Lebensmittelanbau hochhinaus – Ausbau von Vertical Farming in NRW erleichtern

I. Ausgangslage

Die landwirtschaftliche Nutzfläche wird weltweit immer knapper, da der fortschreitende Klimawandel zu vermehrten Dürren und Überschwemmungen führt. Die nachhaltige Sicherung der Nahrungsmittelversorgung stellt heutzutage eine zunehmende Herausforderung dar. Besonders in dicht besiedelten Regionen mit begrenztem Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen wird das deutlich. Neben der Sicherung von landwirtschaftlicher Fläche kann auch das Vertical Farming zur Ernährungssicherung beitragen.

Vertical Farming bezeichnet die vertikale Anordnung von Pflanzen in mehreren Ebenen innerhalb eines geschlossenen oder teilweise geschlossenen Systems. Durch den Einsatz von künstlichem Licht, kontrollierten Klimabedingungen und automatisierten Bewässerungs- und Düngesystemen können Pflanzen unabhängig von Jahreszeiten, Wetter und Bodenqualität angebaut werden. Dieser Ansatz verringert den Energie- und Wasserbedarf und ermöglicht es, auf kleinstem Raum zu ernten. Es bietet die Möglichkeit, hochwertige Lebensmittel in einer kontrollierten Umgebung anzubauen.

Ein bedeutender Fortschritt in der Pflanzenzucht und -ernährung und damit der Wegbereiter für Vertical Farming war die Trennung des Pflanzenwachstums vom Boden. Bereits im 19. Jahrhundert gelang es dem Botaniker Wilhelm Knop Pflanzen in anorganischen Nährlösungen zu züchten. Bis heute gilt die Knopsche Nährlösung als flüssiges Kulturmedium, das sämtliche essentiellen Makronährstoffe enthält. Die Entwicklung der LED-Technologie verhalf Vertical Farming schließlich zum Durchbruch. Bisherige Lichtquellen konnten nur eingeschränkt eingesetzt werden, da beispielsweise nicht nah genug an die Pflanze platziert werden konnte oder nicht genug Licht an die vertikal ausgerichteten Pflanzen kam. Die verschiedenen Lichtspektren waren entscheidend für die Landwirtschaft in geschlossenen Räumen. Das ermöglicht den Anbau von Lebensmitteln auch an solchen Orten, wo die Bedingungen für Gewächshäuser nicht optimal sind, wenn es zum Beispiel zu kalt oder zu warm ist.

Hydroponik spielt eine entscheidende Rolle in der vertikalen Landwirtschaft. Hierbei werden Pflanzen in Nährlösungen kultiviert. Das Wachstum der Pflanzen wird automatisch überwacht und gesteuert. Dank der Nährlösung können Nutzpflanzen effizient und intensiv angebaut werden. Die Pflanzen sind optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgt, was zu schnellem Wachstum und höheren Erträgen pro Flächeneinheit führt.

Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT arbeitet an einem Forschungsprojekt, welches die Produktion von Lebensmitteln in einem urbanen Kreislauf forciert. SUSKULT ist ein System zur Produktion von Nahrungsmitteln, das auf der Hydroponik-Technologie basiert. Es ermöglicht die Kultivierung von Pflanzen ohne den Einsatz von Erde, stattdessen werden mineralische Nährstofflösungen verwendet. Dieses Indoor-Kultivierungssystem ist in der Lage, die Wasserversorgung und Nährstoffversorgung präzise zu steuern. Die Ressourcen, die SUSKULT für dieses Verfahren benötigt, werden aus einer Kläranlage gewonnen, wie zum Beispiel Kohlenstoffdioxid, Phosphor, Kalium und Stickstoff, Wärme und Wasser.

Im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft benötigen vertikale Farmen aufgrund ihrer effizienten Wassersysteme lediglich fünf bis zehn Prozent der sonst üblichen Fläche. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist aufgrund des geschlossenen Systems nicht notwendig. Durch den gezielten Einsatz von Nährstoffen in einem effiziente Kreislaufsystem werden Energieverbrauch, CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch signifikant gesenkt. Der vertikale Anbau ist vor allem für hochwertiges Gemüse sowie Heilpflanzen und -kräuter lukrativ, welche dicht angebaut werden können und einen hohen Preis pro Gewicht erzielen. Viele Anlagen fokussieren sich daher auf schnell wachsendes Blattgemüse wie Salat oder Basilikum, das mehrmals im Jahr gepflanzt und geerntet werden kann.

In Dänemark befindet sich beispielsweise Europas größte vertikale Farm, in der das Unternehmen Nordic Harvest Gemüse in 14 Etagen übereinander anbaut. Durch eine 24-stündige Beleuchtung mit LED-Lampen und eine Klimasteuerung wird das ganze Jahr über geerntet. Die Farm nutzt Windenergie als Stromquelle und die Abwärme der LED-Leuchten, um die optimale Temperatur und Luftfeuchte im Raum zu gewährleisten. Die Pflanzen wachsen auf Kunststoffplatten und werden über ein computergesteuertes Kreislaufsystem mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Mit dieser hocheffizienten Technik können auf 7.000 Quadratmetern rund 1.000 Tonnen Gemüse pro Jahr produziert werden, was nur einen Bruchteil der Fläche erfordert, die auf Feldern benötigt wird, um die gleiche Menge an Gemüse zu produzieren. In Dubai steht mit 23.000 Quadratmetern die weltweit größte Anlage. Darüber hinaus können solche Anlagen auf kleinem Raum, in einem Gebäude oder sogar in einer Wohnung errichtet werden.

Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass bis 2050 fast 9,7 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben werden, was fast zwei Milliarden mehr als heute bedeutet. Etwa sechs Milliarden davon werden in städtischen Ballungszentren leben. Die Herausforderung besteht darin, all diese Menschen mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Jedoch wird die nutzbare Fläche für die Landwirtschaft immer knapper. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels, wie zunehmende Wetterextreme wie Starkregen und Dürre, die zu geringeren Ernteerträgen führen. Daher können Technologien wie Vertical Farming als ergänzende Maßnahme zur Landwirtschaft sinnvoll sein, um die Ernährungssicherheit für die wachsende Bevölkerung zu gewährleisten. Vertical Farming soll die heimische Landwirtschaft nicht ersetzen. Es geht vielmehr darum, Hemmnisse für neue Technologien abzubauen.

Insbesondere in urbanen Ballungsräumen könnten solche Anlagen einen Beitrag leisten. Nord- rhein-Westfalen verfügt über eine hohe Bevölkerungsdichte. Gleichzeitig steht das Land vor großen Herausforderungen im Hinblick auf den Klimawandel, den Flächenverbrauch, und die Ernährungssicherheit. Vertical Farming kann einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Herausforderungen leisten, indem es die lokale Produktion von frischen und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln ermöglicht. Nordrhein-Westfalen muss daher diese Chance nutzen und sich als Vorreiter für Vertical Farming in Deutschland positionieren.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • Produktionsmethoden wie Vertical Farming im Rahmen von Modellprojekten zu fördern und wissenschaftlich zu begleiten.
  • ein Konzept zur Unterstützung von Pilotprojekten und Forschungsvorhaben im Bereich Vertical Farming zu erarbeiten und umzusetzen.
  • Investitionen für Investoren und Betreiber von Vertical Farming-Anlagen zu vereinfachen.
  • die Vernetzung und den Austausch von Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zum Thema Vertical Farming zu fördern.
  • die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für den Betrieb von Vertical Farming-Anlagen zu prüfen und zu verbessern, insbesondere hinsichtlich:

    o der Anpassung der Bauordnung, des Bauplanungsrechts und des Baunebenrechts an die spezifischen Anforderungen von Vertical Farming-Anlagen,

    o der Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Vertical Farming-Anlagen.