Nebentätigkeiten von Beschäftigten der Staatskanzlei für die CDU in der Wahlkampfzeit. Kann die Staatskanzlei Tätigkeitsüberschneidungen im Hinblick auf die besondere Zurückhaltungspflicht der Landesregierung in Vorwahlzeiten rechtssicher ausschließen?

Wie der Kölner Stadtanzeiger am 3. Juni 2022 berichtete, hat eine Beschäftigte des Landespresseamtes der Staatskanzlei nebenberuflich in Form eines 450-Euro-Jobs in der CDU-Parteizentrale den Social-Media-Wahlkampf des Spitzenkandidaten Hendrik Wüst unterstützt. Das Presse- und Informationsamt betreibt und verwaltet für die Landesregierung die zentralen Social Media-Kanäle des Landes Nordrhein-Westfalen auf Facebook (land.nrw), Instagram (land.nrw) und Twitter (@landnrw).

Weit vor der Landtagswahl hatte das Ministerium des Inneren des Landes Nordrhein-Westfalen an seine langjährigen „Hinweise zur Aufgabenerfüllung im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen“ erinnert. Hierin wird auf das staatliche Neutralitätsgebot und die gebotene besondere Zurückhaltung in Vorwahlzeiten hingewiesen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zieht zudem bei der Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen eine eindeutige Grenze. Ihnen ist von Verfassungswegen versagt, sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen. Des Weiteren folge aus der Verpflichtung, sich jeder parteiergreifenden Einwirkung auf die Wahl zu enthalten, für die Vorwahlzeit das Gebot äußerster Zurückhaltung und das Verbot jeglicher mit Haushaltsmitteln betriebener Öffentlichkeitsarbeit in Form von sogenannten Arbeitsberichten, Leistungsberichten und Erfolgsberichten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Kann die Staatskanzlei rechtssicher ausschließen, dass Beschäftigte oder Beamte, die im Rahmen ihrer Tätigkeit Zugriff auf offizielle Social-Media-Kanäle des Landes NRW haben, in den letzten drei Monaten vor der Landtagswahl im Rahmen genehmigter Nebenbeschäftigungen bei einer Parteigliederung der CDU zugleich auch Zugriff auf Social-Media-Kanäle des CDU-Landesverbandes oder des CDU-Parteipolitikers Hendrik Wüst hatten?
  2. Gibt es weitere Fälle von Beamten oder Beschäftigten der Staatskanzlei, die in den Jahren 2021 oder 2022 einer vergüteten Nebenbeschäftigung bei der Parteigliederung der CDU nachgingen oder für eine Parteigliederung der CDU beurlaubt wurden? Falls ja, bitte anonymisiert nach Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen sowie Zeitpunkt der Genehmigung angeben.
  3. Wurden im Rahmen der Genehmigung von Nebenbeschäftigungen, Beurlaubungen bzw. vorübergehenden Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses von Beschäftigten der Staatskanzlei für Tätigkeiten bei einer Parteigliederung der CDU in irgendeiner Art Bedenken hinsichtlich etwaiger Interessenkonflikte zwischen der Tätigkeit von Beamten oder Beschäftigten der Staatskanzlei im öffentlichen Dienst und ihrer zu genehmigenden Tätigkeit für die Partei CDU vorgetragen?
  4. Welche Vorkehrungen hat die Staatskanzlei konkret getroffen, um in Fällen, in denen Beamte oder Beschäftigte im Rahmen einer genehmigten Nebenbeschäftigung oder aber während einer Beurlaubung bzw. vorübergehenden Unterbrechung ihres Arbeitsverhältnisses mit dem Land NRW im Vorfeld der Landtagswahl 2022 einer Tätigkeit für eine Untergliederung der CDU NRW nachgingen, für eine strikte Trennung zwischen der Tätigkeit im öffentlichen Dienst und der Tätigkeit für die Partei zu sorgen?
  5. Kam es nach Kenntnis der Staatskanzlei in solchen Konstellationen (s. Frage 4) zu Überschneidungen oder Grenzfällen, in denen dies nicht jederzeit vollumfänglich garantiert werden konnte (z.B. Verwendung von IT-Ausstattung des Landes für parteipolitische Tätigkeiten, Teilnahme an internen Besprechungen der Staatskanzlei im Beurlaubungszeitraum)?

Dietmar Brockes
Dr. Werner Pfeil