Nordrhein-Westfalen darf den wirtschaftlichen Aufschwung nicht sabotieren - Für Wirtschaftswachstum braucht es Rohstoffe und Flächen - 3. Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) zurückziehen
I. Ausgangslage
Die wirtschaftliche Lage in Nordrhein-Westfalen ist weiterhin äußerst angespannt. Nach zwei Rezessionsjahren verharrt die Landeswirtschaft dieses Jahr voraussichtlich in der Stagnation, mit einem winzigen Wachstum von 0,1 Prozent - nur ein Drittel des Wachstums, das 2025 für den Bund prognostiziert wird. Von einer Trendwende oder Umkehr kann nicht die Rede sein, wenn das wirtschaftlich stärkste Bundesland so deutlich hinter der ohnehin schon mageren Bundesprognose zurückbleibt. Die Lageindikatoren im Konjunkturbericht der IHK NRW zeigen klar, dass viele Unternehmen ihre Geschäftslage nach wie vor kritisch beurteilen. Eine ebenso deutliche Sprache sprechen die 1572 im ersten Quartal 2025 bei den Amtsgerichten gemeldeten Unternehmensinsolvenzen in Nordrhein-Westfalen – 19,7 Prozent mehr als im ersten Quartal 2024.Diese Entwicklungen müssen ernst genommen werden, denn in Nordrhein-Westfalen herrscht nicht nur eine andauernde konjunkturelle Schwächephase. Arbeitsplätze und Lebenschancen von Millionen Menschen stehen auf dem Spiel, während die Meldungen über geplanten Stellenabbau – insbesondere in der Industrie – nicht abreißen. Umso besorgniserregender ist, dass Ministerpräsident und Wirtschaftsministerin den wirtschaftspolitischen Debatten häufig ausweichen oder ihnen nur halbherzig begegnen. Das Land leidet unter einer verfehlten Wirtschaftspolitik und strukturellen Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit.
Doch anstatt die gewaltigen Probleme anzugehen und bessere Standort- und Wettbewerbsbedingungen für Nordrhein-Westfalen zu schaffen, verschärft die Landesregierung die Lage zusätzlich. Mit Beschluss vom 14. März 2025 entschied die Landesregierung, den Landesentwicklungsplan (LEP), das zentrale Steuerungselement der Landesplanung, ein drittes Mal zu ändern – mit dem ausgegebenen Ziel einer nachhaltigeren Landesentwicklung. Zentrale, wirtschaftsrelevante Änderungen innerhalb des ersten Entwurfs enthalten ungeachtet der wirtschaftlichen Lage neue, restriktive Regelungen zu Rohstoffen und Flächen.
So soll beispielsweise ein Degressionspfad beim Abbau der Grundrohstoffe Kies und Sand eingeführt werden, d.h. anhand eines bestimmten Faktors soll der Abbau von Kies und Sand im Landesgebiet begrenzt werden („schrittweises Absenken der Primärrohstoffverbrauche“) und die fehlende Menge durch recyceltes Material ersetzt werden. Begründet wird dies unter anderem mit der Flächenkonkurrenz der Kiesgruben zu anderen Nutzungsmöglichleiten und den eingeschränkten Nachnutzungsmöglichkeiten. Ziel sind dabei geschlossene Stoffkreisläufe und die Vermeidung von „Downcycling“.
Auch der 5-Hektar-Grundsatz soll wieder eingeführt werden. Ziel ist hier, die zusätzliche Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke in Nordrhein-Westfalen auf 5 Hektar pro Tag zu reduzieren und darüber hinaus auch längerfristig eine vollständige Flächenkreislaufwirtschaft, also eine Nettonull-Inanspruchnahme von Flächen zu erreichen. Lediglich Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien und naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen werden von dieser Berechnung ausgenommen.
Besondere Relevanz erhalten die Änderungen am LEP auch vor dem Hintergrund des schuldenfinanzierten Sondervermögens des Bundes. Diese Zäsur im finanzpolitischen Kurs der Bundesrepublik soll laut Bundesregierung dazu dienen, Investitionen in Infrastruktur zur Stärkung des Wirtschaftswachstums zu tätigen. Mit einer historischen Neuverschuldung begibt sich die Bundesregierung auf einen äußerst riskanten Weg, denn der finanzielle Spielraum zukünftiger Generationen droht stark eingeschränkt zu werden. Höchste Priorität der Landesregierung muss daher sein, dass jeder einzelne investierte Euro klar auf das Ziel einzahlt, die Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu schaffen.
II. Handlungsbedarf
Der Entwurf der dritten Änderung des LEP zeigt deutlich, dass die Landesregierung Wirtschaftswachstum weiterhin nicht als Priorität ansieht und nicht bereit zu sein scheint, durch geeignete Maßnahmen Verantwortung für die wirtschaftlich schlechte Lage zu übernehmen. Der LEP-Entwurf präsentiert sich insgesamt als eine ideologisch motivierte, planwirtschaftliche Detailsteuerung der Raumplanung. Den wichtigsten Zielgrößen wie Wirtschaftswachstum, Bürokratieabbau und kommunaler Eigenverantwortung steht er entgegengesetzt gegenüber, denn er verteuert und erschwert das Bauen, schafft deutlich kleinteiligere Regelungen mit er-wartbar höherem Beratungs- und Prüfaufwand und schränkt den Spielraum der Kommunen vielfach weiter ein.
Damit behindert der LEP nicht nur die nordrhein-westfälische Wirtschaft zusätzlich, sondern steht auch im klaren Widerspruch zu den Zielen des Bundes. Vor diesem Hintergrund drohen die geplanten Infrastrukturinvestitionen in Nordrhein-Westfalen deutlich weniger Wirkung zu entfalten. Mit anderen Worten: Mit der LEP-Änderung in der vorliegenden Form sabotiert Grün-Schwarz nicht nur den wirtschaftlichen Aufschwung, sondern verhindert auch den bestenfalls wachstumsfördernden Einsatz der Mittel des Infrastruktur-Schuldentopfes im eigenen Bundesland. Exemplarisch verdeutlichen dies die geplanten Regelungen zum 5-Hektar-Ziel und dem Degressionspfad für Kies und Sand.
Kies und Sand sind essenzielle Grundrohstoffe und Hauptbestandteile von Beton und Asphalt – und damit unverzichtbar für den Wohnungsbau, den Ausbau und die Instandhaltung von Straßen und Brücken, sowie für alle wesentlichen Infrastrukturprojekte im Rahmen der Energie- und Verkehrswende. Vor dem Hintergrund des besonders hohen Investitionsbedarfs in Nordrhein-Westfalen wird der Bedarf an diesen Rohstoffen in den kommenden Jahren stark steigen. In dieser Situation einen verbindlichen Degressionspfad für den Abbau von Kies und Sand festzulegen, bedeutet nichts anderes, als eine künstliche Verknappung vorzunehmen – mit fatalen wirtschaftlichen Folgen. Eine solche Maßnahme verteuert jegliche Bauvorhaben, bedroht die Versorgungssicherheit und schwächt die heimische Wertschöpfung, insbesondere jene Branchen, die auf regionale Rohstoffe als Ausgangsbasis angewiesen sind.
Die Vorstellung der Landesregierung, dass recycelte Baustoffe die Versorgungslücke schließen könnten, ist derzeit nicht realistisch: Dem Primärrohstoffbedarf von rund 55 Millionen Tonnen steht selbst unter vollständiger Ausschöpfung aller Potenziale lediglich ein Angebot von etwa 11 Millionen Tonnen Recyclingmaterial gegenüber. Hinzu kommen unzureichende Rahmenbedingungen und strukturelle Hemmnisse für einen Hochlauf des Recyclings dieser Rohstoffe, etwa bei der Genehmigung und Errichtung neuer Recyclinganlagen, dem begrenzten Flächenangebot für Recyclinganlagen sowie erheblichen Unsicherheiten im Absatzmarkt, unter anderem durch die übermäßig bürokratische Ersatzbaustoffverordnung, mangelnde Berücksichtigung in öffentlichen Ausschreibungen und eingeschränkte bautechnische Eigenschaften des Recyclingmaterials, etwa in puncto Witterungsbeständigkeit.
Dabei ist die heimische Rohstoffgewinnung zuletzt ohnehin schon deutlich eingebrochen – laut IT.NRW sind im vergangenen Jahr nur 51,3 Millionen Tonnen Kies, Sand und Ton gewonnen worden, das sind 5,7 Prozent weniger als 2023 und der niedrigste Stand seit dem Jahr 2014. Eine für den Investitionsstau in Nordrhein-Westfalen bezeichnende Entwicklung, die nun durch eine künstliche Verknappung weiter verschärft werden könnte.
Der vermeintliche Degressionspfad droht damit zu einem Rezessionspfad zu werden – und ist aus sachlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Gründen klar abzulehnen. Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass mit dem „Kies-Euro“ auch noch eine weitere ein-seitige Belastung der heimischen Rohstoffwirtschaft auf dem Schreibtisch der Landesregierung liegt. Aus ökonomischer Sicht muss gelten: Der Markt entscheidet. Sobald Recyclingmaterial wirtschaftlich, technisch und regulatorisch eine echte Alternative darstellt, wird sich eine Degression im Rohstoffabbau auf natürlichem Wege einstellen. Das angedachte wissenschaftliche Rohstoffmonitoring ist ein geeignetes Instrument, um diese Entwicklungen nach-vollziehen zu können. Ein staatlich erzwungener Rückgang jedoch, sei es durch Steuer oder Verknappung, führt dagegen zu Marktverzerrungen, Effizienzverlusten und gefährdet letztlich auch den Klimaschutz: Denn weniger heimischer Abbau bedeutet deutlich mehr energieintensive Importe aus dem Ausland – mit entsprechend höheren Emissionen.
Neben den Grundrohstoffen Kies und Sand sind aber auch ausreichende Flächen für den Aus-bau der Infrastrukturen notwendig. In diesem Zusammenhang stellt die Wiedereinführung des 5-Hektar-Grundsatzes eine politisch motivierte Flächenverknappung dar – auch wenn die Verantwortung formal auf die regionale Ebene verlagert wird. Ein starrer Grenzwert ignoriert die tatsächlichen Bedarfe und die Möglichkeit eines zeitlich dynamischen Verlaufs der Flächeninanspruchnahme. Schon heute liegt der Flächenverbrauch geringfügig über dem 5-Hektar-Ziel – Tendenz steigend. Somit wird klar, eine dringend notwendige Infrastrukturoffensive ist unvereinbar mit dem 5-Hektar-Grundsatz, die Investitionen drohen an fehlenden Flächen zu scheitern. Darüber hinaus birgt der Grundsatz das Risiko, als restriktives Instrument genutzt zu werden, um unliebsame Projekte auf regionaler Ebene zu blockieren.
Noch problematischer ist die damit verknüpfte Perspektive einer vollständigen Flächenkreislaufwirtschaft: In den kommenden Jahren müssen entscheidende Weichen für Infrastruktur, Transformation und Wachstum gestellt werden. Das langfristige Ziel „Netto-Null-Flächenverbrauch“ würde jedoch eine kontinuierliche Verkleinerung der Infrastrukturplanung erzwingen, die Landesregierung bewegt sich also auch hier in die entgegengesetzte Richtung, und steht damit im direkten Widerspruch zur dringend benötigten positiven Investitionsdynamik.
Tatsächlich ist das Ziel des flächensparenden Handelns bereits übergeordnet und unbestritten im Planungsrecht als Ziel 6.1-1 verankert – ein zusätzlicher, starrer Grundsatz ist also weder erforderlich noch zielführend, birgt jedoch die Gefahr, das dringend benötigte Wirtschaftswachstum zu behindern. Der Fokus des LEP muss dahingehend wesentlich stärker auf die Doppelnutzung von bereits genutzten oder gestörten Flächen gelegt werden: Wenn neue Straßen geplant und gebaut werden, kann durch eine Integration von Photovoltaikanlagen über und neben den Straßen gleichzeitig ein Gewinn für Klima und Energieversorgung erzielt wer-den, ohne dafür in Flächenkonkurrenz zu anderen Bereichen zu treten. Auch das Argument der mangelnden oder schwierigen Nachnutzung bei Sand- und Kiesgruben (im Rahmen der Begründung des Degressionspfads) darf in diesem Zusammenhang nicht gelten: Neben einer möglichen Rekultivierung oder Renaturierung bieten die Gruben ebenfalls sehr sinnvolle Nachnutzungsmöglichkeiten für die Naherholung sowie die klimafreundliche Energiegewinnung, etwa durch Floating-PV-Anlagen, teilweise auch in kombinierter Form.
III. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Nordrhein-Westfalen braucht dringend Wirtschaftswachstum sowie geeignete Maßnahmen und tragfähige Rahmenbedingung durch die Landesregierung, um dieses zu erreichen. Entsprechende Bemühungen der Landesregierung sind derzeit nicht ersichtlich.
- Der Entwurf der 3. Änderung des LEP steht exemplarisch für die zusätzlichen Belastungen, die die Landesregierung der Wirtschaft ungeachtet der konjunkturellen Lage auferlegt. Der Entwurf droht nicht nur den wirtschaftlichen Aufschwung, sondern auch zusätzliche Investitionen aus dem Sondervermögen des Bundes zu sabotieren, wodurch diese ihre Wirkung verlieren und lediglich Kosten zulasten der zukünftigen Generationen verursachen.
- Ein staatlich erzwungener Rückgang des Primärrohstoffangebots, sei es durch Verknappung in Form eines Degressionspfads oder Besteuerung durch den „Kies-Euro“ verteuert jegliche Bauvorhaben, bedroht die Versorgungssicherheit und schwächt die heimische Wertschöpfung. Der alternative Import von Primärrohstoffen aus dem internationalen Ausland würde dagegen eine massive Klimaschädigung und Emissionsbelastung darstellen.
- Es braucht weiterhin große Mengen Primärrohstoffe aus der Region. Zusätzliche Investitionen im Rahmen des Sondervermögens werden diesen Bedarf noch weiter steigern. Ein kurzfristiger oder vollständiger Ersatz durch Recyclingmaterial ist nicht möglich. Eine natürliche, marktwirtschaftliche Zunahme des Recyclinganteils kann jedoch durch die Schaffung der wirtschaftlichen, technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen erreicht werden.
- Für die erfolgreiche Umsetzung der notwendigen Infrastrukturinvestitions- und Bauvorhaben ist eine bedarfsgerechte Flächeninanspruchnahme unerlässlich. Starre Grenz-werte und ein Pfad hin zu einer vollständigen Flächenkreislaufwirtschaft sind in diesem Zusammenhang nicht nur unrealistisch, sondern stehen auch in einem direkten Widerspruch zu der dringend benötigten positiven Investitionsdynamik.
- Eine verstärkte Doppelnutzung von bereits genutzten oder gestörten Flächen kann signifikante Potentiale für Energiegewinnung, Klimaschutz, Naherholung und weitere Nutzungsmöglichkeiten heben und zugleich die Flächenkonkurrenz entschärfen.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- den Landesentwicklungsplan unter den Maximen des Wirtschaftswachstums, des Bürokratieabbaus und der kommunalen Eigenverantwortung neu zu formulieren,
- die wirtschaftsschädlichen Verknappungskonzepte wie den Degressionspfad und den 5-Hektar-Grundsatz ersatzlos aus dem Entwurf zu streichen sowie jeglichen Plänen zu ähnlichen Markteingriffen wie dem „Kies-Euro“ eine klare Absage zu erteilen,
- einen bedarfsgerechten Primärrohstoffabbau zu gewährleisten und gleichzeitig die wirtschaftlichen, technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen für die Gewinnung und den Einsatz von Sekundärrohstoffen zu verbessern, um so eine marktbasierte Zunahme von Recyclingmaterial am Gesamtrohstoffverbrauch zu ermöglichen,
- im Rahmen der Infrastrukturinvestitionen und weiterer Maßnahmen der Wirtschafts-wende sowie unter Bewahrung des Ziels der Flächensparsamkeit eine bedarfsgerechte Flächeninanspruchnahme zu gewährleisten,
- im Landesentwicklungsplan einen stärkeren Fokus auf die Potentiale der Doppelnutzung von bereits genutzten oder gestörten Flächen zu legen, um so die Flächenkonkurrenz zu entschärfen.