Mängel in den Kernkraftblöcken Tihange 2 und Doel 3 – welche Maßnahmen hat das Land Nordrhein-Westfalen ergriffen und welche Strategie verfolgt es?

Das Land Nordrhein-Westfalen pflegt einen engen Austausch mit den Benelux-Staaten, zu welchen auch Belgien gehört. Neben dem bilateralen Austausch mit den Benelux-Ländern arbeitet Nordrhein-Westfalen seit 2008 auch mit der Benelux-Union zusammen.

In Belgien liegen die Blöcke Doel 3 und Tihange 2 der jeweiligen AKW. Doel 3 liegt in der Nähe von Antwerpen und Tihange 2 liegt an der Grenze zu Deutschland und den Niederlanden in kurzer Distanz zu den Städten Lüttich und Aachen.

Die beiden Kernkraftblöcke Tihange 2 und Doel 3 haben in den letzten Jahren die Politik und die Gerichte beschäftigt. In beiden Kraftwerken soll der Reaktordruckbehälter jeweils mit Tausenden Rissen durchzogen sein. Bekannt wurden die Risse im Jahr 2012 mittels einer standardmäßigen Ultraschalluntersuchung. Die Risse gelten als wasserstoffinduziert und sollen bereits seit der Produktion im Material vorhanden sein. Materialtests mit wasserstoffhaltigen Metallproben ergaben eine unerwartete Sprödigkeit des Materials unter Strahlenbelastung, woraufhin beide Reaktoren sofort abgeschaltet wurden. Die Aufsichtsbehörde wies den Betreiber an, den Ursprung der Risse und die Auswirkungen dieser auf die Integrität der Reaktordruckbehälter zu untersuchen. Erst wenn ein gefahrloser Betrieb zweifelsfrei nachgewiesen ist, sollen die Reaktoren wieder ans Netz dürfen. Die vom Betreiber vorgelegten internen und externen Gutachten überzeugten die Aufsichtsbehörde, die den Weiterbetrieb der Reaktoren gestattete. Kritisiert wird an dieser Entscheidung, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gebe, dass die Reaktordruckbehälter tatsächlich einem Störfall standhalten.

Der Betreiber der belgischen Kernkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 hatte schon im Jahr 2017 bekannt gegeben, dass er sich eine Laufzeitverlängerung gut vorstellen könne.  Am 26.01.2021 erklärte der Ministerpräsident Ostbelgiens (Deutschsprachige Gemeinschaft Belgien), Oliver Paasch:

„Die Regierung bekräftigt die Forderung des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft vom 7. November 2016 einer unverzüglichen Schließung von Tihange 2 und Doel 3, da die 100-prozentige Sicherheit der Reaktorbehälter sowie der Anlagen nicht gewährleistet ist. Zwar übt die Deutschsprachige Gemeinschaft in Sachen Atomenergie weiterhin keinerlei Zuständigkeiten und Weisungsbefugnisse aus. Doch plädieren wir in unseren regelmäßigen Kontakten mit der belgischen Föderalregierung insbesondere mit Blick auf ausstehende Entscheidungen über etwaige Verlängerungen von Reaktorlaufzeiten für die schnellstmögliche Schließung der Reaktoren.“

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. Wie sind die turnusmäßigen Sicherheitsüberprüfungen und allgemeinen Überprüfungen für Tihange 2 und Doel 3 von belgischer Seite aus in den letzten vier Jahren durchgeführt worden?
  2. Kann die Landesregierung über die Deutsch-Belgischen Nuklearkommission (DBNK) weitere Informationen und Erkenntnisse bezüglich der ersten Frage zur Verfügung stellen?
  3. Hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, ob es bei der Abschaltung der beiden Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 bleibt?
  4. Mit welcher strategischen Zielrichtung werden die Themen „Energiewende“ und „Ausstieg aus der Kernenergie“ im Rahmen der Benelux-Kooperation mit Nordrhein-Westfalen behandelt?
  5. Wie schätzt die Landesregierung die aktuelle Situation bezüglich der gegenständlichen Blöcke insbesondere mit Blick auf Störanfälligkeit und weiterer sicherheitsrelevanter Aspekte ein?

Dr. Werner Pfeil