Chaos im Schienenpersonennahverkehr verhindern – Landesregierung muss Finanzierung absichern!

I. Ausgangslage

Bund und Länder haben sich am 27. Januar 2023 darauf geeinigt, zum 1. Mai 2023 für den gesamten öffentlichen Nahverkehr ein deutschlandweit gültiges, digitales und günstiges Monatsticket in Höhe von 49 Euro einzuführen. Damit ist die größte ÖPNV-Tarifreform in der Geschichte Deutschlands beschlossene Sache. Die Digitalisierung des Tickets im Zug, an Bahnhöfen, beim Ticketkauf, in der Kombination mit anderen Verkehrsträgern wird ein Befreiungsschlag für Mobilität der Bürgerinnen und Bürger und für die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs auf der Schiene.


Während für das Jahr 2023 eine Finanzierung des SPNV und ÖPNV fürs Erste sichergestellt wurde, gibt es für das Jahr 2024 und die Folgejahre erhebliche Finanzierungslücken. Gleichzeitig drängt die Zeit. Hier sind vor allem die Länder, die für SPNV und ÖPNV die Verantwortung tragen, gefordert! Bis Ende März 2023 müssen in den Gremien der Verkehrsverbünde Entscheidungen für die Bereitstellung entsprechender Verkehre in SPNV und ÖPNV für das Folgejahr 2024 gefällt werden. Ohne klare Finanzierungszusagen der schwarz-grünen Landesregierung müssen Verkehre abbestellt oder ausgedünnt werden. Es steht zu befürchten, dass das Angebot zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 um circa 15 Prozent verkleinert wird, falls sich die NRW-Landesregierung nicht bewegt. Damit drohen im Jahr 2024 erhebliche Einschränkungen für die Mobilität von Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen. Die gute Absicht der Bundesregierung, mit dem Deutschlandticket mehr Mobilitätsfreiheit zu schaffen, würde somit konterkariert.

Die schwarz-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag große Erwartungen an den öffentlichen Nahverkehr im Zusammenhang mit der geplanten klimaneutralen Transformation formuliert und setzt auf einen massiven Ausbau. CDU und Grüne wollen bis zum Jahr 2030 das Angebot im ÖPNV um mindestens 60 Prozent erhöhen. Für dieses Ausbauszenario ist laut Gutachten des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) aus Oktober 2022 ein zusätzlicher Mittelbedarf von mindestens 300 bis 500 Millionen Euro pro Jahr erforderlich. Dieser zusätzliche Finanzierungsbedarf ist bisher alles andere als sichergestellt. Die großen Versprechen von CDU und Grünen drohen damit unerfüllt zu bleiben.

Um finanzielle Nachteile in den Ländern durch die Einführung des Deutschlandtickets auszugleichen, stellt der Bund dafür ab dem Jahr 2023 jährlich 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder beteiligen sich in gleicher Höhe, obwohl sie – im Gegensatz zum Bund – mit den Kommunen die alleinige Verantwortung für den ÖPNV und SPNV tragen. Die bisher von Bund und Ländern zur Verfügung gestellten Mitteln sind ein guter erster Schritt, reichen aber nicht, um die Finanzierung des laufenden Betriebs und den Ausbau des SPNV dauerhaft sicherzustellen.

Die Bundesregierung hat deshalb beschlossen, den Ländern bereits im Jahr 2022 zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommt: Die jährliche Dynamisierungsrate der Regionalisierungsmittel wird ab Jahr 2023 von 1,8 auf 3,0 Prozent erhöht. Aus Sicht des Bundes sollen die Länder ihre jährlichen Beiträge zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs in entsprechender Höhe steigern.

Einzelne Bundesländer planen bereits eine Erhöhung der eigenen Landesmittel für die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs im gleichen Verhältnis mit der Erhöhung der Regionalisierungsmittel durch den Bund. Von Seiten des schwarz-grünen Landesregierung ist dagegen bisher keine entsprechende zusätzliche Finanzierung aus Landesmitteln angekündigt worden. Offenbar plant die schwarz-grüne Landesregierung keinen einzigen Cent aus Landesmitteln für die Erhöhung der ÖPNV- und SPNV-Finanzierung im gleichen Verhältnis mit der Erhöhung der Mittel durch den Bund bereitzustellen.

Das steht im starken Widerspruch zu den getroffenen Vereinbarungen und Zielen im Koalitionsvertrag der Landesregierung. Dort heißt es: „Im gleichen Verhältnis, wie wir zusätzliche Mittel vom Bund bekommen, werden wir auch die Landesmittel für den ÖPNV erhöhen.“

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr (MUNV) berichtet selbst, nach aktuellem Stand sei davon auszugehen, dass die bisher zugesagten zusätzlichen Regionalisierungsmittel bis 2031 nur ausreichen, um lediglich das Bestandsangebot zu finanzieren aber wenig bis keinen Spielraum für Angebotsausweitungen geben. Vereinbarungen über auskömmliche Finanzierung der Angebotsausweitungen sollen im Rahmen des Ausbau- und Modernisierungspaktes im ÖPNV zwischen den Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister von Bund und Ländern getroffen werden.

Die Landesregierung muss die auskömmliche Finanzierung des SPNV und ÖPNV in Nordrhein-Westfalen für das kommende Jahr gewährleisten und sich als Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder für eine nachhaltige Finanzierung des Ausbaus von öffentlichen Nahverkehrs über das Jahr 2024 hinaus einsetzen.

II. Beschlussteil

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • eine auskömmliche Finanzierung der Bestandsverkehre im ÖPNV und SPNV im Jahr 2024 zu gewährleisten.
  • im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz eine nachhaltige Verständigung zwischen Ländern, Bund und Kommunen über die weitere Erhöhung der Mittelausstattung für den SPNV und ÖPNV herbeizuführen und dem Landtag über den Fortgang der Verhandlungen und Gespräche regelmäßig Bericht zu erstatten.
  • im gleichen Verhältnis wie das Land zusätzliche Regionalisierungsmittel vom Bund bekommt, auch die Landesmittel für den ÖPNV zu erhöhen.
  • einen jährlichen Bericht über die Verwendung der Regionalisierungsmittel vorzulegen.