Mehr Wertschätzung für freiwilliges Engagement – Berufspolitisches Ehrenamt muss auch im öffentlichen Dienst eine höhere Anerkennung erfahren

I. Ausgangslage

Rund die Hälfte der über 18-Jährigen in Nordrhein-Westfalen engagieren sich laut einer repräsentativen Umfrage von Forsa (siehe Ehrenamtsatlas NRW 2024) freiwillig im Rahmen eines Ehrenamtes. Dieses unentgeltliche Engagement trägt maßgeblich zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft bei. Es ermöglicht vor allem individuelle Teilhabe und ist Ausdruck von Subsidiarität und Verantwortungsbewusstsein. Ehrenamtlich Tätige erbringen Leistungen für die Gesellschaft, welche in diesem Umfang nicht durch den Staat erbracht werden können oder sollten und ergänzen damit die öffentliche Daseinsfürsorge. Neben dem monetären Wert, welchen der Staat aufgrund der zahlreichen ehrenamtlich Engagierten einspart, kann der immaterielle Wert für das gesellschaftliche Miteinander nicht hoch genug geschätzt werden.

Der Beitrag von ehrenamtlichem Engagement für unsere Gesellschaft und die Stabilisierung der Demokratie hat eine große Wertschätzung verdient, erfährt diese aber heute leider nicht immer in adäquatem Umfang. Trotz zahlreicher Initiativen zur Stärkung des Ehrenamts und verbaler Bekenntnisse lassen sich in der Praxis weiterhin Defizite feststellen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit berufspolitischem Ehrenamt im öffentlichen Dienst. So gibt es beispielsweise weiterhin Nachholbedarf bei der Anerkennung von den im Rahmen eines Ehrenamts erworbenen Kompetenzen im beruflichen Werdegang sowie der Gewährung von Sonderurlaub für ehrenamtliches Engagement. Unstrittig ist aber, dass die Wahrnehmung von Führungsaufgaben in Berufsverbänden soziale Kompetenzen und wertvolle Kontakte sowie Kenntnisse, beispielsweise im Konfliktmanagement, vermittelt, die auch im beruflichen Kontext positive Wirkung entfalten.

II. Handlungsnotwendigkeiten

Ob ehrenamtlich tätigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst für ihr berufspolitisches Engagement Sonderurlaub gewährt wird, liegt derzeit im Ermessen des Arbeitgebers und Dienstherrn. Bei den Regelungen der §§ 26 bis 29 der Freistellungs- und Urlaubsverordnung NRW sowie des § 29 Abs. 4 TV-L handelt es sich um unverbindliche „Kann“-Vorschriften. Dadurch entstehen Ungleichbehandlungen und Ungerechtigkeiten zwischen Dienststellen, denn es gibt keine einheitlichen Regelungen für alle ehrenamtlichen Tätigkeiten. Darüber hinaus ist es abhängig von der Entscheidung des jeweiligen Dienstherrn, ob überhaupt Sonderurlaub gewährt wird, unabhängig von der jeweiligen ehrenamtlichen Tätigkeit.

Auch im Vergleich mit Arbeitnehmern aus dem Privatsektor sind Beschäftigte im öffentlichen Dienst in dieser Hinsicht bislang objektiv benachteiligt. Denn Arbeitnehmer haben laut Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG NRW) einen festen Anspruch darauf, sich für bis zu fünf Arbeitstage im Kalenderjahr zur beruflichen und politischen Weiterbildung freistellen zu lassen. Diese Regelungen zum sogenannten „Bildungsurlaub“ decken auch bürgerschaftliches Ehrenamt ab, sie finden für Beamte in Nordrhein-Westfalen jedoch keine Anwendung.

Im Rahmen von ehrenamtlichen Tätigkeiten lassen sich regelmäßig wertvolle Kompetenzen erwerben, welche auch für die berufliche Tätigkeit von großer Bedeutung sein können. Insbesondere Verantwortungsbewusstsein, Problemlösefähigkeiten und Führungskompetenz sind Softskills, die ebenso für die persönliche Entwicklung, als auch für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn essenziell wichtig sind. Nicht zuletzt werden durch ehrenamtliches Engagement Netzwerke aufgebaut, die sich im Laufe der beruflichen Karriere als nützlich und gewinnbringend erweisen können.

Derzeit werden diese wichtigen Kompetenzen nur unzureichend im Rahmen des beruflichen Werdegangs im öffentlichen Dienst, beispielsweise für Beförderungen, anerkannt. Dabei gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb Führungserfahrungen, welche im Rahmen einer relevanten ehrenamtlichen Tätigkeit erworben werden, weniger Kenntnisse, Kompetenzen oder Tugenden vermitteln und deshalb auch weniger Anerkennung im öffentlichen Dienst finden sollten als Erfahrungen aus anderen Kontexten.

Die Landespolitik hat in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich bekräftigt, welchen hohen Stellenwert die Förderung und Anerkennung des Ehrenamts für sie einnimmt. Weshalb ehrenamtlich Tätige im öffentlichen Dienst weiterhin in dieser Hinsicht benachteiligt werden, bleibt daher unklar. Diese bestehenden Ungerechtigkeiten müssen beseitigt werden, denn ehrenamtliches Engagement leistet einen unschätzbaren gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Beitrag und muss in angemessener Form eine größere Wertschätzung erfahren.

III. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • bestehende Erschwernisse für ehrenamtlich Tätige im öffentlichen Dienst abzubauen sowie den gesellschaftlichen Beitrag von berufspolitischem Ehrenamt anzuerkennen und entsprechend wertzuschätzen,
  • die in der Freistellungs- und Urlaubsverordnung NRW beinhalteten Regelungen zur Gewährung von Sonderurlaub dahingehend anzupassen, dass ein Rechtsanspruch auf Sonderurlaub für ehrenamtliches Engagement unabhängig von der Art des Ehrenamts in angemessenem Umfang und unabhängig vom jeweiligen Dienstherrn gewährt wird, sofern im konkreten Einzelfall keine dienstlichen Gründe dagegensprechen,
  • sich dafür einzusetzen, dass für Beamte wie Tarifbeschäftigte des Landes vergleichbare und faire Vorschriften zur Gewährung von Sonderurlaub für Zwecke der Ausübung von ehrenamtlichen Tätigkeiten gelten,
  • die im Zusammenhang mit der Ausübung einschlägiger und dauerhafter ehrenamtlicher Tätigkeiten erworbenen fachlichen und sozialen Kompetenzen im beruflichen Werdegang von Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch für Fragen ihres beruflichen Aufstiegs, bei den Zulassungsvoraussetzungen, den Stellenprofilen oder bei deren Einordnung in Erfahrungsstufen anzuerkennen.