Sonnenenergie: Kommunale Bauvorschriften dürfen „Freiheitsenergien“ nicht ausbremsen
I. Ausgangslage
Der aktuelle Ausbau der Solaranlagen zeigt: Unter den Pionieren der Energiewende sind immer mehr Privathaushalte. Wer heute durch eine Neubausiedlung geht, kann die Aufbruchsstimmung überall mit einem Blick erkennen: Auf immer mehr Dächern blinken die schwarzblauen Paneele. Die Treiber dieses Fortschritts sind junge Familien und alteingesessene Anwohnerinnen und Anwohner. Sie stehen an der Spitze des Wandels und wollen durch die eigene Solaranlage ihre Stromkosten reduzieren.
Als Gesellschaft profitieren wir insgesamt von diesem Engagement. Der russische Überfall auf die Ukraine hat noch einmal unterstrichen: Wir müssen unabhängig werden von russischem Gas – mit Wind, Sonne, Geothermie, einer smarten Wasserstoffstrategie und vielem mehr. Erneuerbare Energien erhöhen unsere Unabhängigkeit von russischen Energieimporten. Deswegen sind Erneuerbare Energien unsere „Freiheitsenergien“.
Für Privathaushalte gibt es inzwischen drei verschiedene Geschäftsmodelle: Einige Eigentümerinnen und Eigentümer betreiben die Solaranlage selbst, nutzen den Strom und speisen ihn in das Netz ein. Andere Eigentümerinnen und Eigentümer verpachten ihre Dachflächen an ein Unternehmen und profitieren über die Pacht. Wieder andere verpachten ihre Dächer und bekommen statt Geld günstigen Strom (Contracting-Modell).
Das zeigt: Der Markt boomt! Dennoch werden die Pioniere auch vom Staat ausgebremst.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass kommunale Bauvorschriften den Ausbau von Solaranlagen hemmen. Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Georgia-State-University in Atlanta konnten nachweisen, dass Kommunen mit hohen rechtlichen Anforderungen an den Bau von Solaranlagen nachweislich weniger Solarstrom produzieren.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Städte und Gemeinden in Deutschland befragt und die Daten mit dem Marktstammregister der Bundesnetzagentur verknüpft. So konnten die Forscherinnen und Forscher einerseits zeigen, wo es kommunale Bauvorschriften für Solaranlagen gibt, und andererseits nachvollziehen, wie sie den Solarausbau beeinträchtigen. Im Fokus der Forscherinnen und Forscher standen dabei die Rolle von Bauleitplänen, Gestaltungssatzungen und weiteren Vorschriften, die die Installation von Solaranalgen direkt oder indirekt betreffen.
Die Studie zeigt, dass rund 15 Prozent der Gemeinde innerhalb der Stichprobe Solaranlagen reguliert haben. Gemeinden mit Bauvorschriften weisen demnach 10,4 Prozent weniger Solarstromleistung auf als Gemeinden in der Vergleichsgruppe. Sobald eine Kommune Regeln dieser Art erlässt, werden 8,9 Prozent weniger Anlagen verbaut. Kleine und mittlere Solaranlagen mit einer Leistung zwischen fünf und zehn Kilowatt sind am stärksten betroffen.
Die Studie hat verschiedene Bauvorschriften identifiziert, die den Ausbau von Solaranlagen hemmen. Vielfach begründen Kommunen die lokalen Regeln damit, das bisherige, liebgewonnen Ortsbild erhalten zu wollen. Im Folgenden sollen nur drei Beispiele besprochen werden.
Beispiel 1: Solaranlagen sind pauschal verboten
Wenige Kommunen haben für bestimmte Ortsteile den Ausbau von Solaranlagen grundsätzlich verboten. Das ist ein viel zu hartes Instrument. Denn der technische Fortschritt hat viele klassische Einwände gegen Solaranlagen, wie ästhetische Überlegungen, mittlerweile obsolet gemacht.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die kommunalen Bauvorschriften für die ersten Generation von Solaranlagen gemacht und seitdem nicht mehr evaluiert wurden. Das muss sich ändern, damit die Energiewende gelingt.
Beispiel 2: Solaranlage dürfen nicht zu sehen sein
Einige Kommunen haben festgelegt, dass Solaranlagen von der Straße aus nicht zu sehen sein dürfen.
Das ist grundsätzlich ein Ärgernis. Denn diese Vorschriften zwingen Hauseigentümer dazu, ihre Solaranlagen auf Dächern im Hinterhof zu installieren. Dadurch gehen wichtige Potenzialflächen verloren. Für uns ist klar: Hauseigentümer sollen ihre Solaranlagen dort aufbauen dürfen, wo die meiste Sonne scheint.
Aus der Vorschrift spricht zudem eine veraltete ästhetische Vorstellung. Denn die Leute stören sich heutzutage nicht mehr an Solaranlagen, wie vielleicht noch vor zehn Jahren. Viele Solarpaneele sind mittlerweile in verschiedenen Farben verfügbar, sodass sie sich organisch ihrem Umfeld anpassen können.
Das Verbot von Sichtbarkeit hat weiterhin schwerwiegende Folgen für den Ausbau insgesamt. Der funktioniert am besten in Nachbarschaften. Wenn ein Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer damit beginnt, werden die anderen Anwohnerinnen und Anwohner neugierig und folgen dem Beispiel (Peer-Effekt). Sind die Paneele aber wegen kommunaler Vorschriften unsichtbar, verliert der Nachbarschaftseffekt seine Kraft. Der Ausbau stockt insgesamt.
Beispiel 3: Solaranlagen müssen extra genehmigt werden
Manche Städte und Gemeinden haben für Solaranlagen zusätzliche Genehmigungsschleifen eingeführt. Bevor sie ihre Solaranlage installieren dürfen, müssen Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer dann einen separaten Antrag bei der Stadt stellen, ein gesondertes Zulassungsverfahren durchlaufen und unterwegs noch die Baupläne einreichen.
Eigentlich sollen besondere Zulassungsverfahren der Abwehr von Gefahren dienen. Solche Vorgehen kennt man aus der Industrie und der Brandbekämpfung: Technik, die brennen kann, muss gesondert geprüft werden. Moderne Solaranlagen sind aber laut einhelliger Meinung von Fachleuten sicher.
Insofern scheint der ursprüngliche Sinn der Extra-Zulassung entfallen zu sein. Auf der anderen Seite sorgt der zusätzliche Aufwand bei den Hauseigentümern für weiteren Frust und schreckt sie ab.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Privathaushalte spielen bei der Energiewende eine wichtige Rolle. Wenn sich Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer für eine eigene Solaranlage entscheiden, stehen sie an der Spitze dieses Wandels.
- Von ihrem Engagement profitieren wir als Gesellschaft insgesamt. Denn durch jede Solaranlagen werden wir unabhängiger von Energieimporten. Deswegen sind Erneuerbare Energien unsere „Freiheitsenergien“.
- Wer eine Solaranlage auf seinem Dach installieren möchte, darf nicht vom Staat ausgebremst werden. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger, die vorangehen wollen, von unnötiger Bürokratie befreien. Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer sollen ihre Solaranlagen dort aufbauen dürfen, wo die meiste Sonne scheint.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- gemeinsam mit den Kommunen ein Bewusstsein für die Probleme zu entwickeln, die aus gesonderten Bauvorschriften gegen Solaranlagen entstehen. Dafür räumt das Land dem Ausbau der Erneuerbaren Energie ein überragendes öffentliches Interesse ein.
- die Belange des Denkmalschutzes mit dem Interesse eines zügigen Ausbaus von Solaranlagen zu verbinden. Die neuen „Entscheidungsleitlinien für Solaranlagen auf Denkmälern” vom Dezember 2022 müssen daher konsequent angewendet werden. Das Land wird die Leitlinien bis zum Dezember 2023 überprüfen und Möglichkeiten erarbeiten, um den Ausbau von Solaranlagen noch mehr zu stärken.
- die Kommunen zu unterstützen, ihre jeweiligen kommunalen Bauvorschriften zu evaluieren. Dabei geht es besonders um Bauleitplänen, Gestaltungssatzungen und städtebauliche Verträge.
- für lokale Bauämter und Denkmalschutzämter Schulungen anzubieten, um die kommunalen Akteure und Akteurinnen über den Stand der Technik zu informieren. Denn viele kommunalen Regeln sind nicht mit der Zeit gegangen.
- wissenschaftlich zu untersuchen, welchen Einfluss kommunale Förderprogramme auf den Ausbau von Solaranlagen haben.