Klimafreundliche Energie für Nordrhein-Westfalen: Nutzung der Tiefengeothermie jetzt in die Breite bringen!
I. Ausgangslage
Die Wärmeversorgung in Nordrhein-Westfalen emissionsfrei auszugestalten, ist ein elementarer Bestandteil, um das Ziel der Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 zu erreichen. Der Wärmebedarf der Gebäude in Nordrhein-Westfalen beträgt circa 218 Terawattstunden pro Jahr, davon etwa 136 Terawattstunden bei Wohngebäuden. Das entspricht fast 40 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs des Bundeslandes.
Um die Reduzierung der CO2 -Emissionen bei der Wärmeversorgung zu erreichen, ist es notwendig, nicht nur auf Nachfrageseite den Wärmebedarf durch energetische Sanierungen und Heizungsmodernisierungen zu senken, sondern auch auf der Angebotsseite eine effektive, wirtschaftliche und klimafreundliche Bereitstellung von Wärme zu gewährleisten.
Die Nutzung von Erdwärme in Nordrhein-Westfalen für die Wärmeversorgung birgt hierfür ein enormes Potential. Erdwärme steht ganzjährig und verlässlich zur Verfügung, ist wetterunabhängig, krisensicher und nahezu unerschöpflich. Sie ist eine CO2-freie, vor allem heimische Energiequelle.
Bei der Nutzung der Erdwärme wird zwischen der oberflächennahen Geothermie, bei der die Erdwärme mit Wärmekollektoren und Wärmepumpen für Heizzwecke genutzt wird, und der Tiefengeothermie unterschieden. Hier kann die aus Tiefbohrungen erschlossene Wärme mit ihren hohen Temperaturen direkt zur klimafreundlichen Wärmeversorgung genutzt werden.
Während die oberflächennahe Geothermie in Nordrhein-Westfalen bereits in der Breite genutzt wird, um beispielsweise Wohnhäuser zu heizen, befindet sich die Nutzung der Tiefengeothermie noch am Anfang.
Potentiale der Tiefengeothermie für die Wärmeversorgung
Von Tiefengeothermie wird üblicherweise bei Tiefen über 400 Meter gesprochen. In Deutschland kommen bisher hydrothermale Systeme (hydrothermale Geothermie) zum Einsatz, bei denen Heißwasser-Vorkommen im tieferen Untergrund genutzt werden. Im Prozess wird Wasser über mindestens eine Bohrung aus dem Untergrund gefördert und ihm die Wärme entzogen. Danach wird das Wasser über mindestens eine weitere Bohrung in den Untergrund zurück geleitet. Die Wärme wird in Nah- oder Fernwärmenetze gespeist oder in Industrieprozessen genutzt.
Für beide Optionen gibt es in Nordrhein-Westfalen ergiebige Verwendungs- und Anschlussmöglichkeiten. Mit den zahlreichen Großstädten und ihrer dichten Besiedlung besteht ein gewaltiger Verbund von Wärmenetzen, der in der „Kohle-Ära“ entstanden ist. Tiefengeothermie kann in Nordrhein-Westfalen einen erheblichen Beitrag zur Wärmeversorgung der Gebäude und Quartiere leisten.
Nordrhein-Westfalen benötigt als industrielles Kernland ebenfalls erhebliche Mengen an Prozesswärme. Industrien mit einem Wärmebedarf bis zu 150 Grad Celsius, wie die Textil-, Zement-, Lebensmittel- und Papierindustrie, können bei Bohrtiefen bis in 4.000 bis 4.500 Meter über die Tiefengeothermie mit ausreichend Wärme versorgt werden. Bis zu 25 Prozent des Wärmebedarfs der Industrie könnten über die Nutzung von Erdwärme abgedeckt werden.
In der Landwirtschaft finden sich bei Gewächshäusern ebenfalls vielsprechende Anwendungsmöglichkeiten für Erdwärme aus Tiefengeothermie, um dort emissionsfrei mit erneuerbarer Wärme beispielsweise Rosen und Tomaten zu produzieren.
Im Untergrund von Nordrhein-Westfalen ruht ein geothermaler Schatz, der bisher nur unzureichend erschlossen wurde. Bereits die Römer haben die unterirdischen Thermalwässer aus dem devonischen Massenkalk genutzt, beispielsweise in Aachen.
Bisherige Maßnahmen und Initiativen zur Förderung der Tiefengeothermie
In der vergangenen Legislaturperiode sind eine ganze Reihe erfolgreicher Weichenstellungen und Initiativen für die bessere Nutzung der Tiefengeothermie in Nordrhein-Westfalen auf den Weg gebracht worden. Dazu gehört die Einrichtung des Fraunhofer-Instituts für Energieinfrastruktur und Geothermie (Fraunhofer IEG) mit seinen vielfältigen Projekten und Forschungs- und Entwicklungsstandorten in Bochum, Aachen, Weisweiler und Jülich. Auch der Landeswettbewerb „Wärme aus Tiefengeothermie für NRW“, bei dem das Fraunhofer IEG gemeinsam mit Kommunen und Unternehmen u.a. Machbarkeitsstudien für die Nutzung der Tiefengeothermie für die Einspeisung von Wärme in Fernwärmenetze, für industrielle Prozesswärme und den emissionsfreien Betrieb von Gewächshäusern durchführt, ist zu nennen. Gleichzeitig wird die flächendeckende geothermale Charakterisierung Nordrhein-Westfalens in drei wesentlichen Projekten vorangetrieben. Sowohl 2D- und 3D-Modelle werden erstellt, um alle für die mitteltiefe und tiefe Geothermie relevanten Gesteinseinheiten im Untergrund zu erfassen.
Weiterer Handlungsbedarf
Während die Vermessung und Kartierung des Untergrunds läuft, müssen jetzt die entscheidenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Nutzung von Erdwärme im Rahmen der Tiefengeothermie in naher Zukunft in der Breite zu ermöglichen.
Die Kommunen und örtlichen Energieversorgungsunternehmen sind die zentralen Akteure, um die Nutzung von Tiefengeothermie im Rahmen der kommunalen Wärmeplanungen für Wärme in Gebäuden und bei Industrieprozessen zu ermöglichen. Sie müssen unterstützt und befähigt werden, Projekte im Bereich der Tiefengeothermie umzusetzen.
Die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren von Geothermie-Vorhaben ist dafür ebenfalls ein wichtiger Baustein. Bei der Nutzung der Geothermie sind bspw. die zum Schutz des Grundwassers geltenden wasserrechtlichen Vorschriften, insbesondere das Wasserhaushaltsgesetz, die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und die Ländervorschriften zu beachten. Mögliche Vereinfachungen und Optimierungspotentiale im Wasser-, Umweltverträglichkeitsprüfungs-, Naturschutz- und im Vergaberecht sollten hier geprüft werden, um Genehmigungsverfahren für Aufsuchungserlaubnis und Nutzung von Erdwärme deutlich zu verkürzen.
Bisher stellen die Fündigkeitsrisiken bei Probebohrungen zur Nutzung der Tiefengeothermie ein erhebliches Hemmnis für Investitionen dar. Es ist das Risiko, ein geothermisches Reservoir mit Bohrungen in nicht ausreichender Quantität oder Qualität wirtschaftlich erschließen zu können. Die Bundesförderung für effiziente Wärme (BEW) sieht mittlerweile im Bereich der Geothermie für geothermische Anlagen zur Wärmeerzeugung, die in Wärmenetze einspeisen, eine systemische Förderung (basierend auf einer Machbarkeitsstudie oder einem Transformationsplan) in Höhe von 40 Prozent der Investitionskosten vor. Das umfasst für die Tiefengeothermie geologische, hydrologische und seismische Voruntersuchungen. Ergänzend werden Erkundungs-, Förder- sowie Injektionsbohrungen und auch die Baustelleneinrichtung und Tiefbauarbeiten berücksichtigt.
Die Förderhöhe reicht keineswegs aus, um Investitionen in die Tiefengeothermie ausreichend anzureizen und das hohe wirtschaftliche Risiko abzusichern. Insbesondere kleine und mittlere Bohrunternehmen können das Risiko von Fehlbohrungen bisher kaum tragen. Das Land Niedersachsen hat hierfür beispielsweise eine Bürgschaftsregelung eingeführt, um das Fündigkeitsrisiko für Tiefengeothermieprojekte zu reduzieren.
Die Akzeptanz von Geothermie ist eine wesentliche Voraussetzung für den stärkeren Einsatz der Geothermie. Aufklärungs- und Informationskampagnen von Unternehmen und Kommunen tragen erheblich zum Erfolg von Geothermie-Projekten bei und sollten Vorhaben vor Ort stets begleiten.
II. Beschlussteil
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- die geothermale Charakterisierung Nordrhein-Westfalens vorantreiben und insbesondere Potentiale von Tiefengeothermie in Wärmekataster des Landes zu integrieren.
- ein Handlungskonzept des Landes für eine erfolgreichen Wärmemarkt in Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erarbeiten.
- die Kommunen und örtlichen Energieversorgungsunternehmen zu unterstützen, tragfähige Nutzungskonzepte für die Tiefengeothermie zu entwickeln und in die kommunale Wärmeplanung zu integrieren.
- sich dafür einzusetzen, dass das Fündigkeitsrisiko bei Tiefengeothermie-Vorhaben bestmöglich durch marktwirtschaftliche Instrumente abgesichert ist, so dass ausreichend Investitionssicherheit für die Durchführung von Tiefengeothermie-Vorhaben gewährleistet wird.
- landeseigene Risikosicherungsinstrumente wie bspw. Bürgschaftsregelungen zu prüfen, um finanzielle Risiken für Projektentwickler von Tiefengeothermie-Vorhaben zu reduzieren.
- alle Vereinfachungen und Optimierungspotentiale im Wasser-, Umweltverträglichkeitsprüfungs-, Naturschutz- und im Vergaberecht zu prüfen und zu heben, um Genehmigungsverfahren für die Aufsuchungserlaubnis und Nutzung von Geothermie-Vorhaben deutlich zu verkürzen.
- die Akzeptanz von Geothermie-Vorhaben durch Aufklärungs- und Informationskampagnen zu fördern.