Kodex zur polizeilichen Zusammenarbeit: Wie blickt NRW auf die neuen Entwicklungen auf EU-Ebene?

Der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIBE) diskutierte in seiner Sitzung vom 27. Juni 2022 über den Informationsaustausch der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten. Berichterstatterin Lena Düpont hatte am 07. Juni 2022 ihren Berichtsentwurf zu dem entsprechenden Richtlinienvorschlag vorgelegt. Dieser ist Teil des im Dezember 2021 von der EU-Kommission präsentierten Kodex zur polizeilichen Zusammenarbeit. Der Berichtentwurf begrüßt den Gesetzgebungsvorschlag im Wesentlichen, sieht aber u.a. eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von ursprünglich nur schweren Verbrechen auf alle Verbrechen vor. Darüber hinaus sollen die Fristen zur Datenübermittlung harmonisiert und Fortbildungsangebote für die Beschäftigten der Zentralen Anlaufstellen eingeführt werden.

Die Verarbeitung der relevanten Daten soll außerdem gemäß der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung erfolgen. Der Berichtsentwurf sieht ferner eine verkürzte Umsetzungsfrist von zwölf Monaten vor. Änderungsanträge konnten bis 12. Juli 2022 eingereicht werden.

Im Vorfeld bestand auch für die Bundesländer die Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben. So startete die Kommission am 19. April 2021 eine öffentliche EU-Konsultation, über die sich Interessensträger – bis 14. Juni 2021 – beteiligen konnten.

Der jetzt vorliegende Berichtsentwurf muss vom EU-Parlament formell angenommen werden, bevor die Trilogverhandlungen mit Rat und EU-Kommission beginnen können.

Er sieht folgende Verbesserungen vor:

  • Eine Empfehlung zur operativen polizeilichen Zusammenarbeit. Die Empfehlung sieht gemeinsame Standards für die Zusammenarbeit zwischen Polizeibeamten vor, die an gemeinsamen Patrouillen teilnehmen und an Einsätzen im Hoheitsgebiet eines anderen Rubriken mitwirken. Sie umfassen eine gemeinsame Liste von Straftaten, bei denen eine grenzüberschreitende Nacheile möglich ist, und sichere Kommunikationssysteme für Polizeibeamte, damit sie bei Einsätzen in anderen EU-Ländern mit ihren Amtskollegen kommunizieren können. Während die gemeinsamen Standards den Polizeibeamten Einsätze in anderen EU-Ländern erleichtern werden, bleiben die Polizeieinsätze und strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach wie vor der Sache der Mitgliedstaaten. Die Empfehlung richtet sich auch darauf ab, eine gemeinsame Polizeikultur in der EU durch gemeinsame Schulungen, einschließlich Sprachkurse und Austauschprogramme, zu fördern.
  • Neue Bestimmungen für den gleichen Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten: Polizeibeamten in einem Mitgliedstaat sollten unter offensichtlichen Bedingungen der Zugang zu Informationen gewährt werden, wie ihren Kollegen in einem anderen Ländern gewährt werden. Die Mitgliedstaaten sollten eine rund um die Uhr besetzte zentrale Kontaktstelle einrichten, die über ausreichend Personal verfügt und als zentrale Anlaufstelle für den Informationsaustausch mit anderen EU-Ländern führt. Die angeforderten Informationen sollten (in dringenden Fällen) binnen acht Stunden und für höchstens sieben Tage zur Verfügung gestellt werden. Die von Europol verwaltete anerkannte Netzanwendung für sicheren Datenaustausch (SIENA) sollte zum Standardkommunikationskanal werden.
  • Überarbeitete Regeln für den automatisierten Datenaustausch bei der polizeilichen Zusammenarbeit gemäß dem Prüm-Rahmen. Diese Regeln sollen den Datenaustausch verbessern, erleichtern und beschleunigen und zur Identifizierung von Straftätern unterstützen. Die Maßnahmen umfassen die Ergänzung des automatisierten Datenaustauschs um Gesichtsbilder von Verdächtigen und verurteilten Straftätern und um Strafregisterdaten sowie die Einrichtung eines zentralen Routers, an den die nationalen Datenbanken angeschlossen werden können, sodass sich die zahlreichen Verbindungen zwischen den nationalen Datenbanken erübrigen. Ferner soll Europol in die Lage versetzt werden, die Mitgliedstaaten effizienter zu unterstützen und Daten aus Drittländern mit den Datenbanken der Mitgliedstaaten abzugleichen, um Straftäter zu identifizieren, die in Drittländern bekannt sind.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Hat das Land NRW aktiv an dem Prozess während der EU-Konsultationsmöglichkeit teilgenommen?
  2. Wie beurteilt die Landesregierung den vorliegenden Entwurf des „Kodex zur polizeilichen Zusammenarbeit“?
  3. Wie beurteilt die Landesregierung die Ausweitung des Anwendungsbereichs von ursprünglich nur schweren Verbrechen auf alle Verbrechen im Bericht von Lena Düpont zum Richtlinienvorschlag?
  4. Welche Verbesserungen der polizeilichen Zusammenarbeit in der Grenzregion Deutschland, Niederlande und Belgien hat die Landesregierung in den letzten fünf Jahren selber oder gemeinsam mit den Nachbarländern im bestehenden System umgesetzt?
  5. Wie beurteilt die Landesregierung die größeren Kompetenzen von Europol nach dem Entwurf im „Kodex“?

Dr. Werner Pfeil