer gelebt, insbesondere wenn Gewalt angewendet wird und das Kindeswohl gefährdet ist, Kinder und Jugendliche nicht angehört oder beteiligt werden. So war es ein großer und wichtiger Schritt, dass die UN-Kinderrechtskonvention die Kinderrechte mit ihren verschiedenen Aspekten in einem Regelwerk bündelte. Vor mehr als 30 Jahren wurde das Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen (UN-Kinderrechtskonvention, UN-KRK) unterzeichnet. Auch Deutschland hat den Vertrag ratifiziert. Erstmals in der Geschichte des Völkerrechts verankert die UN-Kinderrechtekonvention somit die Rechte des Kindes umfassend in einem internationalen Vertragswerk mit weltweitem Geltungsanspruch und leistet dadurch einen für die rechtliche und gesellschaftliche Stellung junger Menschen wichtigen Beitrag. Im Fokus der Konvention stehen Kinder als Rechtsträger, d. h. alle Menschen unter 18 Jahren. Die UN-KRK basiert in ihren 54 Artikeln auf vier Grundprinzipien: 1) Dem Recht auf Gleichbehandlung, 2) Dem Recht auf Wahrung des Kindeswohls, 3) Dem Recht auf Leben und Entwicklung und 4) Dem Recht auf Anhörung und Partizipation.

In Nordrhein-Westfalen wurden Kinderrechte im Jahr 2002 in die Landesverfassung aufgenommen, wodurch spezielle Rechte von Kindern und Jugendlichen einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelung zugeführt wurden. Das Landeskinderschutzgesetz Nordrhein-Westfalen verbindet in § 1 basierend auf der UN-KRK Kinderschutz und Kinderrechte miteinander. Daher ist Basis für einen wirksamen Kinderschutz, den Rechten von Kindern und Jugendlichen auf Gehör und auf Berücksichtigung ihrer Meinung –entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife –zur Geltung zu verhelfen.

Die sogenannten Beteiligungsrechte der UN-Kinderrechtskonvention schreiben vor, dass Kinder und Jugendliche ein Recht haben, ihre Meinung zu äußern, gehört zu werden und ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechend an Entscheidungen beteiligt zu werden, die ihre Person betreffen. Derartige Beteiligungsprojekte werden durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unter anderem aus Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans (KJFP) gefördert. So berät die Servicestelle Kinder- und Jugendbeteiligung in Nordrhein-Westfalen rund um das Thema Beteiligung und Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen und unterstützt Politikerinnen und Politiker, Fachkräfte der Jugendhilfe und der Jugendarbeit sowie Kinder und Jugendliche bei der Umsetzung von Beteiligungsvorhaben. Zudem werden die Rechte von Kindern über das Dritte Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz – Kinder- und Jugendfördergesetz Nordrhein-Westfalen (3.AG-KJHG –KJFöG NRW) konkreter gefasst. In § 6 heißt es: „Kinder und Jugendliche sollen an allen ihre Interessen berührenden Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen, insbesondere bei der Wohnumfeld- und Verkehrsplanung, der bedarfsgerechten Anlage und Unterhaltung von Spielflächen sowie der baulichen Ausgestaltung öffentlicher Einrichtungen in angemessener Weise beteiligt werden.“

Ergänzend dazu sind Kinderrechte und Partizipation in den Bildungsgrundsätzen für Kinder bis zehn Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Dabei gilt „Gesellschaftliche Teilhabe“ als Leitziel einer Bildung von Anfang an. „Kinder auf künftige Lebenssituationen in unserer demokratischen Gesellschaft vorzubereiten heißt auch, dass sie gut über ihre Rechte informiert werden, ihnen die Teilhabe an Entscheidungsprozessen (Partizipation) ermöglicht wird, sie die Wertschätzung, Achtung und den Umgang mit Vielfalt (Inklusion) erleben und ein Bewusstsein für nachhaltiges Handeln sowie für ein gesundheitsbewusstes Leben entwickeln können. “Über Kinderkonferenzen, Klassenrat, Kinderparlamente und Kinderversammlungen können Kinder Partizipation an den Alltagsentscheidungen erleben und so erkennen, was Anerkennung, Zugehörigkeit und das Recht auf Selbstbestimmung und Beteiligung bedeuten.

In Nordrhein-Westfalen sind Kinderrechte verpflichtend in den Lehrplänen verankert. Da die Rechte der Schülerinnen und Schüler im Schulgesetz gesetzlich geregelt sind, haben sie Einfluss auf die Gestaltung von Bildungs- und Rahmenplänen und Schulprogrammen. Damit Schülerinnen und Schüler bessere Kenntnisse über Kinderrechte haben und sie besser wahrnehmen können, spielt ihre herausgehobene Behandlung im Schulkontext eine Rolle.

Die Lebensrealität von Kindern findet neben der analogen Welt auch im digitalen Raum statt. Auch dort gelten die ratifizierten Kinderrechte. Im Jahr 2021 haben die Vereinten Nationen gemeinsam mit Kinderrechtsorganisation die „25. Allgemeine Bemerkung über die Rechte von Kindern im digitalen Umfeld veröffentlicht“. Die Umsetzung obliegt dem Staat. Unser Augen- merk sollte vermehrt auf die Kinderrechte und den Kinderschutz im digitalen Raum liegen.

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat die Einrichtung einer Stelle eines oder einer unabhängigen Beauftragen für die Belange von Kinderschutz und Kinderrechte beschlossen, um den Kinderschutz und die Kinderrechte in Nordrhein-Westfalen zu stärken. Die Stelle eignet sich gut dafür, Kinderrechte stärker zu bewerben und so in der Gesellschaft an Bekanntheit zu gewinnen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Politik und Gesellschaft haben die Aufgabe, die Rechte der Kinder zu stärken, damit sie sie im Alltag wahrnehmen und durchsetzen können.
  • Um den Kinderrechten mehr Durchsetzungskraft zu verleihen, bedarf es mehr Wissen und Aufklärung, sowohl auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte als auch auf Seiten der Kinder.
  • Um den Kinderschutz weiter voranzubringen, müssen Kinder ihre Rechte durchsetzen können.
  • Dass Kinderrechte besser im Bewusstsein der Menschen verankert werden müssen.
  • Der digitale Raum bietet neben Chancen auch Herausforderungen und Gefahren für Kinder. Daher ist es notwendig, Kinderrechte im digitalen Raum konsequent anzuerkennen und durchzusetzen.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,

  • ein Monitoring für die Kinderrechte in Nordrhein-Westfalen zu initiieren, um die vielfältige Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu erfassen;
  • eine „Awareness-Kampagne“ im Rahmen der Stelle des/der unabhängigen Beauftragten für die Belange von Kinderschutz und Kinderrechten zu prüfen, die über Kinderrechte aufklärt und diese an Kitas und Schulen proaktiv bewirbt;
  • über Flyer und Informationsmaterialien des/der Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte, auch in digitaler Form, an Kitas, Schulen und Familienzentren die Eltern gezielt mehrsprachig sowie in leichter Sprache zu informieren und das Thema kindgerecht bereits früh mit den Kindern gemeinsam spielerisch anzusprechen, um sie so frühzeitig an das Thema heranzuführen;
  • zu eruieren, inwieweit die Vermittlung von Kinderrechten und Kinderschutz in pädagogischen Ausbildungs- und Studiengängen bereits verankert ist;
  • die Einführung eines Jugend-Checks zu prüfen, der Folgen von Gesetzen auf Kinder und Jugendliche im Gesetzgebungsverfahren unbürokratisch beurteilt;
  • zu prüfen, welche Maßnahmen notwendig sind, um Kinderrechte in der digitalen Welt sicherzustellen;
  • die Erlernung von Medienkompetenz in der frühkindlichen Bildung und Schule weiter zu fördern, um Kinder dazu zu befähigen ihre Rechte im digitalen Raum selbstbestimmt wahrnehmen zu können.