Qualitätsjournalismus schafft nicht nur einen hohen Wert, sondern hat auch seinen Preis – Urheberrechtschutz auch in der digitalen Welt leistungsgerecht sichern und weiterentwickeln
I. Ausgangslage
Die laufende digitale Transformation und der rasante Fortschritt im Bereich der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) haben sowohl die Medienlandschaft als auch den Zugang zu Informationen grundlegend verändert. Große Technologieunternehmen wie Google, OpenAI oder Meta greifen für die Entwicklung und den Betrieb ihrer KI-Systeme massenhaft auf journalistische und kreative Inhalte zurück, ohne dass Urheberinnen und Urheber selbst oder ihre Verlage dafür eine angemessene Vergütung erhalten. Sprachmodelle wie ChatGPT oder Gemini verwerten bei der Beantwortung von Fragen die Inhalte aus journalistischen Quellen, ohne dass die Verlage oder die Autorinnen und Autoren hierfür eine Entschädigung erhalten. Dadurch entsteht eine asymmetrische Konkurrenzsituation: KI-Unternehmen profitieren ökonomisch von qualitativ hochwertiger journalistischer Arbeit, während Medienhäuser und Medienschaffende durch die in der Folge sinkenden Reichweiten und Werbeeinnahmen wirtschaftlich geschwächt werden.
So nutzt insbesondere Google mit seiner KI-Funktion „Gemini“ sowie über den sogenannten „AI Mode“ Inhalte aus Medienportalen, um Nutzerinnen und Nutzern direkt Antworten anzuzeigen. Diese Praxis führt belegbar dazu, dass die ursprünglichen Quellen deutlich weniger aufgerufen werden. Studien aus den USA zeigen bereits Rückgänge des Traffics auf Nachrichtenseiten um bis zu zehn Prozent. In der Folge sinken deren Werbeerlöse und Abonnentenzahlen, was die wirtschaftliche Basis von Qualitätsjournalismus erheblich gefährdet. Das Verlagshaus Penske Media, Herausgeber von Medien wie Rolling Stone und Variety, hat deshalb Klage gegen Google eingereicht. Es wirft dem Konzern vor, seine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen und Verlage faktisch zu zwingen, ihre Inhalte zur Verfügung zu stellen, die Google in KI-aufbereiteter Form erneut veröffentlicht.
Auch in der Europäischen Union zeigt sich zunehmend diese Problematik. Zwar erlaubt die EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2019 die systematische Analyse großer Datenmengen, um Zusammenhänge, Muster und Trends durch Einsatz von computergestützten Methoden zu erkennen (sogenanntes Text- und Data-Mining), sofern Rechteinhaber nicht widersprechen. Dennoch umgehen KI-Anbieter teilweise technische Sperren und verletzen damit tatsächlich das Eigentumsrecht. Damit wird journalistische Wertschöpfung faktisch ohne Gegenleistung genutzt und der Anreiz für qualitativ hochwertige Inhalte untergraben. Dies verdeutlicht, dass die aktuelle Rechtslage in der EU nicht ausreichend ist, um Journalismus im digitalen Raum heutzutage umfassend und nachhaltig zu schützen. Während große Verlage individuelle Lizenzvereinbarungen mit KI-Unternehmen aushandeln können, bleiben kleine und lokale Medien strukturell benachteiligt. Solche Vorgänge gefährden die Medienvielfalt.
Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass längst nicht alle Medienhäuser ihre Rechte des Urheberrechtsschutzes und damit auch die Rechte ihrer Autoren konsequent nutzen. Ein Medienschaffender hat praktisch keine Widerspruchsmöglichkeit gegen die Verwendung seiner journalistischen Recherche und Schöpfung, wenn deren Schutz nicht ebenso von dem veröffentlichenden Medienhaus strikt verfolgt wird.
II. Handlungsnotwendigkeiten
Es ist unbestritten, dass KI für unsere Gesellschaft und auch für die journalistische Arbeit neue Chancen bietet. So können automatisierte Prozesse journalistische Arbeitsabläufe effizienter gestalten, beispielsweise bei der Datenanalyse, Archivierung oder Übersetzung. Neue Technologien können potenziell helfen, lokale Berichterstattung zu sichern und neue Formate zu erschließen. Doch solche Innovation dürfen nicht auf Kosten derjenigen gehen, die beruflich für die Qualität und Glaubwürdigkeit öffentlich zugänglicher Information sorgen. Die Arbeitsleistung von Medienschaffenden darf nicht im Ergebnis unvergütet bleiben.
Zusätzlich ist zu bedenken, dass generative KI nicht nur Inhalte neutral wiedergibt oder neu kombiniert, sondern sie auch selektiv filtert und bewertet. Dies birgt die Gefahr, dass nur bestimmte Informationen und Medien genutzt werden. Dadurch werden Zusammenhänge verkürzt, einseitig dargestellt oder gegebenenfalls verzerrt. Wenn KI-Systeme Inhalte nach bestimmten Mustern oder Quellenprioritäten zusammenfassen, prägt das unmittelbar die Wahrnehmung von Themen und Meinungen, obwohl Nutzerinnen und Nutzer eigentlich eine gewisse Bandbreite und auch Objektivität der aufbereiteten Informationen erwarten dürften.
Die dargestellte Ambivalenz verdeutlicht, dass diese neuen Technologien bislang ohne eine klare und belastbare Rechtsgrundlage verwendet werden, denn die KI-Systeme mit ihren generativen Tools erschaffen ständig neue Formen von Werken, für die das bestehende Urheberrecht teils nicht ausreicht. Das Urheberrecht steht durch den Einsatz generativer KI vor einer grundlegenden Neujustierung. Es muss den Schutz kreativer Leistungen mit dem Interesse an technologischem Fortschritt und Wettbewerb in Einklang bringen. Zukünftig stellt sich die Frage, welche Rolle das Urheberrecht als Anreizsystem für menschliche Kreativität noch spielt und wie rechtliche Rahmenbedingungen gestaltet sein müssen, um Innovation zu ermöglichen, ohne geistiges Eigentum zu entwerten. Dabei ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen KI-Modelle auf urheberrechtlich geschütztes Material zugreifen dürfen und ob ein eigenständiges Leistungsschutzrecht für KI-Anwendungen sinnvoll sein könnte.
Es darf nicht dazu kommen, dass Inhalte, die mit Aufwand, Recherche sowie redaktioneller Verantwortung und Haftung erstellt werden, unvergütet in KI-Systemen verschwinden und dadurch den Qualitätsjournalismus zunehmend zur Disposition stellen. Eine faire digitale Ordnung muss daher voraussetzen, dass geistiges Eigentum und kreative Leistung auch im Zeitalter der KI geschützt und entlohnt werden. Die freie Presse ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Sie hat ihren Preis, aber auch einen unschätzbaren Wert.
Aus den zuvor dargestellten Gründen ist es dringend erforderlich, zeitnah die aktuellen Rechtsgrundlagen zu evaluieren und klare rechtliche Rahmenbedingungen für die Zukunft zu schaffen, die sowohl Innovation ermöglichen als auch Urheberrechte, Transparenz und die freie Presse sichern. Ohne ein wirksames Schutzsystem droht die wirtschaftliche Grundlage für freien und unabhängigen Journalismus bald zu erodieren. Wenn Inhalte automatisiert ausgewertet, verarbeitet und wiedergegeben werden, ohne die Urheber zu beteiligen, entsteht ein Wertschöpfungsgefälle zugunsten weniger globaler Digitalkonzerne.
III. Beschlussfassung
Der Landtag Nordrhein-Westfalen beauftragt die Landesregierung, sich auf Bundesebene und bei der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass
- Urheberrechte bei journalistischen Inhalten im Zeitalter der KI effektiv geschützt werden. Anbieter von KI-Systemen müssen verpflichtet werden, die Nutzung und Nachbildung geschützter Inhalte nur auf Grundlage klarer Lizenzvereinbarungen vorzunehmen. Das gilt insbesondere für das Training und die Generierung von Texten, Bildern oder Audioinhalten, was eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigung geistigen Eigentums darstellt.
- eine gesetzliche Vergütungspflicht für die Nutzung journalistischer Inhalte durch KI-Dienste eingeführt wird. Nach dem Vorbild des Presseleistungsschutzrechts soll eine pauschale Vergütungsregel geschaffen werden, die Verlagen und Urhebern einen fairen Anteil an den durch KI erzielten Gewinnen sichert.
- Transparenz- und Kennzeichnungspflichten für KI-Anbieter verbindlich ausgestaltet werden. KI-Systeme müssen offenlegen, auf welchen Quellen ihre Inhalte beruhen. Nutzerinnen und Nutzer müssen nachvollziehen können, ob eine Antwort aus seriösen journalistischen Quellen stammt und welche Medien im Einzelfall daran beteiligt waren.