Lebenslanges Lernen wird auch für den öffentlichen Dienst immer wichtiger – Die Landesregierung muss zur Modernisierung von Verwaltung und Behörden und aufgrund des Fachkräftemangels eine groß angelegte Weiterbildungsoffensive starten

I. Ausgangslage

Der bereits erhebliche Mangel an Fachkräften in der öffentlichen Verwaltung wächst aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland Jahr für Jahr weiter an. Eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC Deutschland und der Strategieberatung Strategy& kommt zu dem Ergebnis, dass im öffentlichen Dienst deutschlandweit bis zum Jahr 2030 mindestens eine Million Fachkräfte fehlen, wenn keine effektiven Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Schlimmstenfalls wäre der Staat nicht mehr in der Lage, seine Kernaufgaben – darunter die Funktionsfähigkeit der Justiz, die innere und äußere Sicherheit und die Modernisierung des Bildungssystems – zu erfüllen, so lautet die Befürchtung.

Dieser Fachkräftemangel ist auch in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen seit einigen Jahren deutlich spürbar. Trotz der im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen verankerten „Modernisierungsoffensive“ für den Öffentlichen Dienst, die zur Attraktivierung und zur verbesserten Fachkräftegewinnung beitragen soll, sind zum Stichtag 1. Juli 2024 weiterhin mehr als 20.000 Planstellen für Beamte und Stellen für Arbeitnehmer unbesetzt (LT-DS 18/10553). Darüber hinaus wird eine bereits heute absehbare fünfstellige Zahl an Beschäftigten den öffentlichen Dienst in den kommenden Jahren verlassen und in den Ruhestand eintreten. Die Landesregierung ist augenscheinlich weiterhin nicht in der Lage, potenzielle Bewerberinnen und Bewerber mit entsprechenden Fähigkeiten für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst gewinnen zu können.

Im Haushaltsplanentwurf 2025 sind außerdem die Mittel für Aus- und Fortbildung sowie für Lehr- und Lernmittel im Vergleich zu Vorjahren abgesenkt worden (LT-DS 18/10300). Während im Haushalt 2023 noch 35,2 Millionen Euro für diese Zwecke eingeplant waren, sollen im Jahr 2025 lediglich 33,9 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Ein fatales Signal ist vor diesem Hintergrund ebenso die von der Landesregierung geplante Deckelung der Stellen für Rechtsreferendare. Die Ausbildungsplätze sollen von 2024 auf 2025 um 800 Stellen reduziert werden.

Dabei spielen gezielte Fort- und Weiterbildung sowie eine zeitgemäße Ausbildung tragende Rollen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Auch die Bundesregierung benennt diese Bereiche als zentrale Handlungsfelder der Fachkräftestrategie der Bundesregierung. Daran anknüpfend hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung gemeinsam mit 17 Partnern erst kürzlich die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ fortentwickelt, um deutschlandweit festgelegte quantitative und qualitative Ziele im Bereich der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens zu erreichen.

II. Handlungsnotwendigkeiten

Beschäftigte sehen sich aufgrund der Beschleunigung des digitalen Wandels gezwungen, sich konstant dynamisch weiterzuentwickeln. Die Fähigkeiten, die im Zeitalter von KI sowohl im Privatsektor als auch im Öffentlichen Dienst stärker nachgefragt werden, unterscheiden sich substanziell von den Fähigkeiten, die noch vor einigen Jahrzehnten einen hohen Stellenwert hatten. Die Arbeitswelt wandelt sich bekanntlich in einem rasanten Tempo und branchenübergreifend gewinnen die sogenannten „Future Skills“, wie beispielsweise technologische und digitale Schlüsselkompetenzen, zunehmend an Bedeutung.5 Fähigkeiten und Wissen, das im Rahmen der Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung erlernt wird, reichen häufig nicht aus, um über mehrere Jahrzehnte erfolgreich im Berufsleben zu bestehen und sich den zunehmen- den Veränderungen anzupassen. Hinzu kommt der Fach- und Arbeitskräftemangel, der es sowohl dem Privatsektor als auch dem Öffentlichen Dienst seit Jahren erschwert, den Bedarf an Arbeitskräften mit den entsprechenden Fähigkeiten und Qualifikationen zu decken.

Laut Nationaler Weiterbildungsstrategie der Bundesregierung kann dem gravierenden Fachkräftemangel nur dann konsequent entgegengewirkt werden, wenn Weiterbildung und Qualifizierung des bereits vorhandenen Personals stärker den Fokus gerückt werden. Das Konzept des lebenslangen Lernens ist in diesem Kontext von besonderer Wichtigkeit, um Weiterbildung und berufliche Neuorientierung auch im Erwachsenenalter zu fördern. Die Europäische Kommission definiert lebenslanges Lernen wie folgt:

„Lebenslanges Lernen umfasst alle Lernaktivitäten, die im Laufe des Lebens durchgeführt werden, um das Wissen, die Fähigkeiten und Kompetenzen im Hinblick auf persönliche, bürgerliche, soziale oder beschäftigungsbezogene Perspektiven zu verbessern. Die Absicht oder das Ziel zu lernen sind die Hauptkriterien, die diese Aktivitäten von nicht-lernenden Aktivitäten wie kulturellen oder sportlichen Aktivitäten unterscheiden.“

Die Landesregierung ist deshalb angehalten, die Fortbildung ihrer Beschäftigten stärker zu priorisieren. Weiterbildung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit fördert die Zugehörigkeit zum Arbeitgeber und wirkt sinnstiftend sowie motivierend für Beschäftigte und steigert die Flexibilität im Karrierekontext. Gerade der Öffentliche Dienst ist aktuell geprägt von starren Laufbahnregelungen und zu geringen Anreizen für persönliche Weiterbildung und Qualifikation.

Deshalb müssen CDU und Grüne zur Besetzung der dauerhaft mehr als 20.000 vakanten Stellen und zur Modernisierung des öffentlichen Dienstes auf die Entwicklung zusätzlicher Fähigkeiten im Bereich der Beschäftigten des Landes setzen und dafür eine umfangreiche Weiterbildungsoffensive starten. Zeitgleich muss eine Weiterbildungsstrategie entwickelt werden, um in Zeiten rasanter technologischer Entwicklung frühzeitig Bedarfe an bestimmten Fähigkeiten zu erkennen und darauf idealerweise zeitnah durch Weiterbildungsmaßnahmen innerhalb des bestehenden Pools an Beschäftigten reagieren zu können. Es muss ebenso ein stärkerer Fokus auf die Ausbildung im öffentlichen Dienst und die internationalere Ausrichtung der Landesbehörden gelegt werden – dies sollte sich auch im Landeshaushalt in der Planung für die kommenden Jahre niederschlagen.

Im Sinne des Leistungsprinzips muss es Beamtinnen und Beamten ebenso wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglich sein, durch eigene Leistung und durch die Aneignung neuer Fähigkeiten leichter aufzusteigen. Das aktuelle Laufbahnrecht ist in diesem Zusammenhang auf Erschwernisse zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

III. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • zur Modernisierung von Verwaltung und Behörden und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels eine umfangreiche Weiterbildungsoffensive im Bereich des öffentlichen Dienstes zu starten.
  • eine Weiterbildungsstrategie zu entwickeln, um frühzeitig entstehende Bedarfe an neu benötigten Fähigkeiten zu identifizieren und diese idealerweise zeitnah durch Weiterbildungsmaßnahmen innerhalb des Bestands an Beschäftigten zu decken.
  • die Besetzung eines Teils der dauerhaft strukturell mehr als 20.000 vakanten Stellen in der Landesverwaltung durch die vermehrte Förderung von Aufstiegsqualifikation und den Abbau von Hemmnissen im aktuellen Laufbahnrecht sicherzustellen.
  • die im Haushalt enthaltenen Fortbildungsbudgets im laufenden Haushaltsjahr voll auszuschöpfen und im Rahmen des Beratungsverfahrens zum Haushaltsentwurfs 2025 für das kommende Jahr mindestens auf das Vorjahresniveau zu erhöhen.
  • die Stellen für Beamtenanwärter und -anwärterinnen sowie Auszubildende in den staat- lichen Kernbereichen zu erhöhen, anstatt abzusenken und so bereits vorab die durchschnittlichen Abbrecherquoten der vergangenen Jahre in die Bedarfskalkulation miteinzubeziehen.
  • die Landesverwaltung internationaler auszurichten, indem beispielsweise Englisch als zweite Behördensprache an den Stellen eingeführt wird, wo dies erforderlich ist, um für internationale Fachkräfte sowie Investoren attraktiver zu werden, oder auch um fremd- sprachige Anfragen angemessen bearbeiten zu können.