Das Wolfsmanagement in Nordrhein-Westfalen braucht ein Update

I. Ausgangslage

Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter leisten für die Gesellschaft und die Natur einen enormen Dienst. Ihre Tiere schützen seltene Biotope, leisten einen aktiven Beitrag zum Hochwasserschutz durch Deichpflege und tragen somit maßgeblich zum Umweltschutz und zur Biodiversität bei. Doch die Ausbreitung des Wolfes und die damit einhergehenden Schäden stellen die Weidetierhalter vor riesigen Herausforderungen. Die Rückkehr des Wolfes in nordrhein-westfälische Landschaften mag eine positive Entwicklung für die Natur und den Artenschutz sein. Doch für Weidetierhalter bedeutet dies auch, dass sie sich auf neue Herausforderungen einstellen müssen. Denn der Wolf sieht Schafe und Rinder als Beute an und kann innerhalb kürzester Zeit ganze Herden dezimieren.

Besonders im Wolfsgebiet Schermbeck sind Landwirtinnen und Landwirte besorgt über Hinweise und Meldungen von Wolfsangriffen auf Weidetiere. Ein einziger Übergriff in Dinslaken führte Ende Februar zum Tod von 39 Tieren, obwohl die Herde mit einem empfohlenen Schutzzaun und einer Herdenschutzberatung gesichert war. Auch für diesen Übergriff konnte die Wölfin Gloria und eines ihrer Jungen identifiziert werden. Im Schermbecker Wolfsgebiet wurden bereits mehrfach Schutzzäune überwunden und Tiere getötet, sogar Ponys waren unter den gerissenen Tieren. Die betroffenen Tierhalter appellierten bisher vergeblich um eine Entnahme auffälliger Wölfe.

In Dorsten im Kreis Recklinghausen sind neun Schafe gerissen worden. Zehn weitere Lämmer sind so schwer verletzt worden, dass in der Folge neun notgetötet werden mussten. Der Vorfall ereignete sich am helllichten Tag, nachdem der Herdenschutzhund in den Hänger gesperrt worden war. Zwischen Marienthal und Overbeck/Erle wurde ein Highland-Cattle-Rind auf einer Weide gerissen. All diese Übergriffe ereigneten sich innerhalb kürzester Zeit.

Das Problem ist nicht allein der wirtschaftliche Verlust, sondern auch das Leiden der Tiere. Schafhalter größerer Herden sind gezwungen, ihre Tiere nachts aufzustallen, um ihre Tiere zu schützen. Doch aufgrund der Entfernungen zwischen Weide und Stall ist dies oft nicht möglich oder mit einem enormen Aufwand verbunden. Schafe sind jedoch unverzichtbar für die Landschaftspflege, weshalb ein Einsatz dieser Weidetiere dringend erforderlich ist.

Trotz der zunehmenden Fälle muss nüchtern konstatiert werden: Die Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Laut Umweltministerium ist die Wolf-Problematik nicht so groß, wie sie wirkt. Lapidar wird angefürt, dass es dem Wolf auch weiterhin gelingen werde, den empfohlenen Herdenschutz zu überwinden. In der Konsequenz dürfte dies dazu führen, dass die Weidetierhaltung in Nordrhein-Westfalen zurückgehen wird. Denn: Die Weidetierhalter fühlen sich durch solche Äußerungen im Stich gelassen.

Erschwerend kommen lang andauernde bürokratische Prozesse hinzu. Tierhalterinnen und Tierhalter müssen oft lange auf Identifizierungen von offensichtlichen Wolfsrissen warten. Dadurch verzögern sich auch die Auszahlungen der Entschädigungsleistungen.

Bisher werden alle Befunde zu Wolfsrissen in Deutschland zentral an das Referenzzentrum der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung geschickt. Die Proben zur Feststellung des Wolfsangriffs werden jedoch nicht per Express versendet, was zu Verzögerungen führt. Dezentrale Referenzlabore können zu schnelleren Befunden führen. Durch eine intelligente Vernetzung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit dezentralen Referenzlaboren können Zeiten verkürzt  und Ausgleichszahlungen schneller getätigt werden.

Nordrhein-Westfalen muss zusammen mit anderen betroffenen Bundesländern ein länderübergreifendes, belastbares Monitoring inklusive Ausarbeitung fundierter Populationsmodelle durchführen. Auch die Bearbeitungszeit muss deutlich verkürzt werden.

Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde festgeschrieben, dass durch eine Überarbeitung der Monitoringstandards die Anzahl der in Deutschland lebenden Wölfe realitätsgetreu abgebildet und ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglicht wird. Diesem Auftrag ist das Bundesumweltministerium fatalerweise bisweilen nicht nachgekommen.

Es bedarf einer jährlichen Überprüfung des Erhaltungszustandes des Wolfes. Außerdem braucht es eine Lockerung des Schutzstatus. Dafür ist der Wolf aus Anhang IV (strenger Schutz) in Anhang V (weniger strenger Schutz) der FFH-Richtlinie zu überführen.

In der vergangenen Legislatur wurde auf Landesebene bereits die Wolfsverordnung auf den Weg gebracht. Hierbei wurde bereits der Spielraum, den das Bundesnaturschutzgesetz ermöglicht, ausgereizt. Dank der Wolfsverordnung wurde die Verantwortung über die Entnahme von verhaltensauffälligen Wölfen auf das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur und Verbraucherschutz übertragen. Das sorgte für eine deutliche Entlastung der Unteren Naturschutzbehörden, die von der Haftung befreit wurden. Weiterhin wurden Möglichkeit, den Wolf zu vergrämen, vereinfacht.

In Europa wird der Wolf als eine streng geschützte Art eingestuft. Um ein Bestandsmanagement durchzuführen, ist es notwendig, dass die Wolfspopulation den sogenannten guten Erhaltungszustand erreicht hat. Die Entscheidung darüber, ob dieser Zustand gegeben ist, wird auf regionaler Ebene getroffen. Der europäische Rechtsrahmen definiert jedoch nicht, was als Region anzusehen ist.

Andere EU-Länder sind da schon weiter. In Finnland beispielsweise gibt es eine Bestandsquote für den Wolf. Der Bestand wird jedes Jahr neu überprüft. Verhaltensauffällige Wölfe dürfen sogar außerhalb der Quote entnommen werden.

Auch das EU-Parlament sieht den Wolf in einem günstigen Erhaltungszustand und fordert eine Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes. Der Schutzstatus des Wolfes muss regional gelockert werden. Dies würde es den Landwirten ermöglichen, den Wolf aktiv zu managen und so eine nachhaltige Koexistenz von Menschen und Tier zu erreichen.

Dennoch bleibt es wichtig, dass alle beteiligten Bereiche zusammenarbeiten – von der Politik über den Naturschutz bis hin zur Landwirtschaft – um Lösungen im Umgang mit dem Wolf zu finden. Nur so kann gewährleistet werden, dass sowohl die Interessen von Menschen als auch Tieren berücksichtigt werden. Mit jedem Wolfsriss sinkt die Akzeptanz für den Wolf und immer mehr Weidetierhalter stellen ihre Tätigkeit ein. Dabei ist Nordrhein-Westfalen auf die Weidetierhaltung angewiesen wie noch nie zuvor.

II.    Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • zu prüfen, ob für Nordrhein-Westfalen zusätzliche unabhängige und zertifizierte Referenzlabore ausgewiesen werden können, so dass Übergriffe schneller bearbeitet werden können.
  • den Wolf in das Jagdrecht zu überführen.
  • zusammen mit anderen betroffenen Bundesländern ein länderübergreifendes, belastbares Monitoring inklusive Ausarbeitung fundierter Populationsmodelle durchzuführen.
  • auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die Definition, ab wann ein Wolf als verhaltensauffällig gilt, überprüft und neu definiert wird. Problemwölfe müssen leichter entnommen werden dürfen.
  • auf Bundesebene eine jährliche Beurteilung des Erhaltungszustandes des Wolfes auf Populationsebene durchzusetzen.
  • auf Bundesebene bzw. auf EU-Ebene eine Lockerung des Schutzstatus durchzusetzen. Dazu zählt die Überführung aus Anhang IV (strenger Schutz nach Bundesnaturschutzgesetz) in Anhang V (weniger strenger Schutz) der FFH-Richtlinie.
  • sich auf Bundesebene im Sinne eines vernünftigen Ausgleichs zwischen Artenschutz und Weidetierhaltung für die Ausweisung von wolfsfreien Gebieten einzusetzen.
  • sich auf Bundes- und EU-Ebene für ein staatenübergreifendes Wolfsmanagement einzusetzen. Dafür bedarf es,
    • der klaren Definition einer Region, in der der Erhaltungszustand realitätsgetreu abgebildet werden kann,
    • der Definition eines sogenannten guten Erhaltungszustands anhand möglichst realen Wolfszahlen,
    • die Festlegung einer Maximalpopulation in diesen Regionen, ab deren Überschreitung eine Bejagung mit definierten Entnahmezahlen erlaubt ist.