Pläne zur Reduzierung der Referendarstellen müssen gestoppt werden!

I. Ausgangslage

Laut Mitteilung der Landesregierung werden die Einstellungen in den Referendardienst ab Juli 2024 begrenzt. Geplant ist eine Reduktion zunächst auf 3.300, perspektivisch aber sogar auf 3.000 Referendarstellen.  Seit dem Jahr 2017 wurden in Nordrhein-Westfalen folgende Anzahl an Referendarinnen und Referendaren ausgebildet:

2017    3.678
2028    3.684
2019    3.874
2020    4.242
2021    4.306
2022    3.956
2023    3.776

Dies macht deutlich, dass die geplante Reduktion zu massiven Engpässen bei der Ausbildung führen wird, die sich jährlich weiter akkumulieren wird. Allein ausgehend von der Zahl aus dem Jahr 2023 stellt eine Reduktion auf 3.000 Rechtsreferendare eine Kürzung von über 20 % dar. Das Land NRW zahlt jedem Rechtsreferendar derzeit 1.375 Euro brutto im Monat. Ausgehend von den Zahlen aus 2023 belaufen sich die jährlichen Ausgaben für Referendargehälter auf 62.304.000 Euro. Bei 3.000 Rechtsreferendaren würden sich diese Ausgaben auf 49.500.000 Euro reduzieren. Die dadurch erreichten Einsparungen belaufen sich somit auf gut 12 Mio. Euro.

Angesichts der Gesamtausgaben im Justizhaushalt 2024 von 5.215,9 Mio. Euro4, davon Personalausgaben von 3.276,5 Mio. Euro5, stellen die eingesparten Ausgaben i.H.v. 12 Mio. Euro für die Ausbildung von Rechtsreferendaren lediglich 0,23 % der Gesamtausgaben des Justizhaushaltes dar und stehen daher insbesondere in keiner Relation zu den dramatischen Folgen für den gesamten Justizbereich.

Die Justiz in Nordrhein-Westfalen steht bereits aktuell vor akuten Problemen. Hier sind insbesondere der akute Personalmangel und die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung zentrale Themen.

Sowohl bei allen Bereichen der Justiz als auch der Anwaltschaft stoßen die aktuellen Pläne des Justizministers, die Anzahl der Stellen der Rechtsreferendare in einer solchen Situation zu deckeln, auf völliges Unverständnis. Bei zahlreichen Gesprächen wurde deutlich, dass die Frustration zunehmend steigt und das Gefühl besteht, dass sich der Justizminister gerade auch im Bereich der Verteilung der Haushaltsmittel nicht respektive nicht ausreichend für die
Interessen seines Ressorts einsetzt. „Die beabsichtigte Reduktion der Zahl der Ausbildungsplätze muss gestoppt werden", heißt es vom Deutschen Richterbund NRW. Schon jetzt seien zahlreiche Stellen in den Staatsanwaltschaften unbesetzt, die Justiz finde immer weniger Nachwuchs und die Zahl der unerledigten Ermittlungsverfahren stiege in NRW zuletzt stark an.

Allein in den Jahren 2025 bis 2030 scheiden an die 5.000 Beschäftigte planmäßig aus der Justiz in Nordrhein-Westfalen aus.

Bei der Anwaltschaft sieht es ähnlich aus. Seit dem Jahr 2002 ist das Durchschnittsalter in der deutschen Anwaltschaft von 43,9 auf heute 51,7 Jahre gestiegen. Auch hier wird erwartet, dass in zehn Jahren die geburtenstarke Zulassungsjahrgänge mit rund 5.000 Anwältinnen und Anwälten das Rentenalter erreichen und den Markt verlassen.

Die aktuellen Zahlen zeigen, dass in nahezu allen Berufsgruppen bereits jetzt die vorhandenen Planstellen nicht mehr besetzt werden können. Bei den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten waren zum Stichtag 31.12.2023 5,65 % der Stellen unbesetzt, bei den Richterinnen und Richtern 3,5 %, bei den Amtsanwälten waren es sogar 11,73 %. Die geplante Reduktion der Referendarstellen belastet die ohnehin besonders überlasteten Bereiche der Staats- und
Amtsanwaltschaft zusätzlich, da sie nun mit 20% weniger Unterstützung durch Referendarinnen und Rechtsreferendare rechnen müssen.

Die Folgen der Pläne machen sich bereits jetzt in der Praxis bemerkbar. Bestehende Zusagen an Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare werden zurückgenommen. Wartezeiten verlängern sich. Gerade sozial schwächere Referendaranwärter, die das Referendargehalt zur Zahlung ihrer monatlichen Verpflichtungen bereits eingeplant haben, stellt dies vor akute Probleme.

Letztendlich ist auch eine Verletzung der Berufsfreiheit des Einzelnen aus Art 12 GG denkbar, wenn durch die Deckelung der Referendarstellen der Abschluss zum Volljuristen erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgt und die Absolventen dem Markt als Rechtsanwalt, Richter, Staatsanwalt, Notar etc. auch erst zeitlich später zur Verfügung steht, was volkswirtschaftlich für jeden Einzelnen aber auch für die Allgemeinheit einen Nachteil darstellt.

Eine so deutliche und ohne jede Vorlaufzeit durchgeführte Reduktion der Ausbildungsstellen ist unter keinem Aspekt nachvollziehbar, insbesondere wenn diese sich nicht nach dem tatsächlichen Bedarf an Ausbildungsplätzen richtet, sondern lediglich auf sachfremde fiskalische (Haushalts-)Gründe gestützt wird. Dies ist um so unredlicher, als der Staat bei der Ausbildung zum 2. Staatsexamen eine Monopolstellung besitzt, da er als einziger zur Ausbildung zum 2.
Staatsexamen berechtigt ist. Die Absolventen des 1. Staatsexamens sind auf den Staat angewiesen und auch hier trifft die Regelung insbesondere die sozial Schwächeren, denen es nicht möglich ist, im Notfall auf andere Bundesländer auszuweichen. Die Pläne der Landesregierung ihre Verantwortung bezüglich der Ausbildung in der Justiz so zu vernachlässigen und durch Schaffung eines Nadelöhrs den Personalmangel in der Zukunft mutwillig zu verschärfen, muss verhindert werden.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Die Gewährleistung ausreichender Rechtsreferendarstellen durch das Land NRW ist von essenzieller Bedeutung für eine funktionierende Justiz.
  • Dem Staat kommt aufgrund seiner Monopolstellung bezüglich der Rechtsreferendarausbildung eine besondere Verantwortung zu.
  • Es herrscht bereits jetzt ein akuter Personalmangel in allen Bereich der Justiz und der Anwaltschaft, der sich aufgrund des demographischen Wandels noch weiter verschärfen wird.


Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

die bestehenden Pläne zur Deckelung der Referendarausbildungsplätze zu verwerfen.