Schuleingangsuntersuchungen vor der Einschulung müssen wieder zur Regel werden

I. Ausgangslage

Das Schulgesetz schreibt in § 54 für das Land Nordrhein-Westfalen sogenannte „Reihenuntersuchungen zur Einschulung“ vor. Demnach werden Kinder vor ihrer Einschulung in die erste Klasse von einer Schulärztin oder einem Schularzt, die/der durch die jeweils zuständige untere Gesundheitsbehörde bestellt wurde, untersucht. Bei der Untersuchung geht es sowohl um den allgemeinen Gesundheitszustand, als auch um die Überprüfung, ob evtl. Entwicklungsverzögerungen bzw. -hemmnisse vorliegen. Sofern therapeutische und/oder pädagogische Förderbedarfe diagnostiziert werden, gilt es zu klären, ob diese bis zur Einschulung durch geeignete Fördermaßnahmen ausgeglichen werden können. Die Beurteilung wird in der schulärztlichen Stellungnahme schriftlich zusammengefasst, welche der Schule wichtige Hinweise über die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kinder gibt.

Während der Corona-Pandemie sind Schuleingangsuntersuchungen leider massenhaft ausgeblieben (vgl. Antwort der Landesregierung Drs. 17/14842). Daraufhin hat die damalige Landesregierung die Kreise und kreisfreien Städte als untere Gesundheitsbehörden mit Erlass vom 3. Juni 2020 angewiesen, die zu Beginn des Schuljahres nicht oder unvollständig durchgeführten Eingangsuntersuchungen nach der Einschulung nachzuholen. Die Landesregierung hat seinerzeit auch angekündigt, „fachlich geeignete und organisatorisch mögliche Ansätze zu entwickeln, falls Schuleingangsuntersuchungen nicht flächendeckend durchgeführt werden“. Im Zuge der seinerzeit erhöhten personellen Anforderungen im Rahmen der Corona-Pandemie wurde den unteren Gesundheitsbehörden zuletzt mit Erlass vom 12. März 2021 die Möglichkeit der Priorisierung bei den Schuleingangsuntersuchungen eingeräumt, diese bestand auch in Bezug auf das Schuljahr 2022/2023 fort.

Im dritten Jahr nach Beginn der Pandemie sollte jedoch der Personalengpass in den Gesundheitsämtern behoben sein, zumal eine Kontaktpersonennachverfolgung praktisch nicht mehr stattfindet. Inzwischen sind Schuleingangsuntersuchungen zwar wieder an der Tagesordnung – jedoch bei weitem nicht in dem Umfang wie vor Ausbruch der Pandemie und wie es notwendig bzw. verpflichtend wäre. Der Landesregierung liegen dazu allerdings keine Daten vor (vgl. Antwort der Landesregierung Drs. 18/960). Mögliche Nachuntersuchungen würden nach Auskunft des Landes außerhalb des regelhaften Berichtswesens stattfinden. Insofern ist das tatsächliche Ausmaß unterbliebener Schuleingangsuntersuchungen in ganz Nordrhein-Westfalen nicht bekannt. Die Landesregierung hat zudem ausgeführt, dass die „beabsichtigte qualitative Weiterentwicklung der Schuleingangsuntersuchung … ein weiteres Mal hinter die sachgerecht priorisierte Aufrechterhaltung der Schuleingangsuntersuchungen unter pandemischen Bedingungen zurücktreten“ müsste.

Dass Corona noch immer als wesentliche Begründung für ausfallende Schuleingangsuntersuchungen herangezogen wird, kritisiert auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Die verpflichtende Schuleingangsuntersuchung könne als vollständige Untersuchung eines gesamten Jahrgangs nicht durch Vorsorgeuntersuchungen bei Kinder- und Jugendärzten ersetzt werden. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk1 im Mai 2022 verwies der Kinderarzt und BVKJ-Bundespressesprecher darauf, dass durch fehlende Schuleingangsuntersuchungen teilweise auch Kinder eingeschult würden, die noch nicht schulreif seien. In der Folge würde diesen Kindern eine notwendige Unterstützung gleich zu Beginn ihrer Schullaufbahn verwehrt bleiben und somit Chancen für ihre Entwicklung genommen werden.

Nach Auskunft der Stadt Köln wurden im Schuljahr 2021/2022 nur lediglich 27 Prozent der verpflichtenden Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt. Im Gesundheitsausschuss der Stadt Köln teilte diese vor kurzem auf Nachfrage mit, dass die Zahlen für das Schuljahr 2022/2023 nicht besser ausfallen. Im Gegenteil: Im Schuljahr 2022/2023 hat nur jedes vierte Kind in Köln eine Schuleingangsuntersuchung erhalten. Dies sind alarmierende Zahlen und lassen leider die Vermutung zu, dass auch in vielen anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen ähnliche Zustände vorherrschen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • gegenüber den Kreisen und kreisfreien Städten als untere Gesundheitsbehörden darauf hinzuwirken, dass Schuleingangsuntersuchungen vor der Einschulung wieder verpflichtend durchzuführen sind,
  • ebenfalls darauf hinzuwirken, dass vor Beginn des letzten Einschulungsjahrgangs 2022/23 nicht oder unvollständig durchgeführte Schuleingangsuntersuchungen nachgeholt werden,
  • die unteren Gesundheitsbehörden bei dieser Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben gezielt zu unterstützen,
  • sicherzustellen, dass zukünftig allen Kindern rechtzeitig vor Beginn ihrer Schullaufbahn eine zuverlässige Diagnostik mit evtl. sich anschließender Förderung zuteilwird sowie
  • ein Konzept für eine qualitative Weiterentwicklung der Schuleingangsuntersuchung zu entwickeln.

Henning Höne
Marcel Hafke
Angela Freimuth
Yvonne Gebauer
Prof. Dr. Andreas Pinkwart

und Fraktion