Rettungsgesetz – wie geht die Landesregierung mit den Anforderungen aus der Rechtsprechung um?
Die Vergabekammer Westfalen hat in dem Vergabeverfahren der Stadt Kamen an die Malteser (Az.: VK 1 – 20/22) einem privaten Rettungsdienstanbieter Recht gegeben, der moniert hatte, dass die Stadt mit Hinweis auf die sogenannte Bereichsausnahme für Rettungsdienste den Privatanbieter gar nicht berücksichtigt hat. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, trotzdem weist die Vergabekammer auf ein intransparentes Vorgehen hin. Gerügt wurde, dass im Rettungswesen die Kommunen private Rettungsdienstanbieter in der Vergangenheit nicht berücksichtigt hätten.
Mit dem Beschluss vom 15. Juni 2022 hat die Vergabekammer Westfalen entschieden, dass es in NRW keine Bereichsausnahme im Rettungsdienst mehr geben kann. Grund hierfür ist, dass gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen im Landesrettungsdienstgesetz nicht privilegiert werden können. Rettungsdienstträger haben somit, vorausgesetzt sie führen den Rettungsdienst nicht selbst durch, das Vergaberecht zu berücksichtigen. Die Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen im Rahmen einer Beauftragung gemäß § 13 RettG NRW sollte europaweit erfolgen. Damit würde insgesamt das bisherige System verändert.
Während Bayern im Rettungsdienstgesetz festgeschrieben hat, dass nur noch gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen zum Zuge kommen, ist in anderen Bundesländern eine rege Diskussion hierüber entbrannt.
Generell wird in allen anderen Bundesländern diskutiert, ob für gemeinnützige Organisationen bei der Beauftragung mit Rettungsdienstleistungen die Bereichsausnahme von § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB greift. Für Brandenburg hat die Vergabekammer des Landes dies jüngst zugunsten eines kommunalen Rettungsdienstträgers bejaht (Beschluss v. 01.06.2021, Az.: VK 7/21; der ebenfalls noch nicht rechtskräftig ist, da das OLG Brandenburg aufgrund der Beschwerde des unterlegenen privaten Anbieters noch entscheiden muss).
Landkreise und kreisfreie Städte als Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes dürfen nach der Entscheidung der Vergabekammer in Brandenburg gemeinnützigen Organisationen Aufgaben des Rettungsdienstes außerhalb des GWB Vergaberechts übertragen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BbgRettG ist zur Auswahl der gemeinnützigen Organisation ein vereinfachtes transparentes, faires und diskriminierungsfreies (Verwaltungs-) Verfahren durchzuführen. Nach Auffassung der Vergabekammer in Brandenburg können neben den Landkreisen und kreisfreien Städten auch kommunale Gesellschaften, die vom Landkreis oder den kreisfreien Städten mit Vollzugsaufgaben des Rettungsdienstes betraut sind, die Bereichsausnahme bei der Übertragung von Aufgaben an Unterauftragnehmer in Anspruch nehmen.
Ob dies generell zulässig ist und ob dadurch nicht in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Privatunternehmen unzulässigerweise eingegriffen wird, ist strittig. Das Landesrecht muss gemeinnützige Organisationen als Rettungsdienstleister privilegieren, was die Vergabekammer Westfalen in seiner Entscheidung nicht als gegeben angesehen hat. Bei der vergaberechtlichen Privilegierung von gemeinnützigen Organisationen und der Prüfung vor den Vergabekammern geht es unter anderem auch um die Frage, ob Vergabekammern für diese Fragen zuständig oder unzuständig sind. Es geht aber auch um die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit, die europäisch vorgegeben sind, sowie die Beachtung landes- und kommunalrechtlicher Vorgaben zum öffentlichen Auftragswesen. Auch das der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zu dieser Thematik eine Entscheidung getroffen (Urt. v. 21.03.2019, Az. C-465/17). Die Regelungen über die öffentliche Auftragsvergabe gelten nicht für den Patiententransport im Notfall durch gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wie steht die Landesregierung zur Entscheidung der Vergabekammer Westfalen und über die Vergabe von Rettungsdienst-Aufträgen an Private und/ oder ausschließlich gemeinnützige Organisationen?
- Wie beurteilt die Landesregierung diese Entscheidung der Vergabekammer mit Blick auf die EuGH – Rechtsprechung?
- Welche Änderungen im Rettungsgesetz NRW sieht die Landesregierung als notwendig an, um sowohl EU-rechtlich als auch vergaberechtlich einen rechtssicheren Zustand für die Bevölkerung herzustellen?
- Liegt mit der Entscheidung der Vergabekammer Westfalen nach Ansicht der Landesregierung ein rechtssicherer Zustand vor?
Dr. Werner Pfeil