Mehr Gründerinnen und Unternehmerinnen in Nordrhein-Westfalen: Gründungsklima für Frauen verbessern!
I. Ausgangslage
Die im Januar 2024 veröffentlichten Zahlen des Startup-Verbandes zeigen, dass die Anzahl der Neugründungen in Nordrhein-Westfalen deutlich zurückgegangen sind: Von 550 Neugründungen im Jahr 2021 gab es im Vergleich zum Jahr 2022 einen Rückgang um 19 Prozent auf insgesamt 446 Neugründungen. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt verliert Nordrhein- Westfalen deutlich mit einem Minus von sieben Prozent.
Deutschlandweit zeigt die Zahl der Gründungen von Frauen ein gleichermaßen ernüchterndes Bild: Die positive Entwicklung bei Gründerinnen aus den Jahren 2021 mit einem Anteil von 17,7 Prozent weiblicher Gründungen und 2022 mit einem Anteil von 20,3 Prozent, stagniert in 2023 und erhöht sich nur unerheblich auf 20,7 Prozent. Auch hier liegt Nordrhein-Westfalen mit einem Gründerinnenanteil von 16 Prozent unter dem generell niedrigen Bundesschnitt von 21 Prozent. Unter den zehn Nominierten für „MUT - DER GRÜNDUNGSPREIS NRW 2023“ gab es lediglich drei Startups, die allein von Frauen gegründet worden sind. Ebenso ist unter den drei Gewinnern der besten digitalen Startups im Rahmen des Landespreises „OUT OF THE BOX.NRW 2023“nur eines zu finden, das von einer Frau initiiert wurde.
Eine abnehmende Gründungsdynamik bei Frauen beeinflusst –im Negativen –auch die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen, insbesondere vor dem Hintergrund der akademischen Prägung des Startup-Ökosystems. Vor allem das deutlich jüngere Durchschnittsalter von 36,7 Jahren bei Startup-Gründerinnen im Vergleich zu den übrigen Erwerbstätigen in Deutschland insgesamt mit 43,3 Jahren bietet Innovationspotenzial, ebenso wie das Gewinnen von älteren und in ihren individuellen Berufsfeldern erfahrenen Gründerinnen. Gleiches gilt auch für den Anteil von Migrantinnen in der Gründerszene und bei Unternehmerinnen generell, der noch unterrepräsentiert ist.
Daneben hat sich auch gezeigt, dass Frauen einen besonderen Fokus auf Sinn und Zweck ihres Unternehmens legen. Themen wie soziale und gesellschaftliche Wirkungen beeinflussen die eigene Gründerinnentätigkeit. Deswegen ordnen sich lt. Female Founders Monitor 2022 61 Prozent der Gründerinnen dem Bereich Social-Entrepreneurship zu, ebenso wie beinahe 90 Prozent in der gesellschaftlichen Bedeutung ihres Unternehmens eine zentrale Rolle sehen. Eine Erweiterung dieses momentanen Schwerpunktes würde sich auch wirtschaftlich für Nordrhein-Westfalen bemerkbar machen.
Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass 2020/21 an allen Schulformen das Fach Wirtschaft eingeführt wurde. Neben klassischen Kenntnissen der Wirtschaft haben damit auch Themen wie „Gründung“ und „Entrepreneurship“ Eingang in die Lehrpläne gefunden. Dies kann soll nicht nur dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler ihre wirtschaftlichen Kenntnisse sowie ihre eigene Urteils- und Handlungskompetenz erweitern. Vielmehr soll das Schulfach Wirtschaft dazu führen, dass sich Rollenbilder sukzessive ändern. Dieser Wandel wird nicht unverzüglich eintreten, sondern einige Zeit in Anspruch nehmen.
Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat einen entscheidenden Einfluss auf Gründerinnen und Unternehmerinnen. Bessere Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Umfeld des Unternehmensstandorts z.B. in Form von mehr Betreuungsmöglichkeiten, mehr Netzwerken und mehr Unterstützung etwa von anderen Unternehmerinnen bilden wichtige Voraussetzung für Frauen, ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen und gleichzeitig Familie und Beruf so gut wie möglich vereinbaren zu können.
Um das volle Potenzial von Frauen in allen beruflichen Bereichen zu entfalten, ist es wichtig, Gründerinnen auch abseits der Startup- und Social-Entrepreneurship-Szene zu fördern und zu unterstützen. Gerade im Bereich des Handwerks liegt viel Potential, so dass es sich lohnt, Frauen noch stärker für bislang männerdominierte Berufe zu begeistern und ihnen auch dort Karrieremöglichkeiten zu eröffnen. Der im November 2021 vorgestellte Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Zukunft von Handwerk und Mittelstand in NRW“ empfiehlt eine gezielte Ansprache, um Unternehmensgründungen und Betriebsnachfolgen im Handwerk auch für Frauen zugänglich und attraktiv zu gestalten. Gerade junge Frauen können jenseits des Girls‘ Days durch z. B. gezielte Kampagnen oder die Darstellung individueller Karrieren als Vorbildcharakter in den Medien angesprochen werden. Sie gilt es, in Möglichkeiten zur Entwicklung eigener Karrierewege zu unterstützen. Solche Maßnahmen verhelfen letztendlich auch dazu, den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Die Ursachen für die schwächere Gründungstätigkeit von Frauen sind vielfältig. Ein Übermaß an Bürokratie, fehlendes Kapital und komplexe Steuerthemen nennen Frauen als größte Hürden in Bezug auf das Gründen. Auch fehlende Verbindungen zur etablierten Wirtschaft und zum Investmentbereich werden als Hemmnisse angeführt. Nordrhein-Westfalen muss Rahmenbedingungen schaffen, die diesen Hemmnissen entgegenwirken und damit ein freundlicheres Klima für Gründerinnen und Unternehmerinnen schaffen.
Da das Gründungsinteresse in Deutschland sich laut DIHK-Report Unternehmensgründung 2023 auf einem historischen Tiefststand befindet, ist jetzt die richtige Zeit angebrochen, die Innovationskraft von Gründerinnen und Unternehmerinnen zu stärken und zu nutzen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Es gilt, das unternehmerische und volkswirtschaftliche Potenzial von Frauen in Nordrhein-Westfalen zu nutzen.
- Die Zahl der Gründerinnen und Unternehmerinnen muss dazu branchenübergreifend ansteigen.
- Strukturelle Barrieren, denen Gründerinnen und Unternehmerinnen gegenüberstehen, müssen abgebaut werden.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- eine höhere Sensibilisierung für das Unternehmertum von Frauen branchenübergreifend zu fördern. Dies kann durch die Entwicklung positiver weiblicher Rollenvorbilder und gleichzeitigen Abbau von stereotypischen Bildern geschehen. So können sich z. B. Unternehmerinnen als Vorbilder in den Schulen vorstellen und über ihren Alltag berichten.
- mehr Öffentlichkeit für Veranstaltungen für Gründerinnen und Unternehmerinnen durch eine Öffentlichkeitskampagne, speziell im Social-Media-Bereich, zu schaffen.
- niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote zur Weiterbildung in finanziellen Fragen zu entwickeln, bei denen Themen wie Finanzierung, Alterssicherung, Verträge und Versicherungen behandelt werden können.
- wertvolle Vernetzungsplattformen zu schaffen, auf denen erfolgreiche Konzepte zur Nachahmung vorgestellt, Best-Practice-Beispiele gesammelt und wertvolle Kontakte geknüpft werden können, z. B. durch einen turnusmäßigen Gipfel für Unternehmerinnen.
- bestehende Förderprogramme für Gründerinnen und Unternehmerinnen zu evaluieren und entsprechend weiter auszubauen. Dabei soll der Fokus nicht nur auf innovative Gründungen liegen, sondern auch Alleinstehende, Alleinerziehende und Migrantinnen als Unternehmerinnen umfassen.