Mündliche Anfrage im Geschäftsbereich Haushalt und Finanzen
Mündliche Anfrage 50 - Abgeordnete Dirk Wedel FDP, Ralf Witzel FDP: Neue Praxisprobleme beim Hebesatzsplitting – Wie geht der Finanzminister mit den zahlreichen noch bestehenden Unklarheiten bei der Umsetzung des neuen Grundsteuerrechts um?
Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen lehnen das Vorhaben von CDU und Grünen nach wie vor strikt ab, ein differenzierendes Hebesatzrecht bei der Grundsteuer einzuführen. Im Rahmen der Anhörung zu dem Gesetzentwurf „Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen“ (LT-DS 18/9242) der Fraktionen von CDU und Grünen haben die Kommunalen Spitzenverbände (KSV) erneut ihre massiven administrativen, inhaltlichen und rechtlichen Bedenken vorgetragen, nachdem sie ihre grundsätzliche Kritik an den schon früher bekannten Plänen bereits am 16. April 2024 im Rahmen der Anhörung zum Antrag mit Landtags-Drucksache 18/7760 der FDP-Landtagsfraktion, dessen Zielrichtung sie hingegen unterstützen, geäußert hatten (siehe Stellungnahmen 18/1369 und 18/1557).
Die KSV treffen in ihrer aktuellen Stellungnahme 18/1557 unter anderem die Aussage, dass mit dem gesplitteten Hebesatzrecht eine einheitliche, dauerhafte und verlässliche Antwort auf die Lastenverschiebung gerade nicht gegeben sei. Es handele sich bei der Lastenverschiebung zum Nachteil von Wohngrundstücken vielmehr um ein strukturelles Problem, welches ebenso strukturell und daher einheitlich ausgeglichen werden müsse.
Unverändert stehen die KSV auf dem Standpunkt, dass die rein administrative und technische Umsetzung bis Ende des Jahres 2024 für den Großteil der Kommunen schlichtweg nicht darstellbar sein wird. Auch die von Finanzminister Dr. Optendrenk angekündigte Unterstützung trage wenig zur Lösung des Problems bei. Nach aktuellem Kenntnisstand werde das angedachte Hebesatzsplitting nicht bis zum 1. Januar 2025 realisierbar sein.
Die Städte und Gemeinden weisen mit Nachdruck auf die Verlagerung der rechtlichen Risiken auf die kommunale Ebene hin, denn es obliegt den Kommunen, ihre jeweilige Hebesatzentscheidung hinreichend verfassungsrechtlich zu begründen. Sie sind es, die zukünftig die Grenzen des Verfassungsrechts in diesem Zusammenhang ausloten müssen.
Gerade bei gemischt genutzten Gebäuden besteht die Gefahr, dass Wohnraum mit einem deutlich höheren Hebesatz belegt wird als in reinen Wohngebäuden und im Ergebnis eine sachlich nicht gerechtfertigte Mehrbelastung entsteht. Auch ist das Spektrum der Kategorie der Nicht- Wohngrundstücke so heterogen und groß, dass unbegründete Mehrbelastungen aus dem Hebesatzsplitting entstehen.
Außerdem monieren die KSV, dass zahlreiche Unklarheiten in Bezug auf die Folgewirkungen für den kommunalen Finanzausgleich bestehen. Es sei demnach völlig unklar, inwiefern sich die geplante Hebesatzregelung auf künftige fiktive Grundsteuerkraftbemessungen auswirken würde, denn in jeder der 396 Städte und Gemeinden soll eine eigene Entscheidung über die jeweilige Ausgestaltung der Hebesätze bzw. des einheitlichen Hebesatzes getroffen werden. Das Gemeindefinanzierungsgesetz wird von dieser neuen gesetzlichen Regelung maßgeblich betroffen sein, soweit sie in der vorliegenden Form verabschiedet wird.
Für die KSV gibt es ebenfalls Klärungsbedarf, inwiefern die Kommunen zukünftig verpflichtet werden sollen, Rückstellungen für drohende Steuerrückzahlungen zu bilden. Es laufen bereits mehrere Klageverfahren gegen schon ergangene Grundlagenbescheide der Finanzverwaltung. Das Hebesatzsplitting bietet den Steuerpflichtigen nun zusätzliche Möglichkeiten für die Begründung ihrer Rechtsbehelfe, die sich dann gegen die Kommunen richten und für diese ein Widerspruchs- und Klagerisiko bedeuten, sobald die ersten Grundsteuerbescheide vor Ort ergangen sind.
In diesem Zusammenhang wird jetzt außerdem deutlich, dass sich bereits etliche Kommunen gegen die Nutzung eines gesplitteten Hebesatzrechts ausgesprochen haben. Sie wollen sich verständlicherweise nicht den konfliktären Verteilungskämpfen und Abwägungsproblemen aussetzen, bei denen ihnen der Unmut der vor Ort zusätzlich belasteten Steuerzahler entgegenschlägt.
Der Finanzminister hat bekanntlich am 20. Juni 2024 die jeweils aufkommensneutralen Grundsteuer-Hebesätze für alle 396 Kommunen Nordrhein-Westfalens auf der Website der Finanzverwaltung veröffentlicht. Je Kommune ist sowohl der einheitliche aufkommensneutrale Hebesatz für die Grundsteuer B als auch der jeweils aufkommensneutrale differenzierte Hebesatz für Wohngrundstücke und für Nicht-Wohngrundstücke veröffentlicht worden. Die Zahlen belegen, dass in 95 Prozent der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen eine Lastenverschiebung bei den Messbetragsvolumina zum Nachteil von Wohngrundstücken feststellbar ist.
Der von den Fraktionen von CDU und Grünen eingereichte Gesetzentwurf ist inhaltlich nahezu wörtlich vom Finanzminister als Formulierungshilfe geschrieben und auch von diesem verteidigt worden (siehe Vorlage 18/2770). Damit kann der Finanzminister sicherlich auch inhaltlich Stellung zu den Auswirkungen des Gesetzentwurfs in der Praxis beziehen.
Wie geht der Finanzminister mit den zahlreichen noch bestehenden Unklarheiten bei der Umsetzung des neuen Grundsteuerrechts um?
Mündliche Anfrage 51 - Abgeordneter Ralf Witzel FDP: Neuverschuldung im Landeshaushalt 2024 – Welche konkreten Auswirkungen, Pläne und Festlegungen existieren im Zusammenhang mit dem angekündigten Nachtragshaushalt für die Haushaltsbewirtschaftung im laufenden Jahr?
Am 3. Juni 2024 erreichte die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses eine Vorlage, welche die Ankündigung des Finanzministers enthielt, einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2024 vorlegen zu wollen. Dieser solle laut
Finanzministerium noch vor der Sommerpause im Kabinett beschlossen und anschließend dem Landtag zur Beratung vorgelegt werden. Als Grund nannte der Finanzminister die im Vergleich zur Oktober-Steuerschätzung 2023 um 1,2 Milliarden Euro geringer ausgefallene Steuerprognose für das Jahr 2024. Dieser Nachtragshaushaltsentwurf werde auch die historisch erstmalige Nutzung der sogenannten Konjunkturkomponente als Grund für die Neuverschuldung enthalten.
In der Vorlage 18/2650 legt der Finanzminister die Berechnung der Ex-ante- und der vorläufigen Ex-post-Konjunkturkomponente für das Jahr 2024 sowie der vorläufigen Ex-ante Konjunkturkomponente für das Jahr 2025 offen. Demnach könne der Nachtragshaushalt 2024 eine Neuverschuldung in Höhe von maximal 2.037,8 Mio. Euro enthalten. Nach aktuellem Stand wäre es möglich, im Jahr 2025 Schulden in Höhe von 1.343,8 Mio. Euro bei Beanspruchung der Konjunkturkomponente aufzunehmen.
Noch ist unbeantwortet, ob der Finanzminister mit dem angekündigten Nachtragshaushalt lediglich das durch die geringere Steuerschätzung entstandene „Haushaltsloch“ in Höhe von 1,2 Mrd. Euro mit neuen Schulden schließen möchte, oder ob er sogar den vollen, rein rechtlich möglichen Neuverschuldungsspielraum in Höhe von rund 2 Mrd. Euro ausschöpfen möchte, um zusätzliche Ausgaben gegenüber dem bisherigen Haushaltsplan zu finanzieren.
Gegenüber der Landespresse hat der Finanzminister in einem Hintergrundgespräch am 29. Mai 2024 zunächst den Eindruck erweckt, die im Nachtragshaushalt beabsichtigte Neuverschuldung diene allein der Kompensation der angenommenen Steuermindereinnahmen. In seinem Sprechzettel heißt es dazu wörtlich im dritten Absatz:
„Diese Auswirkungen der Steuerschätzung kompensiert Nordrhein-Westfalen durch die Inanspruchnahme der Konjunkturkomponente, die in der Schuldenbremse verankert ist. Sie wird über einen Nachtragshaushalt eingebracht.“
Auch wenn diese Tatsachenfeststellung in der Formulierung bereits bezeichnend ist für die Betrachtungen der Landesregierung zur Rolle des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber, basiert jedenfalls das inhaltliche Narrativ für die Neuverschuldung klar auf Steuermindereinnahmen gegenüber den ursprünglichen Erwartungen. Für ein vollständiges Lagebild ist es wichtig zu wissen, dass auch die Mai-Steuerschätzung von weiter steigenden Steuereinnahmen im Vergleich zu den Vorjahren ausgeht, wenn auch nicht mehr ganz so stark wie ursprünglich erhofft.
In der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 6. Juni 2024 äußerte sich der Finanzminister auf die Frage, ob der Nachtragshaushaltsentwurf zusätzliche und neue Ausgaben enthalten werde, wie folgt: „Jetzt ist für alle Ressorts klar – das haben wir im Aufstellungserlass auch deutlich gemacht –, dass all das, was ansonsten nur durch über- und außerplanmäßige Ausgaben mit Zustimmung bzw. Kenntnisnahme des HFA hätte gedeckt oder verändert werden können, in diesem parlamentarischen Verfahren „Nachtragshaushalt 2024“ bearbeitet werden muss. Ich kann Ihnen zu der abschließenden Höhe eines Haushaltsvolumens an dieser Stelle nichts sagen, weil wir zunächst die Anmeldungen der Ressorts abwarten, die Auswertung vornehmen und mit denen beraten müssen, welche Punkte es gibt. Ob die groß oder klein sind, kann ich Ihnen nicht sagen“ (Ausschussprotokoll 18/588).
In der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 6. Juni 2024 äußerte sich der Finanzminister auf die Frage, ob der Nachtragshaushaltsentwurf zusätzliche und neue Ausgaben enthalten werde. Demnach seien alle Ressorts aufgefordert worden, zwingende Abweichungen von dem im Dezember 2023 verabschiedeten Haushalt zu melden.
Diese Antwort der Landesregierung erstaunt, denn der Nachtragshaushalt könnte demnach auch neuen Ausgabewünschen und nicht nur der Kompensation von Steuermindereinnahmen dienen. Diesen Umstand gilt es zu klären. Außerdem ist unklar, wie sich der weitere Umgang mit den verschiedenen Sparerlassen der einzelnen Ministerien beim Vollzug des Landeshaushalts 2024 im Lichte des Nachtragshaushalts in der Praxis gestalten wird. Unterschiedliche Ressorts haben in den letzten Wochen Verfügungen zu Sparmaßnahmen getroffen, die eigentlich nicht mehr zwingend sein dürften, wenn die etwas geringeren Steuereinnahmen im Haushalt 2024 durch neue Schulden kompensiert werden.
Im Artikel „Massiver Spardruck im NRW-Innenministerium“ der Rheinischen Post vom 10. Mai 2024 heißt es, dass im Bereich des Innenministeriums 10 Prozent der Kosten eingespart werden sollten. Der Redaktion liege ein 14-seitiger Mittelzuweisungserlass vor. Ergänzend dazu berichtet die Rheinische Post erneut am 29. Juni 2024, im Artikel „Ministerien müssen Stellen unbesetzt lassen“, dass der Finanzminister selbst bereits im Mai eine Stellenbesetzungssperre und Kürzungen bei Baumaßnahmen angeordnet hat. Fraglich ist, ob diese auch im Falle eines beschlossenen Nachtragshaushalts fortgelten sollen.
Aber auch die Begründungsbasis selbst für den Nachtragshaushalt wirft zunehmend Fragen auf, da dieser einen erkennbaren Konjunktureinbruch voraussetzt. Soeben hat die Wirtschaftsministerin aber in ihrer Presseinformation „Konjunkturelle Erholung setzt sich fort“ vom 27. Juni 2024 gemeldet: „Die Konjunktur in Nordrhein-Westfalen erholt sich weiter. Für das Jahr 2024 rechnet das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung mit einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Damit entwickelt sich die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen wieder etwas besser als im Bund (+0,4 Prozent).“ Unklar ist, ob die Landesregierung selbst dann bei ihrem Nachtragshaushalt und ihrer Bereitschaft zur Neuverschuldung bleibt, wenn sich die konjunkturelle Entwicklung im Land deutlich positiver gestaltet als bislang erwartet.
Diese und weitere Fragen der FDP-Landtagsfraktion zum Nachtragshaushalt hat die Landesregierung bislang nicht beantwortet, da sie sich im Juni noch in internen Abstimmungsprozessen befinde. Im Rahmen der Plenardebatte zum Antrag mit Landtags-Drucksache 18/9474 der FDP-Landtagsfraktion vom 13. Juni 2024 kündigte der Finanzminister an: „Ich habe Ihnen gesagt, dass wir in der letzten Sitzung des Kabinetts vor der Sommerpause – das wird voraussichtlich der 2.Juli sein – den Nachtragshaushaltsentwurf verabschieden und ich Ihnen den danach zeitnah zuleite. Wir können gerne danach darüber sprechen, was darin enthalten ist. Dann können wir alle Ihre Fragen miteinander beraten.“ (Plenarprotokoll 18/68).
Die FDP-Landtagsfraktion setzt sich in dem zuvor erwähnten Antrag dafür ein, dass mögliche Mindereinnahmen durch eine strikte Haushaltskonsolidierung ausgeglichen bzw. gegenfinanziert werden. Der Antrag zeigt dazu Sparpotentiale auf, die eine Aufnahme neuer Schulden obsolet machen würden. Im Sinne der Generationengerechtigkeit ist es notwendig, zunächst selbst Finanzdisziplin zu üben, bevor kommenden Generationen von Steuerzahlern neue Schulden- und Zinslasten aufgebürdet werden.
Der Finanzminister sollte die Fragestunde des Landtags dazu nutzen, ausführlich über die aktuelle Haushaltslage und seine Maßnahmen im Umgang damit zu informieren, inklusiver der aktuell fraglichen Notwendigkeit und Komponenten eines schuldenfinanzierten Nachtragshaushalts. Welche konkreten Auswirkungen, Pläne und Festlegungen existieren im Zusammenhang mit dem angekündigten Nachtragshaushalt für die Haushaltsbewirtschaftung im laufenden Jahr?