Lebensmittelversorgung sichern – Wissenschaftliche Erkenntnisse im Pflanzenschutz anerkennen

I. Ausgangslage

Pflanzenschutz ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Landwirtschaft –unabhängig davon, ob es sich um eine ökologische oder konventionelle Produktion handelt.

Die Europäische Kommission plant ein Totalverbot von chemischen Pflanzenschutzmitteln in sogenannten empfindlichen Gebieten. Zu den empfindlichen Gebieten zählen alle Schutzgebiete gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie, Wassergewinnungsgebiete, Naturschutzgebiete, Biotope, Nationalparke, Landschaftsschutzgebiete, FFH- und Vogelschutzgebiete. Das gilt sowohl für konventionelle als auch für biologische Pflanzenschutzmittel.

Etwa die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Nordrhein-Westfalen liegt in Natura-2000-Gebieten oder Landschaftsschutzgebieten. Laut dem Westfälischen Landwirtschaftsverband wären rund 50 Prozent des Ackerlandes und rund drei Viertel des Dauergrünlands in Nordrhein-Westfalen von den EU-Plänen betroffen. Der Westfälische Landwirtschaftsverband geht davon aus, dass unter Einbezug der verschiedenen Wasserschutzgebiete auf mehr als 90 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verboten sein würde.

Der Pflanzenschutz bleibt für Landwirtinnen und Landwirte auch in Zukunft unverzichtbar, um eine lokale und regionale Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten zu gewährleisten, insbesondere angesichts neuer invasiver Schädlinge. Der Schutz der Biodiversität ist dabei ein ebenso wichtiges Ziel wie eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion. Natürlich ist der sparsame Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und der Schutz der von hoher Priorität. Doch es ist wichtig, dass die Landwirtinnen und Landwirte in diesen Prozess eng eingebunden werden und nicht gegen sie gearbeitet wird. Aufgrund des technischen Fortschritts und der wirtschaftliche Notwendigkeit beschränken Landwirtinnen und Landwirte den Einsatz von Pflanzenschutzmittel bereits jetzt auf das notwendige Maß.

Eines der effektivsten Pflanzenschutzmittel stellt das Breitbandherbizid Glyphosat dar. Jährlich werden etwa 4000 Tonnen des Wirkstoffs in Deutschland eingesetzt. Das macht etwa zehn Prozent der Gesamtmenge an ausgebrachten Pflanzenschutzmitteln in Deutschland aus. Glyphosat ist ein Pflanzenschutzmittelwirkstoff, der Unkraut und Ungräser bekämpft. In Deutschland wird Glyphosat seit 1974 zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Der Wirkstoff wird vor oder nach dem Anbau von Feldfrüchten oder in Dauerkulturen zur Unkrautbekämpfung eingesetzt.

Die Anwendung von Glyphosat-haltigen Pflanzenschutzmitteln ist seit dem Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung stark eingeschränkt. Sie ist nur zulässig, wenn vorbeugende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar sind. Dazu gehören die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge, eines geeigneten Aussaatzeitpunktes, mechanische Maßnahmen im Bestand oder das Anlegen einer Pflugfurche. Die ausgebrachte Menge ist dabei auf das notwendige Maß zu beschränken. Die Anwendung in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten und Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten sowie eine Spätanwendung vor der Ernte ist nicht erlaubt. In Deutschland ist eine Anwendung von Glyphosat nur mit einem Sachkundenachweis zulässig.

Der Wirkstoff Glyphosat ermöglicht eine effizientere Unkrautbekämpfung. Dies führt zu höheren Erträgen und verbesserter Qualität der landwirtschaftlichen Produkte. Zudem verringert es den Bedarf an mechanischer Bodenbearbeitung, die zu Bodenerosion und Treibhausgasemissionen führt. Weiterhin kann es dazu beitragen, dass insgesamt weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden muss. Alternativen sind oft eine Kombination aus mehreren Pflanzenschutzmitteln, deren Zusammenspiel bisher wenig erprobt ist.

Die ETH Zürich hat untersucht, welche wirtschaftlichen Auswirkungen ein Verbot von Glyphosat für die landwirtschaftlichen Betriebe in Europa hat. Die Meta-Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Verluste je nach Kultur von unter 100 Euro bis 553 Euro je Hektar und Jahr liegen könnten.

Die Deutsche Bahn hat Glyphosat verwendet, um die Schienenwege frei von Unkraut zu halten. Im Jahr 2019 hatte das Unternehmen angekündigt, den Einsatz von Glyphosat auf ihren Gleisen einzustellen. Seit März dieses Jahres verzichtet die Deutsche Bahn nun auf das Unkrautbekämpfungsmittel. Nach nur sechs Monaten zeigt sich allerdings, dass eingesetzte Alternativen nicht so funktionieren wie erhofft. Lokführerinnen und Lockführer berichten von schlechter Sicht auf Signale und Fahrgäste haben Schwierigkeiten in Züge einzusteigen.

Aktuell ist der Wirkstoff Glyphosat in der EU für den Einsatz in Pflanzenschutzmitteln bis zum 15. Dezember 2023 zugelassen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Anfang Juli in ihrer Risikobewertung veröffentlicht, dass sie keine Einwände gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat hat. Die EU-Lebensmittelbehörde schreibt in ihrer Bewertung, dass Glyphosat kein Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt. Die EU-Kommission signalisierte bereits, dass sie den Einschätzungen der EFSA folgen möchte. Diesem Plan müssen allerdings noch die EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Im Koalitionsvertrag von SPD, GRÜNEN und FDP auf Bundesebene wurde vereinbart, Glyphosat nicht mehr für Deutschland zulassen zu wollen. Diese Entscheidung wurde damals auf einem heutiger Sicht veralteten Wissensstand getroffen. Aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der EFSA muss auch Deutschland seine Haltung dem Unkrautbekämpfungsmittel gegenüber neu überdenken. Ebenfalls im Koalitionsvertrag vereinbart war, dass die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln transparent nach wissenschaftlichen Kriterien zu erfolgen hat. Insbesondere in Zeiten, in denen die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln durch den Krieg in der Ukraine bereits eingeschränkt ist und die Preise für Lebensmittel steigen, könnte ein derart drastischer Eingriff die Situation noch weiter verschärfen. Daher muss darauf geachtet werden, dass in Deutschland und Nordrhein-Westfalen keine nationalstaatlichen Alleingänge beschreitet werden, die die Erzeugung von Lebensmitteln in hierzulande immer schwieriger gestalten.

Landwirte brauchen die Planungssicherheit, dass die Zulassung verlängert wird. Die Bauernfamilien in Nordrhein-Westfalen leisten einen enormen Beitrag für die Gesellschaft und insbesondere für den ländlichen Raum. Jedem Landwirt ist selbst daran gelegen, so wenig Pflanzenschutzmittel wie möglich auszubringen. Dies folgt aus ökologischen und ökonomischen Erwägungen. Die Landwirtschaft konnte in der Vergangenheit bereits den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit Hilfe von moderner Technik und zielgenauer Anwendung reduzieren. Einpauschales Pflanzenschutzmittelverbot würde weder der Landwirtschaft noch der Biodiversität
helfen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • alle Aktivitäten zu unterstützen, die zu einer praxistauglichen Überarbeitung der geplanten EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der aktuell vorliegenden Form führen.
  • sich dafür einzusetzen, dass auf Bundesebene eine realitätsnahe Strategie für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erarbeitet wird, die sowohl bei der Auswahl der betroffenen Gebiete als auch beim Mengeneinsatz die Landwirtschaft miteinbezieht.
  • sich auf Bundesebene für eine Verlängerung der EU-Zulassung von Glyphosat einzusetzen.
  • sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Pflanzenschutzanwendungsverordnung anzupassen und das unter § 9 der Verordnung festgeschriebene vollständige Anwendungsverbot von Glyphosat ab dem 1. Januar 2024 zu streichen.