Private Krankenversicherung als Attraktivitätspfeiler des Beamtenstatus erhalten – Keine Mehrbelastungen des Landeshaushalts und keine Einheitsversicherung durch Einführung einer pauschalen Beihilfe in Nordrhein-Westfalen
I. Ausgangslage
Der Öffentliche Dienst in Nordrhein-Westfalen steht bei der Gewinnung von qualifizierten und motivierten Nachwuchskräften zunehmend unter einem massiven Druck. Aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels und fehlender Impulse zur Attraktivitätssteigerung fällt es dem Land seit einiger Zeit deutlich schwerer, qualifizierte Neueinsteiger für sich zu gewinnen. Nordrhein-Westfalen vermeldete im Juli 2023 mehr als 21.000 unbesetzte Stellen für Beamtinnen und Beamte (siehe LT-Vorlage 18/1411). Die Verwaltung läuft daher Gefahr, wichtige staatliche Kernaufgaben nicht oder nicht mehr zufriedenstellend erledigen zu können.
Neben einem sicheren Arbeitsverhältnis und einer umfassenden finanziellen Absicherung ist es ebenso die besonders gute und günstige gesundheitliche Versorgung als Privatpatient, welche dem Beamtenstatus seine spezifische Attraktivität verleiht. Während Beamte zwischen Privater Krankenversicherung (PKV) und Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) unabhängig von ihrer Besoldungshöhe wählen können, ist es in aller Regel die Kombination aus individueller Beihilfe durch den Dienstherrn und der PKV, welche sich für Bedienstete aufgrund des hohen Leistungsumfangs bei geringen Kosten am vorteilhaftesten darstellt. In diesem Zusammenhang stellte Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (DBB) laut Pressemitteilung des DBB vom 15. Juni 2023 im Rahmen der Jahrestagung der
Privaten Krankenversicherer (PKV-Verband) fest:
„Nicht zuletzt ist die PKV auch ein wichtiger Baustein in der Versorgung und damit für die Attraktivität des Berufsbeamtentums. Das ist bei der Gewinnung von dringend benötigten Nachwuchskräften ein nicht zu unterschätzender Faktor.“
Nachdem bereits vereinzelt in einigen wenigen anderen Bundesländern das Modell einer sogenannten pauschalen Beihilfe eingeführt wurde, sieht nun auch die schwarz-grüne Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vor, „(…) eine einmalige Wahlmöglichkeit am Anfang des Beamtenverhältnisses“ einzuführen, „indem auf Antrag eine pauschale Beihilfe in Höhe des jeweiligen Arbeitgeberbeitrags zu einer Krankenvollversicherung alternativ zur bisherigen individuellen Beihilfe gezahlt wird“(Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen 2022-2027,Rn. 7091-7094).
Mit der sogenannten pauschalen Beihilfe soll der Dienstherr einen monatlichen Zuschuss zum Beitrag eines Beamten zur GKV übernehmen, falls sich der oder die Bedienstete für eine gesetzliche Versicherung entscheidet.
Besonders bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass sich die CDU noch im Jahr 2019 vehement gegen die Einführung einer solchen pauschalen Beihilfe in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen hat. In der Debatte zu einem entsprechenden Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion ließ der Redner der CDU ausweislich des Plenarprotokolls 17/72 vom 15. November 2019 verlauten:
„Diesem Angriff auf das Berufsbeamtentum und der Etablierung einer Zwangseinheitsversicherung stellen wir uns strikt entgegen.“
Die Argumentation der schwarz-grünen Landesregierung, die Einführung einer pauschalen Beihilfe diene der Attraktivitätssteigerung des Beamtenstatus, ist fragwürdig. Einigen Befürwortern einer pauschalen Beihilfe geht es erfahrungsgemäß vielmehr um den Versuch, das duale System aus PKV und GKV zu schwächen, indem sich, anders als bisher, eine vermeintlich höhere Zahl an Beamtinnen und Beamten für die GKV entscheiden würde.
Dieser Schwenk ist als Versuch zu werten, eine fragwürdige Einheitsversicherung, welche bislang auf Bundesebene gescheitert ist, über den Weg der Länderparlamente einzuführen. Die diesbezügliche Haltung des DBB ist eindeutig. Dessen Bundesvorsitzender Ulrich Silberbach führt dazu laut o.g. Pressemitteilung des DBB weiter aus:
„Wir können uns sicher sein, dass es spätestens zur nächsten Bundestagswahl wieder Versuche zur Einführung einer wie auch immer gearteten Einheitsversicherung geben wird. Doch bei aller zum Teil berechtigten Kritik haben wir in Deutschland eines der weltweit besten Gesundheitssysteme. Allen Versuchen, diese Errungenschaft aus ideologischen Gründen über den Haufen zu werfen, erteilen wir unverändert eine klare Absage.“
Befürworter der pauschalen Beihilfe argumentieren, dass Bedienstete mit Vorerkrankungen angeblich durch das bisherige Gesundheitssystem benachteiligt würden. Dies ist allerdings nicht der Fall. Durch die längst erfolgte Öffnungsaktion der PKV steht es bereits heute jedem neu eingestellten Beamten frei, sich privat versichern zu lassen. Dabei sind sowohl Risikozuschläge begrenzt als auch Leistungskürzungen ausgeschlossen worden.
Die PKV bietet den Beamtinnen und Beamten in Kombination mit der individuellen Beihilfe nicht nur einen hohen und maßgeschneiderten Leistungsumfang, sie ist auch in aller Regel kostengünstiger. Freiwillig in der GKV versicherte Beamte müssen Beiträge anhand ihrer gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bis zur Beitragsbemessungsgrenze zahlen, während sich die Höhe einer pauschalen Beihilfe nur an den Einkünften aus dem Beamtenverhältnis ausrichtet. Dies kann gerade im Alter zu höheren Belastungen führen, wenn sich die individuellen Beiträge nicht nur an der Höhe der Pension bemessen, sondern zusätzlich private Renten, Kapital- und Mieteinkünfte oder ähnliche Einnahmen berücksichtigt werden. In diesen Fällen würde eine pauschale Beihilfe deutlich weniger als die Hälfte des Gesamtbeitrags abdecken.
Mit der Einführung einer pauschalen Beihilfe in Nordrhein-Westfalen würden nicht nur die Beamtinnen und Beamten belastet, sondern auch der Steuerzahler. Während bei der individuellen Beihilfe lediglich im Krankheitsfall Kosten für den Dienstherren entstehen, zahlt das Land bei der pauschalen Beihilfe bereits ab dem ersten Tag der Verbeamtung den vollen GKV-Zuschuss. Selbst bei einer Quote von unter 10 Prozent an freiwillig gesetzlich Versicherten mit pauschaler Beihilfe würden sich die jährlichen Mehrkosten für den Steuerzahler mindestens auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag summieren. Diese finanziellen Aufwendungen können deutlich sinnvoller für wichtige andere Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Öffentlichen Dienstes verwendet werden.
Derzeit ist die pauschale Beihilfe eine Insellösung nur einiger weniger Bundesländer. Die Mobilität von nordrhein-westfälischen Beamten würde deshalb bei einer Umsetzung dieser Maßnahme eingeschränkt werden. Bei einem Wechsel in ein anderes Bundesland, zu einem Dienstherren, welcher sich nicht für eine Einführung der pauschalen Beihilfe entschieden hat, wäre der Bedienstete gezwungen, entweder den vollen Beitrag zur GKV selbst zu zahlen, oder zu einem späteren Einstiegsalter in die PKV zu wechseln, was mit spürbaren Zusatzkosten verbunden wäre.
Nicht zu vernachlässigen sind ebenso die verfassungsrechtlichen Zweifel an der pauschalen Beihilfe. Der Dienstherr trägt qua Verfassung eine Fürsorgepflicht für das Krankheitsrisiko des Beamten, welche er eigenverantwortlich zu erfüllen hat (Art. 33 Abs. 5 GG). Diese Pflicht darf nicht auf ein externes System, wie beispielsweise die GKV, abgeschoben werden. Ein System aus pauschaler Beihilfe und GKV, welches einen späteren Wechsel in die PKV mit individueller Beihilfe ausschließt, würde ebenso bedeuten, dass sich der Leistungsumfang der GKV dem Einfluss des Dienstherren entzöge.
Die PKV stellt einen wichtigen Pfeiler zur Erhaltung der Attraktivität des Beamtenstatus dar. Es lässt sich schlussfolgern, dass die Einführung einer pauschalen Beihilfe mit einmaliger Wahlmöglichkeit zu Beginn des Beamtenverhältnisses nicht nur überflüssig wäre, sondern auch völlig unnötige Mehrkosten für Versicherte und Steuerzahler verursachen würde sowie verfassungsrechtlich fragwürdig wäre. Es handelt sich um ein rein ideologisches Anliegen zur schrittweisen Einführung einer Einheitsversicherung durch CDU und Grüne.
II. Beschlussfassung
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- endlich anzuerkennen, dass das duale System mit einem Wettbewerb zwischen der Privaten und der Gesetzlichen Krankenversicherung sowohl eine hohe Qualität der Gesundheitsversorgung gewährleistet als auch die nötige Innovation hervorbringt sowie
- von der Einführung einer pauschalen Beihilfe abzusehen, da diese nicht nur in Anbetracht des derzeit gängigen Systems aus individueller Beihilfe und privater Krankenversicherung überflüssig wäre, sondern auch zu Rechtsunsicherheiten führen sowie völlig unnötige Mehrkosten für Versicherte und Steuerzahler verursachen würde, ohne einen entsprechenden Gegenwert zu bieten.