Kommunikation und IT-Sicherheit im Falle eines Katastrophenfalles durch einheitliche Planbarkeit sicherstellen
I. Ausgangslage
Das Leben der modernen Gesellschaft ist von einer Infrastruktur abhängig, die vom Staat oder von privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Modernes Leben ist nicht möglich ohne Versorgung mit Elektrizität und Wasser, ohne Entsorgung von Müll und Abwasser, ohne Verkehrsmittel und -wege, die eine arbeitsteilige Gesellschaft erst ermöglichen. Hinzu kommt die immense Bedeutung elektronischer Kommunikationssysteme sowie der digitalen Infrastruktur allgemein. Wegen der Abhängigkeit der Bevölkerung von solchen Netzen oder Systemen wird diese Infrastruktur als „kritisch“ bezeichnet. Es gilt daher, alles zu tun, diese Struktur bestmöglich zu schützen. Dazu gehört es, bei Ausfällen handlungsfähig zu sein bzw. zu bleiben und Strukturen unverzüglich wiederherzustellen.
Größte Gefahren für unsere gesamte Kritische Infrastruktur (KRITIS) gehen von einem langhaltenden Ausfall der Energieversorgung, von einem, auch damit einhergehenden, Ausfall der Kommunikationsinfrastruktur sowie von Cyberangriffen aus. Einig sind sich Experten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz darin, dass ein flächendeckender Stromausfall gravierende Folgen hätte, die einer nationalen Katastrophe gleichkämen. Unsere Gesellschaft ist heute in nahezu allen Bereichen von einer sicheren und zuverlässigen Stromversorgung abhängig. Aufgrund des komplexen Gesamtsystems, aber auch aufgrund der aktuellen Krisen kann es trotz erhöhter Sicherheitsanforderungen zu Ausfällen der Stromversorgung.
Die Bevölkerung würde erheblich leiden. Die Heizung bleibt kalt, Babynahrung ebenfalls. Ampeln funktionieren nicht mehr. Stadtbahnen und Züge bleiben auf freier Strecke stehen. Familie, Freunde, Bekannte anrufen, sich erkundigen, sich abholen lassen, das wäre alles nicht mehr möglich, wenn Telefon und Internet ausfallen. Pumpen jener Wasserversorgungsunternehmen, die nicht per Notstrom versorgt werden, fallen aus. Der Wasserdruck sinkt, besonders bei langen Leitungen im ländlichen Raum ist die Versorgung gefährdet. Selbst wenn noch eine Zeit lang versorgt werden kann: Stehendes Trinkwasser verliert an Qualität, Speicheranlagen können nicht mehr aufgefüllt werden. Die Wasserversorgung basiert überwiegend auf digitalen Systemen und fußt daher auch auf dem Internet: Informationsstände und Daten werden digital ausgetauscht, um die Qualität des Wassers zu kontrollieren. Ist dies nicht mehr möglich, fällt das System aus.
Gravierend ist der mit einem Blackout oder einem Cyberangriff verbundene Ausfall von digitalen Systemen sowie der Kommunikation. Cyberangriffe kommen mittlerweile täglich in Nordrhein-Westfalen vor. Dies betrifft die Gesellschaft als Ganzes. Die Herstellung eines absoluten Schutzes ist nicht möglich. Im Krisenfall kommt es daher darauf an, die IT-Infrastruktur unverzüglich wiederherzustellen sowie eine funktionierende Kommunikation zu gewährleisten. Im Krisenfall darf es nicht Tage oder Wochen bis zur Herstellung der Systeme dauern.
Erstversorgung und Kommunikation sicherstellen durch den einheitlichen Aufbau von „Leuchttürmen“
Die Bürgerinnen und Bürger müssen im Katastrophenfall einen Anlaufpunkt haben und wissen, wo sie schnelle Hilfe erhalten können. Dazu eignet sich die einheitliche Implementierung sogenannter „Leuchttürme“.
Vergleichbar mit Leuchttürmen am Meer würden mit Notstrom versorgte Gebäude im Falle eines Blackouts oder bei sonstigen Katastrophen schnell als Orientierungspunkte für Hilfesuchende fungieren. Es entstünde ein einheitliches flächendeckendes System von zentralen Anlaufstellen für die Bevölkerung. Die „Leuchttürme“ müssen u. a. gestützt sein von einem autarken Kommunikationssystem. Dort wird die benachbarte Bevölkerung informiert und mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt. Die Leuchttürme sichern die Kommunikationsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger und dienen als Anlaufpunkt für die Koordinierung der Arbeit der Einsatzkräfte, Behörden und des medizinischen Rettungspersonals.
Diese Leuchttürme sind in Nordrhein-Westfalen bereits punktuell vorhanden. So gibt es mittlerweile Anlaufstellen mit „Wärmeorten“, mit der Möglichkeit, das Telefonnetz zu erreichen oder mit einer Versorgungsmöglichkeit mit Frischwasser. In vielen Kreisen und Kommunen gibt noch keine Konzepte oder Anlaufstellen. Einheitliche Standards sind nicht vorzufinden. Denn das Innenministerium forderte im Sommer alle kreisfreien Städte und Kreise per Erlass auf, auf einen Stromausfall von mindestens 72 Stunden vorbereitet zu sein. Die Implementierung wird jedoch in Eigenregie vollzogen. Es genügt aber nicht, die Anweisung zu erteilen, in Eigenregie Pläne auszuarbeiten. Der Landesverwaltung sind nach dem BHKG zentrale Aufgaben zugewiesen. Hierzu zählen insbesondere die sonstigen zentralen Planungsmaßnahmen für eine einheitliche Gefahrenabwehr. Denn die Etablierung verschiedener uneinheitlicher Konzepte fördern Ungleichheit, Unsicherheit sowie uneinheitliche Reaktionsmöglichkeiten und behindern die konsequente Gefahrenabwehr. Es besteht dadurch beispielsweise die Gefahr, dass Bürger Anlaufstellen oder Leuchttürme mit mehr Ausstattung und Leistung aufsuchen würden, um mobil kommunizieren zu können oder um eine bessere Betreuung erhalten zu können, wenn es zum Krisenfall kommt. Dies würde Chaos durch unnötige Mobilität fördern sowie die Krisenbewältigung durch mögliche Überlastung behindern. Daher müssen diese einheitliche Standards vorweisen. Die Bevölkerung muss beispielsweise die Möglichkeit haben, an diesen Anlaufstellen mobil zu kommunizieren, um auch Angehörige, Freunde und Bekannte schnell kontaktieren zu können. Fehlende Kommunikation sorgt für Unsicherheit und fördert die Entstehung von Panik, fördert mittelbar die Entstehung von Vermisstenanzeigen und belastet damit die Einsatzkräfte.
Die Kommunen selbst fühlen im Stich gelassen und sind nicht allesamt vorbereitet. Es hängt also vom Wohnort ab, wie gut die Bevölkerung vor solchen Katastrophen geschützt ist. Dem gilt es durch einheitliche Planung entgegenzuwirken.
Etablierung einheitlicher Risikokommunikation
Das Land muss die Risikokommunikation ausbauen und vereinheitlichen. Die Bevölkerung muss in der Lage sein, sich unkompliziert und schnell informieren zu können. Risiko- und Krisenkommunikation sind eng miteinander verknüpft – unterscheiden sich aber deutlich. Risikokommunikation erfolgt anlassunabhängig und weit im Vorfeld eines Ereignisses, indem Behörden, Organisationen oder auch Unternehmen über mögliche Risiken informieren und mit der Bevölkerung, insbesondere potentiell Betroffenen, darüber in Austausch treten. Risikokommunikation kann verschiedene Ziele verfolgen, beispielsweise die Förderung der Auseinandersetzung mit einem Thema, die Entwicklung von Vorsorgemaßnahmen gemeinsam mit der Bevölkerung oder die Förderung der Bereitschaft, Vorsorgemaßnahmen umzusetzen. Eine einheitliche , einfache und leicht zugängliche Kommunikationsstrategie existiert auf Landesebene aber nicht. Vielmehr wird unterschiedlich kommuniziert, je nach Kreis oder Kommune. Mal gibt es Flyer, mal gibt es Informationen über die Presse, mal gibt es einen Aushang im Rathaus. Daher muss eine einheitliche, barrierefreie, analoge sowie digitale Möglichkeit der Informationsgewinnung und des Austausches für die Bevölkerung geschaffen werden. Dies erhöht die Resilienz der Bevölkerung, schafft Planbarkeit und Sicherheit und entlastet auch mittelbar die kommunale Ebene.
Schnelle Wiederherstellung der Systeme
Um bei Schadenslagen, deren Größe und potenzielle Auswirkungen die Kapazitäten der Behörden übersteigen, trotzdem schnelle Hilfe zur Wiederherstellung der kritischen Dienstleistungen bereitstellen zu können, müssen sich auch zivile Helfer organisieren und ihre Kräfte bündeln, analog zu den bereits existierenden Hilfsorganisationen auf anderen Gebieten. Denn Schnelligkeit, Knowhow sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen sind bei einem Ausfall von IT oder auf der Energieversorgung, welche digitalisiert betrieben wird, von größter Wichtigkeit. Daher muss ein Cyber-Hilfswerk (CHW) NRW gegründet werden. Genau wie beim Technischen Hilfswerk sollen die Helfer des CHW Ehrenamtliche sein und im IT-Notfall zum Beispiel bei Verwaltungen, Energieunternehmen, Wasserwerken oder Krankenhäusern helfen. Hauptaufgabe ist die Bündelung von Helfern und Spezialisten verschiedener Fachbereiche sowie die Bereitstellung von Verfahren und Rahmenbedingungen, um hauptamtliche Kräfte in Großschadenslagen zu unterstützen. Es soll sich also um eine Organisation aus Spezialisten handeln, die bei einer Großschadenslage die bestehenden, derzeit aber zu geringen Bewältigungskapazitäten, sinnvoll ergänzen und die Betriebsgrundlage für kritische Versorgungsdienstleistungen im KRITIS-Umfeld wieder herstellen. Als schnelle Einsatzgruppe soll das CHW in der Lage sein, kurzfristig auf Großschadenslagen zu reagieren und vor Ort an relevanten IT- und OT-Systemen Hilfe zu leisten.
Einheitliche Kooperation manifestieren
Mangelnde Kooperation und Kommunikation haben sich wiederholt als Schwachstelle in der deutschen Sicherheitsarchitektur herausgestellt. Zwingend notwendig ist daher der Aufbau eines zentralen Informations- und Datenmanagements „Bevölkerungsschutz“. Entsprechend der Zentralstellenfunktion des BKA müsste auch beim BBK ein vergleichbarer Informationsverbund eingerichtet werden. Das Erfordernis eines bundesweiten Lagebildes, das verlässlich alle bevölkerungsschutzrelevanten Informationen zusammenfasst, haben nicht zuletzt die Hochwasserereignisse in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Jahr 2021 vergegenwärtigt. Um jederzeit bundesweit über die aktuellen Schadenslagen und deren Bewältigung(-skapazitäten) sowie über potenzielle Risiken informiert zu sein, ist eine verlässliche, verbindliche und standardisierte Meldung an eine zentrale Stelle erforderlich. Damit lässt sich in Zukunft ein umfassendes bundesweites gesamtstaatliches Lagebild im Bevölkerungsschutz bereitstellen.
Single points of failure reduzieren
Die allermeisten Systeme sind direkt abhängig von Softwareanwendungen, einer internen Kommunikation in Echtzeit und einer zuverlässigen Versorgung mit Elektrizität. Kommt es zu Ausfällen oder Beeinträchtigungen dieser wesentlichen Komponenten, werden sie sich innerhalb kürzester Zeit auf andere Sektoren auswirken und zu Sekundärschäden führen. Die gesellschaftliche Vernetzung sowie auch die Vernetzung bei den Ereignisursachen (hybride Gefahrenlagen) haben auf Seiten der Sicherheitsarchitektur noch kein Äquivalent gefunden. Es ist höchste Zeit, dass eine zuverlässige Kommunikation flächendeckend mittels Etablierung redundanter Systeme aufgebaut wird. Daher sollten alle Behörden, Wasserwerke, Krankenhäuser, die Justiz sowie weitere für die KRITIS relevanten Stellen über Satelliteninternet verfügen, welches im Notfall eingesetzt und auch als Hotspot für die Bevölkerung dienen kann. Denn dies würde die Kommunikation der Behörden untereinander sowie den Betrieb der relevanten Systeme sicherstellen. Das Wissen um das Vorhandensein eines Ersatzsystems, welches auch sofort und unmittelbar funktionieren würde, schafft Resilienz. Die Bereitstellung von Notstromaggregaten muss bei der Implementierung erfolgen.
Daher sollte nicht nur Satelliteninternet geschaffen werden, sondern damit verbunden auch die Erreichbarkeit der Behörden und wichtiger Stellen durch die Zurverfügungstellung von „Internettelefonie“. Es muss dringend eine „digitale Erreichbarkeit“ etabliert werden. Wenn Telefonnetze nicht funktionieren, aber Internet durch Satelliteninternet sichergestellt ist, kann die Bevölkerung die Behörden auch über digitale Wege erreichen und auch untereinander kommunizieren.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Die Kommunikation sowie der Zugang zu Kommunikationssystem wie dem Mobilfunk, aber auch dem Internet, sind essenziell und haben Priorität bei einer Großschadenslage.
- Schnelligkeit und Effizient sind essenzielle Grundlagen für eine angemessene Reaktion im Rahmen eines Angriffes auf oder eines Ausfalles von KRITIS.
- Kreise und Kommunen müssen bestmöglich beim Katastrophenschutz seitens der Landesregierung unterstützt werden.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- ein Cyber- Hilfswerk (CHW) in NRW zu etablieren und mit den nötigen Strukturen zu versehen.
- durch die Erstellung eines Masterplanes dafür Sorge zu tragen, dass einheitliche Standards für die Ausarbeitung von Katastrophenschutzplänen gesetzt werden.
- dass in den Kreisen, in den Kommunen, in den Städten und Gemeinden Katastrophenschutzleuchttürme mit einheitlichen Mindeststandards etabliert werden.
- Es muss an allen Leuchttürmen Internet (Satelliteninternet) mit Hotspotfunktion vorhanden sein. o Es muss an allen Leuchttürmen die Möglichkeit bestehen, die Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehr, Krankenhäuser sowie die kommunalen Behörden zu erreichen.
- Es muss an allen Leuchttürmen die Möglichkeit bestehen, akkubetriebene Kommunikationsmittel laden zu können.
- Es muss an allen Leuchttürmen eine Versorgung mit Frischwasser gewährleitet sein.
- Es muss an allen die Möglichkeit bestehen, pflegebedürftige Menschen zu versorgen.
- in den Rathäusern, bei den Einsatzkräften der Polizei, Feuerwehr, bei der kommunalen Daseinsfürsorge sowie bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften Satelliteninternet für den Notfall zu installieren.
- in den Rathäusern, bei den Einsatzkräften der Polizei, Feuerwehr, der kommunalen Daseinsfürsorge, bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften ausreichend Notstromaggregate für den Notfall vorzuhalten.
- weitere KRITIS-Betreiber mit Landesmittel dabei zu unterstützen, Satelliteninternet sowie Notstrom für den Notfall bereitzuhalten.
- mit einer Bundesratsinitiative darauf hinzuwirken, den Aufbau eines zentralen Informations- und Datenmanagements „Bevölkerungsschutz“ entsprechend der Zentralstellenfunktion des BKA beim BBK zu forcieren.
- Risikokommunikation auszubauen und eine einheitliche sowie moderne Kommunikationsstrategie zu entwickeln.