Nachwuchsmangel: Nordrhein-Westfalen muss Musikschul-Lehrkräfte sichern!

I.  Ausgangslage

Musik verbindet Menschen. Sie unterscheidet nicht zwischen Alter, Herkunft oder Bildungsgrad, sondern ist eine wortlose Weltsprache, die von allen Menschen verstanden wird. Die Entwicklung von Kindern wird durch Musik auf verschiedenen Ebenen positiv unterstützt: Neben der Sprachentwicklung wird die Koordination gefördert, ebenso wie die Kreativität und die Konzentrationsfähigkeit.

Musikalische Bildung bespielt eben diese Ebenen und wird den Kindern und Jugendlichen professionell u. a. in der Bildungseinrichtung von Musikschulen nahegebracht. Musikschulen leisten damit einen fundamentalen Beitrag zur kulturellen Bildung und fördern individuelle musikalische Fähigkeiten. Daher gilt es, diesen Bereich der kulturellen Bildung als Zukunftsaufgabe und Bildungsziel für unsere vielfältige Gesellschaft abzusichern.

Aus diesem Grunde wurden in der Vergangenheit von Seiten des Landes verschiedene Maßnahmen geschaffen, um die musikalische Bildung dauerhaft zu stärken und damit auch die kulturelle Teilhabe. Im Rahmen des neu geschaffenen Kulturgesetzbuches wurden Musikschulen als wichtige Orte der kulturellen Bildung erstmalig gesetzlich verankert.

Insbesondere die Musikschuloffensive des Landes als erste umfassende Qualitäts- und Strukturoffensive zur Stärkung und Zukunftssicherung der musikalischen Bildung in Nordrhein-Westfalen hat sich bewährt. Der Schwerpunkt der Musikschuloffensive liegt darin, den Anteil an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen an Musikschulen zu erhöhen und den Musikschulen mehr Möglichkeiten zur qualitativen Weiterentwicklung zu geben. Die Themenbereiche dieser Landesinitiative umfassen die Zukunftsthemen Digitalisierung der Musikschulen, Inklusion und Diversität, Elementare Musikpädagogik und KiTa-Kooperationen, Kooperationsmanagement sowie Talentförderung und Personalentwicklung.

Besonders der Bereich der Personalentwicklung nimmt eine immer größere Bedeutung ein. Mittlerweile herrscht nicht nur in den allgemeinbildenden Schule ein zunehmender Mangel an Lehrkräften, auch die Musikschulen sind davon betroffen. Die besondere Herausforderung für Musikschulen ist dabei die Konkurrenzsituation zu den allgemeinbildenden Schulen in Bezug auf die Vergütung: Musikschul-Lehrkräfte werden in TVöD 9b eingruppiert, sofern sie denn über eine Festanstellung verfügen und nicht auf Honorarbasis tätig sind. Die Eingruppierung von z. B. Grundschul-Lehrkräften liegt dagegen in A12/A13. Diese unterschiedliche Vergütung spiegelt weder die fachliche Qualifikation von Musikschul-Lehrkräften wider, noch trägt sie zu einem positiven Image des Berufsbildes bei.

Hinzu kommt, dass Studierende in rein künstlerischen Studiengängen an den Musikhochschulen oftmals nicht die Möglichkeit haben, das Berufsfeld Musikschule kennenzulernen. Ebenso wenig werden musikpädagogische Inhalte in rein künstlerischen Studiengängen vermittelt, obwohl viele Absolventinnen und Absolventen nach ihrem Studium auch an Musikschulen tätig sind. Daneben setzt die Aufnahme eines rein künstlerischen Studiengangs an den Musikhochschulen auch Hürden im Sinne einer künstlerischen Eignungsprüfung, die potentiell künftige Musikschul-Lehrkräfte abschreckt oder einfach überfordert.

Auch aus diesen Gründen schließen immer weniger Studierende ein entsprechendes Studium ab, so dass es immer weniger qualifizierte Bewerbungen für Musikschulen gibt. Auch der demographische Wandel trägt dazu bei, dass freie Stellen zunehmend fachfremd besetzt werden müssen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Abwanderung in andere Berufsfelder von z. B. allgemeinbildenden Schulen.

Dieser Fachkräftemangel wirkt sich auf den Fachbereich der Elementaren Musikpädagogik (EMP) in doppelter Hinsicht aus: Es schließen nicht ausreichend Studierende diesen künstlerisch-pädagogischen Studiengang ab oder qualifizieren sich dafür weiter. Als Folge davon kann das Ziel der EMP, Menschen aller Altersgruppen einen vielfältigen Zugang zu Musik zu ermöglichen, nicht mehr adäquat verfolgt werden. Ein bedeutender Baustein der kulturellen Bildung droht damit wegzubrechen.

Wiederum als Folge davon wird es immer weniger Menschen mit musikalischen Interessen und Fertigkeiten geben. Langfristig betrachtet kann sich dies auch negativ auf die vielfältige Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalens auswirken.

In Anbetracht der Lage sollte auch spartenübergreifend nach Lösungen aus anderen Bereichen gesucht werden. So könnte z. B. der Trainerschein als Qualifikationsnachweis im Sport ein gutes Beispiel für eine Befähigung zum Quereinstieg als Musikschul-Lehrkraft sein. Ebenso gilt es, den Musikunterricht an allgemeinbildenden Schulen attraktiver zu gestalten, durch z. B. digitale Unterrichtsformate oder einer stärkeren popmusikalischen Orientierung des Unterrichts. Dadurch könnten Musikschul-Lehrkräfte Rollenvorbilder und Identifikationsfiguren werden und damit das Interesse an einem zukünftigen Berufsfeld wecken.

Auch musisch besonders begabte Kinder und Jugendliche sollten ein positives Bild des Berufs der Musikschul-Lehrkräfte entwickeln. Dazu kann der Schulversuch „NRW-Musikprofil-Schule“ genutzt werden. Dieser Schulversuch trägt dazu bei, dass Schülerinnen und Schülern innerhalb einer fundiert aufgestellten und vertieften Musikprofilierung ihre Begabungen und Talente entdecken können. Durch diese breite Basis können sie auf musikalisch ausgerichtete Studiengänge und Berufe vorbereitet und systematisch gefördert werden.

Daneben kann auch das Potenzial zugewanderter Musikkulturen genutzt werden, um den Mangel an Musikschul-Lehrkräften zu beheben. Wenn Musikhochschulen sich z. B. der außereuropäischen Musikpraxis öffnen, könnten mehr junge Menschen ohne westlichen musischen Hintergrund für ein solches Studium gewonnen werden.

Es gilt eine Öffentlichkeit für das Berufsbild von Musikschul-Lehrkräften zu schaffen, damit es an Attraktivität gewinnt. Gleichzeitig bedarf es einer ernsthaften Befassung mit dem Fachkräftemangel in diesem Bereich. Dafür müssen auch neue Wege beschritten werden. Nur so wird es gelingen, die musikalische Bildung als bedeutenden Beitrag zur kulturellen Bildung zukunftsträchtig zu sichern. 

II.  Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Die Musikschulen in Nordrhein-Westfalen mit ihren Lehrkräften leisten einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Bildung.
  • Das Fehlen eines qualifizierten Unterrichts an Musikschulen wirkt sich nicht nur auf die kulturelle Bildung aus, sondern hat auch Folgen für das kulturelle Leben in NordrheinWestfalen mit seiner großen Vielfalt an Chören und Orchestern.
  • Es braucht öffentliche Werbung sowohl für die Aufnahme eines musikpädagogischen Studiums als auch für das Berufsbild von Musikschul-Lehrkräften.  

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,  

  • eine auskömmliche Finanzierung der Musikschulen und der musikalischen Bildung über die bis zum 31.07.2024 laufende Musikschuloffensive abzusichern
  • dabei darauf zu achten, dass die landesunterstützten Musikschulprojekte auch auf die Kitas ausgedehnt werden. Dadurch kann die positive Unterstützung der Musik in der  kindlichen Entwicklung ebenso wie die musikalische Bildung frühzeitig wirken
  • sich der Ungleichheiten in Bezug auf die unterschiedliche Bezahlung von Musikschul-Lehrkräften zu widmen und ein entsprechendes Konzept für eine einheitliche Besoldung zu entwerfen
  • den Schulversuch „NRW-Musikprofil-Schule“ weiter zu bewerben und auszubauen. 
  • gemeinsam mit den Musikschulen eine Kampagne zur öffentlichen Werbung für das Berufsbild der Musikschul-Lehrkräfte zu erarbeiten und aufzulegen
  • Qualifizierungs-Lehrgänge für Musikschul-Lehrkräfte auszubauen und zu öffnen. Dazu sollen Best-Practice-Beispiele wie die einjährigen außerschulischen musikpädagogischen Qualifizierungs-Lehrgänge für Musikerinnen und Musiker verschiedener Kulturen der Landesmusikakademie NRW oder die „bdfm-Lehrbefähigung“ gesammelt und veröffentlicht werden
  • eine Kooperation zwischen Hochschulen und Musikschulen zu schaffen, damit die Vorbereitung auf die Eignungsprüfung an Musikhochschulen verbessert werden kann
  • in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Akteurinnen und Akteuren neue Möglichkeiten zum Quereinstieg von Musikschul-Lehrkräften schaffen. Dabei kann sich an bereits erprobten Verfahren wie z. B. dem Trainerschein im Sport orientiert werden
  • eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Musikschulen und auch allgemeinbildenden Schulen anzustreben, damit sich die Rahmenbedingungen der Arbeit von Musikschul-Lehrkräften langfristig verbessern.