Konjunkturelle Warnzeichen ernst nehmen und Wirtschaftswende einleiten – NRW-Landesregierung muss endlich Priorität auf Wirtschaftswachstum und Prosperität legen
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur wird im Verlauf des heutigen Montags, 2. Juni 2025, gemeinsam mit Prof. Dr. Torsten Schmidt, Leiter Konjunktur des RWI und Ralf Stoffels, Präsident der IHK NRW, im Rahmen eines Pressegesprächs über die aktuelle Lage der Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen informieren. Vor einigen Monaten bewertete die IHK NRW den Start ins neue Jahr für Unternehmen bereits als „denkbar schwierig“, man erwarte für das laufende Jahre „keine echte Erholung“. „Die NRW-Wirtschaft wartet auf einen Neustart in der Wirtschaftspolitik“, urteilte IHK-NRW-Präsident Stoffels.
Die ankündigte Pressekonferenz mit neuen Zahlen fällt in eine Zeit andauernder schlechter wirtschaftlicher Nachrichten. Erst am heutigen Tage wurde bekannt, dass Thyssenkrupp im Zuge der geplanten Konzernrestrukturierung vor allem auch plane, im großen Ausmaß Stellen abzubauen. Deutschlands größte Stahlfirma Thyssenkrupp Steel Europe will nach einem Medienbericht an dem Ende November angekündigten Abbau von 11.000 Stellen festhalten und strebt dazu einen Sozialplan an. Wie der Personalvorstand Dirk Schulte gegenüber der WAZ erklärte, sollten entsprechende Tarifverhandlungen mit der IG Metall in Kürze beginnen.
Im Lichte des Thyssenkrupp-Beispiels, welches pars pro toto für die großen Schwierigkeiten vieler anderer vor allem auch industriell geprägter Unternehmen in Nordrhein-Westfalen steht, erscheint es wahrscheinlich, dass auch die Ergebnisse des heute von Wirtschaftsministerin Neubaur vorgestellten Berichts nicht sonderlich positiv ausfallen dürften. Unlängst verdichteten sich nämlich weitere konjunkturelle Warnzeichen: Laut der jüngsten Umfragen des Eurobarometers beurteilen 67 Prozent der Deutschen die wirtschaftliche Lage als schlecht. An eine kurzfristige Verbesserung glauben nur wenige, 28 Prozent der Deutschen rechnen mit einer gleichbleibend angespannten Lage, 49 Prozent sogar mit einer weiteren Verschlechterung.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer erwartet ebenfalls keine schnelle Erholung der deutschen Konjunktur. Nach einer Umfrage unter 23.000 Unternehmen aus allen Branchen rechnet der Verband sogar mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Damit gäbe es erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik drei Rezessionsjahre in Folge.
Ebenso beunruhigend ist auch der ausbleibende, im Frühjahr sonst typische, Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt: „Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit ist in NRW im Mai hinter den Erwartungen zurückgeblieben“, berichtet Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der nordrhein-westfälischen Arbeitsagenturen. Diesen Mai lag die Arbeitslosenquote in NRW bei 7,8 Prozent – unverändert zum April, aber 0,4 Prozentpunkte höher als im Mai 2024. „Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wirkt sich damit weiter deutlich auf den Arbeitsmarkt aus.“
Zugleich müssen auch die konjunkturellen Risiken internationaler Entwicklungen ernst genommen werden. Die angekündigten allgemeinen Zölle der US-Regierung sind nun durch einen erfolgreichen Einspruch wieder auf dem Tisch. Zusätzlich wurden jüngst Strafzölle in Höhe von 50 Prozent auf Stahlimporte verkündet, die die ohnehin angeschlagene deutsche Stahlindustrie stark belasten dürften.
Die Gefahr eines eskalierenden Zollstreits mit den Vereinigten Staaten belastet Unternehmen nicht nur aufgrund kurzfristiger Unsicherheiten, sondern stellt auch langfristig eine ernsthafte Bedrohung für die regionale Wertschöpfung dar. Eine Studie von WIFO, WU und IfW Kiel warnt vor gravierenden Folgen – auch in NRW. Ein umfassender Handelskonflikt zwischen der EU und den Vereinigten Staaten würde nicht nur einen Rückgang des deutschen BIP von 0,2 Prozent bedeuten, sondern würde insbesondere auch wirtschaftlich starke Regionen in NRW hart treffen. Allein der Regierungsbezirk Köln müsste mit einem Verlust von über sechs Milliarden Euro bei der Produktion von Industriegütern und Rohstoffen rechnen.
In diesem Zusammenhang ist es daher auch wenig verwunderlich, dass am 2. Juni 2025 publik wurde, dass viele mittelständische Unternehmen sich aus dem Auslandsgeschäft zurückzögen: Ausweislich einer Analyse der staatlichen Förderbank KfW waren 2022 noch rund 880.000 der rund 3,8 Millionen Mittelständler im Ausland aktiv, ein Jahr später waren es hingegen nur noch 763.000. Der Anteil grenzüberschreitend tätiger Mittelständler sank demnach von rund 23 auf 20 Prozent und liege unter dem langjährigen Durchschnitt vor der Corona-Krise.
Diesen rundum besorgniserregenden Entwicklungen darf sich die Landesregierung nicht länger entziehen. Jetzt ist es an der Zeit, entschlossen zu handeln. Denn die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen leidet nicht nur unter einer anhaltenden konjunkturellen Schwächephase, sondern auch unter tiefgreifenden strukturellen Problemen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit grundlegend beeinträchtigen. Trotz der schlechten konjunkturellen Entwicklungen verschärft die Landesregierung die Lage der Wirtschaft durch weitere wachstumsschädliche wirtschaftspolitische Entscheidungen, so etwa die Einführung des Kies-Euro oder den Rohstoff-Degressionspfad und die Rückkehr des 5-Hektar Grundsatzes im Zuge der dritten Änderung des LEP.
Im Rahmen einer Aktuellen Stunde muss das Parlament daher die Ursachen und Konsequenzen der ernsten konjunkturellen Lage erörtern, die aktuellen Erkenntnisse aus dem NRW-Konjunkturbericht, der im Verlauf des heutigen Montags vorgestellt wird, näher beleuchten und über die Notwendigkeit einer Wirtschaftswende debattieren.