Milliardenschwere Finanzierungslücke im Bundeshaushalt für Straße und Schiene – Nordrhein-Westfalen muss dringend handeln, um eine bedarfsgerechte Infrastruktur im Landesgebiet zu gewährleisten

I.          Ausgangslage 

Der mangelhafte Zustand der deutschen Infrastruktur ist bekannt, die Zahlen nicht neu: Beim Verkehrsträger Straße gelten nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums aus dem August 2025 insgesamt fast 25.000 Kilometer auf deutschen Bundesfernstraßen als schadhaft. Der Zustand der Schieneninfrastruktur ist nicht viel besser, im aktuellen Zustandsbericht der DB InfraGO konnte die Bahn beim Zustand der gesamtdeutschen Schieneninfrastruktur zwar erstmals eine leichte Verbesserung verzeichnen (3,03 auf 3,00), insgesamt bleibt der Zustand aber weiter kritisch. Insbesondere bei den Stellwerken gilt jedes Zweite als sanierungsbedürftig. Sanierungs-, Ausbau-, und Neubaubedarf der Verkehrsträger Straße und Schiene sind im gesamten Bundesgebiet hoch, die Auswirkungen spüren Bürgerinnen und Bürger wie Unternehmen tagtäglich. Laut Staubilanz des ADAC standen die Autofahrer auf deutschen Straßen 2024 insgesamt 448.000 Stunden lang im Stau, die Gesamt-Staulänge betrug 859.000 Kilometer. Die Bahn erreichte im Fernverkehr zuletzt laut eigenen Angaben nur noch eine Pünktlichkeitsquote von 66,7 Prozent. Diese Defizite schlagen sich auch auf die Wirtschaft durch: Bereits im Jahr 2022 berichteten in einer Studie des IW Köln 79 Prozent der deutschen Unternehmen von einer Beeinträchtigung ihrer Geschäftsabläufe durch Infrastrukturmängel.

Nordrhein-Westfalen ist als verkehrs- und wirtschaftsstarkes Bundesland in besonderem Maße davon betroffen, die Infrastrukturmängel sind hier noch deutlich gravierender als in anderen Bundesländern: Laut IHK-Brückenmonitor gelten 18,5 Prozent aller Bundes- und Landesbrücken in Nordrhein-Westfalen als sanierungsbedürftig, bei den Bundesautobahnbrücken in Nordrhein-Westfalen sind es über 30 Prozent, weit mehr als in allen anderen Bundesländern. Auch bei der Schiene erlangt Nordrhein-Westfalen im Landesvergleich des DB InfraGO Berichts einen unrühmlichen vorletzten Platz beim Infrastrukturzustand, knapp hinter Hamburg.

Vor diesem Hintergrund wurde am 18.09.2025 durch Berichterstattung der Medien bekannt, dass 74 Bedarfsplanprojekte im ganzen Bundesgebiet, für die bereits bestandskräftiges Baurecht vorliegt oder bis 2029 erwartet wird, auf Basis der aktuellen Finanzplanung keine Baufreigabe erhalten werden. Das ist die Folge einer Unterfinanzierung der Autobahn GmbH in Höhe von rund 15 Milliarden Euro. Kurz darauf wurde zudem bekannt, dass auch für Aus- und Neubauprojekte bei der Bahn bis 2029 insgesamt 2,5 Milliarden Euro fehlen sollen.

II.         Handlungsbedarf 

Betroffen von der Finanzierungslücke sind 29 Neu- und Ausbauvorhaben auf mehreren essenziellen Verkehrsachsen in Nordrhein-Westfalen, darunter die A 1, A 2, A 3, A 40, A 45 und A 59. Die bei der Bahn von der Finanzierungslücke betroffenen Aus- und Neubauvorhaben sind nach aktuellem Stand noch nicht näher bekannt, laut Bericht der Süddeutschen Zeitung könnte unter anderem eine geplante, neue Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim betroffen sein.

Das Ausbleiben dieser Vorhaben bedeutet einen eklatanten Rückschritt in den Bemühungen um einen bedarfsgerechten Ausbauzustand der nordrhein-westfälischen Verkehrsinfrastruktur. Neben vielen weiteren vermeidbaren Einschränkungen, Umwegen, Verspätungen, Sperrungen und Staus, hat diese Finanzierungslücke aufgrund der dringend benötigten Kapazitäten für zukünftiges Verkehrsaufkommen auch gravierende wirtschaftliche Folgen. Die Güterverkehrsprognose des Bundesministeriums für Verkehr rechnet bis 2050 mit einem Zuwachs der Güterverkehrsleistung um 54 Prozent auf der Straße und um 33 Prozent auf der Schiene. Wenn diese Güter nicht adäquat transportiert werden können, lässt sich auch das mit ihnen verbundene Wirtschaftswachstum nicht transportieren. Die Bundesrepublik und insbesondere Nordrhein-Westfalen würden weiter an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Betroffen ist neben den wachsenden Bedarfen der zivilen und wirtschaftlichen Verkehre außerdem die Fähigkeit der Bundesrepublik, ihren verteidigungspolitischen Verpflichtungen gegenüber der NATO im Rahmen des Operationsplans Deutschland nachzukommen. Der Operationsplan konzipiert die Details der Routenplanung für den Ernstfall, wenn über Straßen-, Schienen- und Wasserwege binnen kürzester Zeit erhebliche Mengen an Personal, Gerät und Nachschub sowohl in östliche als auch in westliche Richtung quer durch Deutschland verlegt werden müssen. Diese Fähigkeit könnte in Anbetracht der ausbleibenden Vorhaben empfindlich geschwächt werden.

Ein möglicher Ausgleich der Finanzierungslücke durch Mittel des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität scheint aufgrund der primären Widmung für den Erhalt bzw. die Sanierung der Infrastruktur keine denkbare Alternative auf Bundesebene gewesen zu sein. Insgesamt ist die Finanzierungslücke vor dem Hintergrund eines Rekordhaushaltes, nie dagewesener Schuldenaufnahme inklusive eines 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens explizit für Infrastrukturvorhaben und der gleichzeitigen Erfüllung teurer Wahlversprechen in der Sozialpolitik in keiner Weise vermittelbar und muss gegenüber dem Wähler wie blanker Hohn wirken.

Um die genannten Auswirkungen auf zivile, wirtschaftliche und militärische Verkehre sowie den zwangsläufigen Vertrauensverlust in die Politik abzumildern, besteht dringender Handlungsbedarf der Landesregierung. Neben einer nachdrücklichen Mitteilung bezüglich der Wichtigkeit der bedrohten Vorhaben in Richtung Berlin, sollte die Landesregierung in Kooperation mit dem Bund sowie in eigener Zuständigkeit proaktiv Lösungen vorantreiben. Denkbar wäre etwa eine (Ko-)Finanzierung besonders wichtiger Vorhaben aus Landesmitteln. Zudem müssen ebenfalls bundes- wie landesseitig Maßnahmen ergriffen werden, um zu verhindern, dass sich derartige Finanzierungsschwierigkeiten wiederholen, beispielsweise über die Schaffung von Planungsvorräten, die Finanzmittel auch überjährlich bereithalten können.

Klar ist aber auch, dass der immense Investitionsbedarf der Verkehrsinfrastruktur aufgrund der Versäumnisse in der Vergangenheit nur schwierig allein aus öffentlichen Geldern kurzfristig zu decken ist. Eine vielversprechende Lösung könnte daher die Hinzuziehung privater Gelder sein, beispielsweise über die Einrichtung eines Infrastrukturfonds, der mithilfe des Kapitals institutioneller und privater Anleger in rentable Infrastrukturvorhaben investieren kann. So könnte man nicht nur das dringend benötigte Kapital bereitstellen, sondern auch Effizienzsteigerungen bewirken. Konkret könnte über derartige Fondskonstruktionen direkt in staatliche Infrastrukturprojektgesellschaften investiert werden, die für Bau, Betrieb und Verwaltung öffentlicher Infrastruktur zuständig sind, also beispielsweise die Autobahn GmbH oder die DB InfraGO AG. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür müssten zeitnah auf Bundesebene geschaffen werden.

III.          Beschlussfassung 

Der Landtag stellt fest: 

  • Der Zustand der deutschen und insbesondere der nordrhein-westfälischen Straßen- und Schieneninfrastruktur ist in vielen Bereichen mangelhaft. Die nun bekanntgewordenen, ausbleibenden Aus- und Neubauvorhaben verschärfen diese Situation noch einmal erheblich und drohen, weitere Beeinträchtigungen und Schäden zu erzeugen.
  • Die für das Ausbleiben der Vorhaben genannte Finanzierungslücke ist vor dem Hintergrund der Rekord-Haushalte und Schuldenaufnahmen weder logisch erklärbar noch seriös vermittelbar und schwächt das Vertrauen in die Politik. 

Der Landtag beauftragt die Landesregierung, 

  • gegenüber der Bundesregierung mit Nachdruck zu verdeutlichen, dass die Finanzierung der Aus- und Neubauvorhaben in Nordrhein-Westfalen verkehrs-, wirtschafts- und verteidigungspolitisch von höchstem Landesinteresse sind und unbedingt verlässlich und überjährlich finanziert werden müssen,
  • auf Bundes- wie auf Landesebene für eine Abkehr vom Prinzip der Jährlichkeit bei der Infrastrukturfinanzierung zu sorgen und überjährliche Finanzplanung zu ermöglichen,
  • sich auf Bundes- wie auf Landesebene für die Einrichtung eines Planungsvorrates für Infrastrukturvorhaben einzusetzen,
  • sich gegenüber dem Bund für die Schaffung von Fondkonstruktionen, wie einem Infrastrukturfonds, einzusetzen, um Investitionen aus dem Kapital privater oder institutioneller Anleger in staatliche Infrastrukturprojektgesellschaften wie die Autobahn GmbH oder die DB InfraGO anzureizen.