Mehr Lust auf Leistung in der Schule!

I. Ausgangslage

Für Freie Demokraten steht schon immer fest: Alle Schülerinnen und Schüler müssen die Möglichkeit haben, ihre Talente zu entdecken, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Schule muss der Ort sein, der auf ein eigenverantwortliches Leben in unserer Gesellschaft und der globalisierten Welt vorbereitet. Die Qualität der schulischen Bildung muss wettbewerbsfähig sein. Unsere Kinder und Jugendlichen haben ein Recht darauf, die beste Bildung zu erfahren, um den Anforderungen eines selbstbestimmten Lebens in der Gesellschaft gewachsen zu sein. Außerdem muss Schule bestmöglich auf das spätere Berufsleben vorbereiten, denn die heutigen Schülerinnen und Schüler sind auch die dringend benötigten Fachkräfte von morgen.

Der Zustand unseres Schulsystems verlangt demnach höchste Aufmerksamkeit, um ein Ort der Chancen für junge Menschen zu sein. Leider schneidet Deutschland bei internationalen Vergleichsstudien der Bildungsqualität unterdurchschnittlich ab –mit regelmäßig schlechter werdender Tendenz:

  • Jüngst belegen dies die Ergebnisse der PISA-Studie auch für die mathematischen Fähigkeiten. Innerhalb Deutschlands belegt Nordrhein-Westfalen in vielen Studien die hinteren Ränge.
     
  • In der Vergleichsstudie des „Instituts für die Deutsche Wirtschaft“, dem 20. INSM-Bildungsmonitor, rangiert Nordrhein-Westfalen im Ländervergleich nur auf Rang 13. Insbesondere haben sich die Ergebnisse zuletzt bei der Integration (-38,8 Punkte), Schulqualität (-28,2 Punkte) und Bekämpfung von Bildungsarmut (-17,5 Punkte) deutlich verschlechtert.
     
  • Auch in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger ist laut ifo-Bildungsbarometer die Qualität der schulischen Bildung in Deutschland gesunken.

Trotz der miserablen Bilanz scheinen Leistungskriterien im deutschen Bildungssystem immer unerwünschter zu werden: Die Vergabe von Schulnoten wird in Frage gestellt, Wettbewerbe wie die Bundesjugendspiele werden marginalisiert und Talente der Schülerinnen und Schüler oft nur in Hinblick auf akademische Disziplinen entdeckt und gefördert.

Das ist ein fataler Trend! Bildung sollte vielmehr wieder auch Lust auf Leistung entfachen. Sie wird dann selbstwirksam, wenn sie zugleich Neugier, Wissensdurst und Kreativität fördert. Schulen müssen vermitteln, dass es Freude macht, aus eigener Kraft und kompetent Ziele zu erreichen. Dazu gehört auch, den Talentbegriff nicht allein auf das Abschlussziel Abitur zu verengen, sondern handwerkliche, technische und künstlerische Talente gleichwertig zu betrachten und zu fördern.

Die Freien Demokraten bekennen sich zum Leistungsprinzip in der Schule und wollen eine anerkennende Lehr- und Lernkultur schaffen, die nach dem Besten in und für jede Schülerin und jeden Schüler strebt. Es sind die besonderen und vielfältigen Begabungen, die in guten Schulen bei den einzelnen Schülerinnen und Schülern entdeckt und gefördert werden. Selbsterfahrung führt zu Selbsterkenntnis, damit sie die Heranwachsenden einer standfesten Gesellschaft werden, die ausdauernd, verantwortungsvoll und kreativ auf die Herausforderungen
von morgen reagieren.

Das Leistungsprinzip sollte daher künftig wieder stärker zur Geltung kommen – insbesondere in den nachfolgenden Bereichen:

Leistungsbeurteilung

Leistungsanreize und Leistungsbeurteilungen sind eine wichtige Grundlage für die individuelle Förderung –sowohl von leistungsschwächeren als auch von leistungsstarken Schülerinnen und Schülern. Sie sind zwingend notwendig für die pädagogische Diagnostik.

Sie bieten darüber hinaus aber auch eine faire Anerkennung von Erfolgserlebnissen sowie die Möglichkeit zur reflektierten Selbsteinschätzung. Überdies gilt: Auch der Umgang mit nicht zu- friedenstellenden Ergebnissen muss erlernt werden. Scheitern gehört zu jedem Lernprozess dazu, ebenso wie eine begleitete und sachlich fundierte Fehler- und Feedbackkultur.

Dieses Prinzip findet weiterhin allgemeinen Widerhall: Laut ifo-Bildungsbarometer sprechen sich die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich gegen die Abschaffung von Schulnoten (73 Prozent) und für Klassenwiederholungen bei schlechten Leistungen (78 Prozent) aus. In der Bevölkerung gibt es darüber hinaus den Wunsch nach mehr Vergleichbarkeit von Abschlüssen bundesweit.

Qualität der Bildung

Die Vergleichbarkeit von Bewertungen und Abschlüssen ist ein wichtiges Instrument, um die Qualität zu kontrollieren und zu steuern. Darüber hinaus erleichtern einheitliche Standards Schulwechsel und Mobilität innerhalb des Schulsystems, zum Beispiel bei Umzügen oder Leistungssprüngen. Die Hürden und Unterschiede, die das föderale Bildungssystem bisweilen mit sich bringen, stoßen bei den Bürgerinnen und Bürgern auf wenig Verständnis.

Wir fordern daher einen Leistungskonsens der für Bildung zuständigen 16 Bundesländer mit einem Bekenntnis zu Noten als Diagnostik-, Evaluations- und Förderinstrument einer kindgerechten Pädagogik in Schulen und einem hohen deutschlandweiten Standard. Wir Freien Demokraten fordern bundesweite Qualitätsstandards in jeder Schule, die Kriterien transparent machen, klar operationalisierbar sind und verbindlich Orientierung geben.

Gleichzeitig brauchen wir endlich einen mutigen Schritt in Richtung mehr Schulfreiheit. Jede Schule braucht das Maß an Autonomie, mit dem sie strukturell mehr im Sinne ihrer Schülerschaft selbst entscheiden und den spezifischen Bedarf für ihren Standort gestalten kann. Dies gilt insbesondere für Flexibilität bei der Einstellung von unterstützendem Personal.

Das Chancenbudget des Startchancenprogramms des Bundes ist ein wichtiger Ansatz, um Schulen auch die finanzielle Autonomie zu ermöglichen. Über ein solches Budget zur eigenen Verwendung sollte jede Schule verfügen. Denn Studien zeigen: Selbstständige Schulen mit mehr pädagogischer sowie mehr Ressourcenautonomie sind erfolgreiche Schulen. Es braucht daher ein ausgewogenes Verhältnis von Standardisierung und Vergleichbarkeit auf der einen und Autonomie der einzelnen Schule auf der anderen Seite.

Leistungsprinzip im Unterricht

Das Leistungsprinzip in der Schule meint im klassischen Sinne Leistung als Erreichen von Lernzielen. Dieses Erreichen wird in der Schule vorrangig durch die Lehrkraft fremdbewertet. Es müssen aber auch das Leisten wollen und Innovation in der Lösungsfindung gefördert werden. Neugier, Wissensdurst und Kreativität müssen entfacht werden, damit Schülerinnen und Schüler eigenständig Leistung erbringen.

Lehrkräfte müssen in die Lage versetzt werden, solche Leistungen anzuerkennen. Neben neuen Prüfungsformaten, die diesen Kriterien besser gerecht werden können, sollen aber auch die klassischen Formen wie Tests, Klausuren und Klassenarbeiten zur Überprüfung, weiterhin Bestandteil des Unterrichts sein.

Leistungsprinzip im Schulsport

Als Freien Demokraten wollen wir den Leistungsgedanken im Sport stärken. Die Bundesjugendspiele beispielsweise bieten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu zeigen, dass sie auf Ziele hinarbeiten und über sich hinauswachsen können. Wettkämpfe dieser Art sind von zentraler Bedeutung, damit Kinder und Jugendliche erlernen, sich in langfristiger Fokussierung, ausdauerndem Üben und im Erreichen zielgenauer Standards zu erproben.

Sport ist für die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und das Ausbilden eines Wettkampfgeistes unverzichtbar. Der Schulsport trägt dazu bei, dass Kinder und Jugendliche fit und gesund aufwachsen und sich zu selbstbewussten und leistungsfähigen Persönlichkeiten entwickeln. Es ist unser Anliegen, den Wettkampfcharakter der Bundesjugendspiele in allen Altersgruppen wieder zu fördern, um den Spaß an Sport und Training zu wecken und zu einem selbstverständlichen Alltagsbestandteil zu machen.

Darüber hinaus ist das Erlernen von sportlich fairem Verhalten, von Teamgeist, Respekt und Anerkennung der Leistung anderer ein wichtiges Prinzip, welches auch für das soziale Miteinander förderlich und von hoher Bedeutung ist.

Leistungsprinzip in der Lehrerausbildung

Wir wollen, dass der Leistungsgedanke in Schule mit Freude und Überzeugung vermittelt wird. Voraussetzung dafür ist, dass Lehrkräfte sich in diesem Gedanken wiederfinden und selbst Leistungsanreize aufgezeigt bekommen. Ohne motivierte Lehrkräfte kann es auch keinen guten Unterricht geben.

Deutschland zahlt seinen Lehrkräften im internationalen Vergleich sehr hohe Gehälter. Lehrkräfte, die sich besonders engagieren, sich fortbilden oder neue Methoden ausprobieren, werden jedoch nicht besser entlohnt. Die Gehälter sind weder differenziert noch leistungsbezogen, Gehaltssteigerungen im Verlauf der Karriere sind bei deutschen Lehrkräften gering ausgeprägt. Eine stärker leistungsorientierte Entlohnung von Lehrkräften, zum Beispiel durch Leistungsprämien, könnte daher einen entscheidenden Beitrag zur Gewinnung und dem Verbleib engagierter Lehrkräfte beitragen.

Der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen ist maßgeblich von der Qualität der Lehrkräfte abhängig. Für bessere Qualität müssen wir daher die Leistungsträger unter den Lehrkräften honorieren und mehr Leistungsanreize setzen. Wir sind davon überzeugt: Um mehr Lehrkräfte für den Lehrerberuf zu gewinnen und gleichzeitig gute Unterrichtsqualität zu erzielen, müssen wir den Lehrerberuf für Leistungsträger attraktiver machen. Als Rollenvorbilder für Leistungsanforderungen an Schülerinnen und Schüler sehen wir in diesem Ansatz einen wichtigen Schlüssel, unser Schulsystem dauerhaft leistungsfähiger und gerechter zu machen.

Bereits beim Eintritt in das Lehramtsstudium soll klar sein, dass Leistung gefordert, aber auch lebenslang gefördert wird. Wir wollen daher eine Leistungsorientierung bei der Lehrkräfteausbildung nach finnischem Vorbild.

Das heißt, für Interessierte am Lehramtsstudium soll es künftig ein Bewerbungsverfahren mit Eignungsprüfung geben. Äquivalent soll diese Eignungsprüfung auch für Absolventen von nicht lehramtsbezogenen Studiengängen erfolgen, die in den Schuldienst einsteigen möchten. Diese Seiteneinsteiger können dann nachträglich bei Eignung die benötigten pädagogischen Qualifikationen erlangen. Für Lehramtsstudierende soll es ein engmaschiges Coaching und Mentorenprogramm geben, bei welchem die Berufspraxis im Vordergrund steht.

II. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die Herausforderungen im System Schule konzentriert anzugehen und sich dabei zum gegliederten Schulsystem zu bekennen.
  • die Vielfalt der Schulen in Nordrhein-Westfalen mit ihren Profilen und Stärken anzuerkennen.
  • eine hohe Durchlässigkeit innerhalb des gegliederten Schulsystems zu fördern, damit Schülerinnen und Schüler zu jeder Zeit die für sie beste Schulform wählen können.
  • Noten ab Klasse 3 verpflichtend zu machen. Das Land bekennt sich klar zu den Zifferzensuren.
  • sich für einen bundesweiten Leistungskonsens einzusetzen, der deutschlandweit das Bekenntnis zu Noten und gemeinsame hohe Standards sichert.
  • Schulwechsel bundesweit durch die Schaffung gemeinsamer Standards zu vereinfachen.
  • mittlere Schulabschlüsse zu stärken, um alle schulischen Leistungen und unterschiedlichen Talente der Schülerinnen und Schüler angemessen zu fördern und zu würdigen.
  • Leistungen der Schülerinnen und Schüler im Bereich der beruflichen Bildung stärker anzuerkennen.
  • weitere, innovative Prüfungsformate zu Tests, Klassenarbeiten und Klausuren zu etablieren, um auf vielfältige Art und Weise erbrachte Leistungen besser in der Notengebung berücksichtigen zu können.
  • Exzellenzangebote in der Schule durch Kooperationen zu verstärken: Vom Austausch beim außerschulischen Lernen zum Beispiel mit Hochschulen, aber auch anderen Lern- orten wie Museen, sollen Lehrende und Lernende gleichermaßen profitieren und neue Lern- und Leistungsanreize geschaffen werden.
  • flexiblere Formen der Binnendifferenzierung, jahrgangsübergreifende und -überschreitende individuelle Angebote für besonders leistungsstarke Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen, zum Beispiel durch die stärkere Bekanntmachung und Ausweitung des Schülerstudiums oder dem Überspringen von Jahrgangsstufen alleine oder in Gruppen.
  • die Schulfreiheit zu stärken, damit Schulen in eigener pädagogischer und finanzieller Verantwortung ihre Stärken für ihren spezifischen Standort ausspielen können.
  • die Profilbildung von Schulen noch stärker zu öffnen: Nach dem Vorbild der Eliteschulen des Sports sollen Konzepte zum Beispiel auch für künstlerische oder MINT-Talente er-arbeitet werden. Auch soll geprüft werden, ob noch weitere Eliteschulen des Sports in
  • NRW errichtet werden können.
  • die Leistungsorientierung im Sportunterricht stärker zu fördern. Dafür wollen wir unter anderem Wettkämpfe in den Bundesjugendspielen für die Klassenstufen 3 und 4 wiedereinführen. Das Wettkampfformat soll weiterhin gekennzeichnet sein durch einheitliche Wertungsstandards für das jeweilige Geschlecht/Alter, einer individuellen Bewertung der einzelnen Schülerinnen und Schüler und einer exakten Feststellung der erzielten Ergebnisse. Die Landesregierung soll sich in der Kultusministerkonferenz für entsprechende Änderungen stark machen und bis dahin alle Möglichkeiten ergreifen, um diese Maßnahme in Nordrhein-Westfalen zu verwirklichen.
  • mehr Ressourcen für den Sportunterricht zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören Investitionen in Sportanlagen und -geräte.
  • § 49 Absatz 3 Schulgesetz breiter anzuwenden. Er bietet die Möglichkeit, besondere schulische Leistungen außerhalb des Unterrichts, aber auch außerschulische Leistungen auf dem Zeugnis zu vermerken. Die Landesregierung soll diese Möglichkeiten bekannter machen und verstärkt zur Nutzung animieren. Die dort zu erwähnenden Leistungen sollten erweitert werden, etwa um die Nennung von Schülerjobs und Praktika, Nachhilfe und andere Unterstützung für Mitschülerinnen und Mitschüler und soziales Engagement.
  • die Werbung für Wettbewerbe in Schulen wie zum Beispiel „Jugend forscht“, „Jugend debattiert“ und „Jugend musiziert“ zu stärken und diese um weitere Wettbewerbe und Leistungsbereiche zu erweitern.
  • Die Förderung von Schülerfirmen auszubauen, um besondere Leistungen auch im wirtschaftlichen Bereich stärker wertzuschätzen. Die Landesregierung soll die Initiative „Start-up Teens“ nach bayrischem Vorbild in die Landesförderung aufnehmen.
  • Schülerstipendien und die Talentförderung nach Beispiel der Ruhrtalente auszubauen, um nicht-akademische Talente zu erweitern und zu stärken.
  • die Leistungen von Schülerinnen und Schülern in Schülerpraktika künftig zu bewerten. Dazu soll Betrieben ein Raster für die Leistungsbeurteilung zur Verfügung gestellt werden. Die endgültige Benotung erfolgt durch eine Lehrkraft im Rahmen eines Reflektionsgesprächs.
  • Elternhäuser stärker im Sinne einer anerkennenden Lehr- und Lernkultur einzubinden und deren Beteiligung einzufordern, denn Leistungsbereitschaft muss vorgelebt werden.
  • bei der Lehrkräfteausbildung den Leistungsgedanken nach finnischem Vorbild zu implementieren, indem künftig Bewerbungsverfahren mit Eignungstests für Bewerberinnen und Bewerber als Zugangsvoraussetzung zum Lehramtsstudium durchgeführt werden. Für die auszubildenden Lehrkräfte sollen begleitende, intensive Coachings und Mentorenprogramme eingeführt werden.
  • eine leistungsgerechte Entlohnung von Lehrkräften zu ermöglichen.