Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit der Sanierung der Staatskanzlei: Parlament erfährt aus Pressebericht vom Inhalt des Berichts der Innenrevision des BLB NRW – Die Landesregierung muss sofort Transparenz herstellen!
Am 14. Januar 2025 titelte die Rheinische Post: „Verdacht auf Korruption bei Sanierung der NRW-Staatskanzlei“. Das Landeskriminalamt (LKA) ermittle wegen mutmaßlicher Korruption mit einem Schaden in Millionenhöhe rund um die Sanierung der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei. Es bestehe der Verdacht der Bestechung und Bestechlichkeit, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen, der Untreue sowie des Betrugs. Unter den sieben Verdächtigten befinden sich vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW (BLB NRW). Noch am selben Tag veröffentlichte das LKA eine Pressemeldung, die diese Angaben bestätigte. Es bestehe unter anderem der Verdacht, dass die Beschuldigten gezielt Einfluss auf Auftragsvergaben im Bereich der Beleuchtung der Staatskanzlei genommen hätten, um anschließend gemeinsam mit ausgewählten Bieterfirmen eine Vielzahl von stark überhöhten Nachtragsrechnungen zu stellen, was wiederum eine Schädigung des BLB NRW in Millionenhöhe zur Folge habe. Laut Pressemeldung des LKA habe sowohl die Anzeige eines Zeugen als auch die Prüfungen der Innenrevision des BLB NRW den Stein ins Rollen gebracht. Am Morgen des 14. Januars 2025 fanden rund 40 Durchsuchungen in Düsseldorf, Mönchengladbach, Neuss, Erkrath, Wegberg und Münster statt.
Am Freitag, dem 17. Januar 2025, fand daraufhin eine Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses (HFA), des Hauptausschusses sowie des Unterausschusses Landesbetriebe und Sondervermögen zu den Korruptionsvorwürfen statt. Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk bezog sich in seinem Statement fast ausschließlich auf Tatsachen, die bereits aus der Presseberichterstattung bekannt waren. Lediglich auf Nachfrage der FDP- Fraktion verlas ein Vertreter des Justizministeriums den Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts. Dieser war zum damaligen Zeitpunkt auch dem Finanzminister noch nicht bekannt. Nur durch Nachfragen der Opposition konnte der Finanzminister die Sondersitzung mit deutlich mehr Kenntnissen zu den Skandalvorgängen im BLB verlassen, als er sie betreten hat.
Die FDP-Fraktion bat daraufhin um die Aufnahme der Tagesordnungspunkte „Korruptionsverdacht bei Baumaßnahmen des BLB NRW – Beantwortung offener Fragen und Erkenntnisse seit der Sondersitzung vom 17. Januar 2025“ sowie „Bericht der Innenrevision des BLB NRW zu den Betrugsvorwürfen bei Baumaßnahmen in der Staatskanzlei“ in die Tagesordnung der nächsten regulären Sitzung des HFA am 23. Januar 2025. Unter anderem bat die FDP-Fraktion um die Vorstellung der Inhalte des Berichts der Innenrevision des BLB NRW, den der Finanzminister in der Sondersitzung mehrfach erwähnt hatte, mit Erörterungsmöglichkeit des HFA und Vorlage des Dokuments sowie um die Beantwortung aller noch offenen Fragen der Sondersitzung und einer Darstellung aller für die Sachverhaltsaufklärung relevanten und neu aufgetretenen oder neu bewerteten Aspekte.
Am späten Nachmittag des 22. Januar 2025 erreichte die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses mit Vorlage 18/3510 ein schriftlicher Bericht der Landesregierung zum Korruptionsverdacht rund um die Sanierung der Staatskanzlei. Der Finanzminister legte einen Fünf-Punkte-Plan „Sofortmaßnahmen zur Aufklärung und Prävention im Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB NRW)“ vor, mit dem er umgehend umfassende Maßnahmen eingeleitet habe, um die Handlungsfähigkeit und Integrität des BLB NRW sicherzustellen. In der Sondersitzung vom 17. Januar 2025 war von einem solchen Plan noch nicht die Rede.
Der in der Sondersitzung mündlich vorgetragene Bericht des Leitenden Oberstaatsanwalts ist mit dieser Vorlage von der Landesregierung erstmals schriftlich zur Verfügung gestellt worden. Daraus geht hervor, dass sich ein Zeuge bereits am 26. September 2023 an den externen Antikorruptionsbeauftragten des BLB NRW wendete und am 16. Oktober 2023 Anzeige beim LKA erstattete. Am 9. Oktober 2023 beauftragte die Geschäftsführung des BLB NRW die Interne Revision mit einer streng vertraulichen Sonderprüfung. Am 23. Oktober 2023 wurde die Innenrevision des Ministeriums der Finanzen seitens der Internen Revision des BLB NRW und der Geschäftsbereichsleitung Governance und Recht über den Korruptionsverdacht und die ersten Prüfungsergebnisse informiert. Einen Tag darauf erstattete der BLB NRW ebenfalls Anzeige beim LKA. Der Staatssekretär im Finanzministerium wurde am 27. Oktober 2023 über den Sachverhalt informiert. Der Finanzminister wurde zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Kenntnis gesetzt, sondern erstmals rund 15 Monate später am 14. Januar 2025.
Den erbetenen Bericht der BLB-Innenrevision hat der Finanzminister trotz frühestmöglicher Anforderung durch die FDP-Landtagsfraktion in der Sitzung des HFA vom 23. Januar 2025 weder in Textform zur Verfügung gestellt noch wesentliche Inhalte daraus mündlich berichtet. Der Finanzminister hat die Ausschussmitglieder stattdessen gebeten, sich zeitlich noch etwas bis zu einer späteren Weitergabe zu gedulden.
Noch am selben Tag titelte der Kölner Stadt-Anzeiger „Auch Auftragsvergabe an das Architektenbüro soll manipuliert worden sein”. Die Zeitung berichtete von Inhalten des Berichts der Innenrevision des BLB NRW, der dieser offenbar vorliegt. Bereits im Jahr 2018 soll demnach im Zusammenhang mit dem Umbau der Staatskanzlei die Auftragsvergabe an ein Düsseldorfer Architekturbüro manipuliert worden sein. Diesem Architekturbüro sollen mehrere Aufträge im Zusammenhang mit der Staatskanzlei erteilt worden sein – ohne vorherige Ausschreibungsverfahren und ohne entsprechende Referenzen. Der Bericht der Innenrevision lege nahe, dass die Vergabe so manipuliert worden sei, dass nur das Düsseldorfer Architektenbüro den Zuschlag bekommen konnte. Als übrige Bieter seien nur solche Büros zugelassen worden, die von Anfang an keine Chance hatten, den Auftrag für ein solches Großprojekt zu erhalten. Dabei ging es laut Kölner Stadt-Anzeiger um weitere Dienstleistungen und Gewerke, nämlich unter anderem um die Verantwortung für die Instandhaltung, die Fassadendämmung sowie den Bereich „Nutzerwünsche“. Bislang war nur der Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit der Beleuchtung der Staatskanzlei bekannt. Im Bericht sei darüber hinaus die Rede von möglichen weiteren finanziellen Unregelmäßigkeiten und politischen Verantwortlichkeiten. Es sei unklar, inwiefern die Staatskanzlei selbst zum damaligen Zeitpunkt in die Entscheidungen der Auftragsvergabe eingebunden gewesen sei. Beim Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren im Bereich der Beleuchtung der Staatskanzlei werde aktuell nicht gegen Mitarbeiter der Staatskanzlei ermittelt. Auch explizite Fragen der FDP-Landtagsfraktion zum Komplex „Nutzerwünsche“ hat die Landesregierung bislang nicht klar beantwortet.
Am 26. Januar 2025 berichtete auch der WDR in der Sendung „Westpol“ über die neuen Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Korruptionsverdacht. Im Bericht ist die Rede von drohenden „weitreichenden Enthüllungen“, da es bereits im Frühjahr 2018 bei der Vergabe des Auftrags für die Sanierung der Staatskanzlei zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll. Den Zuschlag habe damals das Architektenbüro erhalten, was bei den aktuellen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Beleuchtung der Staatskanzlei im Zentrum stehe. Auch der WDR bezog sich also in dieser Sendung auf Informationen aus dem Bericht der Innenrevision des BLB NRW.
Einen Tag darauf, am 27. Januar 2025, wurde die dpa-Meldung „Weitere verdächtige Aufträge bei Staatskanzlei-Sanierung“ veröffentlicht. Dort heißt es: „Bislang drehen sich die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt vor allem um neue Leuchten, die in der Staatskanzlei verbaut worden sind. In dem internen Papier des BLB, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: Mitarbeiter hätten schon den Auftrag für die Gesamtplanung der Sanierung unter dubiosen Umständen an ein Architekturbüro vergeben.“ Auch der Presse- Agentur liegt der Bericht der Innenrevision also bereits vor. Ein „vergleichbares Vorgehen“ bei der Vergabe habe es laut dpa-Meldung bei mehreren anderen Teilprojekten gegeben. Einer der beschuldigten Mitarbeiter des BLB NRW soll im Zuge der mutmaßlichen Betrügereien laut Bericht der Innenrevision eine interne Software erheblich manipuliert haben, so die dpa.
Parlament und Öffentlichkeit haben von den Inhalten des Berichts der Innenrevision des BLB NRW erstmalig und bislang ausschließlich aus der Presse erfahren. Noch wenige Stunden vor Veröffentlichung des Presseberichts des Kölner Stadt-Anzeigers beteuerte der Finanzminister, dass die Inhalte des Berichts der Innenrevision des BLB NRW bzw. der Bericht selbst dem Ausschuss noch nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Mittlerweile berichteten bereits mehrere Medien von den Inhalten des Berichts und bestätigten zum Teil, dass ihnen der Bericht vorliegt. Aufgrund der Brisanz dieser neuen Informationen und der hohen Relevanz für die Öffentlichkeit muss sich der Landtag Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Aktuellen Stunde mit den neu gewonnenen Erkenntnissen sowie den zukünftigen Bemühungen der Landesregierung zur Schaffung uneingeschränkter Transparenz und zur umfassenden Aufklärung beschäftigen.