Statt Kies-Euro smartes Rohstoffmanagement für Nordrhein-Westfalen - Landesregierung muss neue schädliche Belastungen für Steuerzahler unterlassen

I. Ausgangslage 

Straßen, Brücken, Schleusen und Schienen in Nordrhein-Westfalen müssen erneuert werden, Wohnraum ist knapp und neue Wohnungen müssen gebaut und Bestandsgebäude saniert werden, auch für eine erfolgreiche Energiewende. Um allen Herausforderungen begegnen zu können, muss jetzt und in den kommenden Jahren dringend und zwingend mehr gebaut werden –im Hochbau wie im Tiefbau.

Neben anderen Faktoren sorgen Zinsanstieg und insbesondere steigende Materialkosten für explodierende Baukosten und treiben viele Projekte in die Unwirtschaftlichkeit. Insbesondere der Wohnungsbau befindet sich im freien Fall.

Die Baupreise in Nordrhein-Westfalen sind zwischen Februar 2019 und Februar 2023 um 34,1 Prozent gestiegen: Dämmarbeiten an technischen Anlagen um 60,5 Prozent, Arbeiten an Gas, Wasser- und Abwasser-Installationsanlagen um 43,8 Prozent, Estricharbeiten um 42,8 Prozent und Betonwerksteinarbeiten um 41,5 Prozent sowie Beton- und Stahlbetonarbeiten um 40,7 Prozent.

Seit dem 2. Quartal 2021 hat sich sowohl der Straßen- als auch der Brückenbau bis zum Jahresanfang um knapp 28 Prozent verteuert. Der Bau eines Wohnhauses kostet heute knapp 27 Prozent mehr als noch Mitte 2021.

In dieser Phase hält die Landesregierung an ihren Plänen fest, die Baukosten durch die Einführung einer gesonderten Abgabe auf Kies und Sand zusätzlich weiter zu verteuern.

Im Koalitionsvertrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde die Einführung einer gesonderten Abgabe auf Kies und Sand bis spätestens zum 1. Januar 2024 vereinbart.

Damit werden sich die Baukosten von einer Vielzahl dringend notwendiger Bauvorhaben in Nordrhein-Westfalen politisch induziert weiter verteuern. Diese Preissteigerung beträfe zunächst alle aus Kies und Sand weiterverarbeiteten Produkte wie Beton, Mörtel, Putz oder Asphalt, aber auch viele andere Produktionsprozesse wie die Trinkwasseraufbereitung würden verteuert.

Die Bürgerinnen und Bürger sowie die öffentliche Hand müssen als Endabnehmer die Kosten tragen. Die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum wird damit weiter ausgebremst und verteuert, ebenso wie die Sanierung von Straßen und Brücken und der Bau von Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien.

II. Handlungsbedarf

In der gegenwärtigen Lage, in der die Inflation auch die Baupreise erheblich in die Höhe treibt und eine dauerhafte Trendumkehr noch nicht absehbar ist, verbietet sich die Erhebung eines „Kies-Euros“. Durch die Einführung würde das Land Nordrhein-Westfalen einen Sonderweg einschlagen und selbst zum Preistreiber für alle Produkte, in deren Produktionsprozess Kies und Sand Verwendung finden zum Nachteil der heimischen Rohstoffindustrie.

Die Höhe einer solchen Abgabe wäre entweder in der Dimension einer Bagatellsteuer, sodass ihre Lenkungswirkung durch ebenso teure Verwaltungskosten erkauft würde, oder aber so hoch, als dass die regionale, innovative Rohstoffindustrie in ihrer Existenz bedroht wäre. Ein niedrigeres Angebot vor Ort von Sand und Kies würde zu stärkeren Importen aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland führen, deren Abbaubedingungen außerhalb unseres Einflusses liegen und deren langer Transport zusätzliche CO₂-Emissionen verursachen würde. Zudem stößt eine solche Regelung auf Landesebene auch auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Heimische Rohstoffe, wie Kies und Sand sind für den Erhalt vollständiger Wertschöpfungsketten in Nordrhein-Westfalen essentiell. Sie bilden den Grundstoff für nachgelagerte Wirtschaftsbereiche wie industrielle Anwendungen, Wohnungs- und Infrastrukturbau sowie Erneuerbare
Energien und sichern Arbeitsplätze und Wohlstand.

Die Ergebnisse der Rohstoffstudie NRW zeigen, dass für die künftige Rohstoffversorgung in NRW die Bereitstellung von Sekundärrohstoffen (werden durch Recycling gewonnen) entscheidend ist, um Primärrohstoffe (unbearbeitete Rohstoffe - abgesehen von ihrer Gewinnung) zu ersetzen. Gleichzeitig kann der zukünftig wachsende Bedarf nicht alleine durch Sekundärrohstoffe gedeckt werden, so dass Primärrohstoffe weiterhin benötigt werden. Hier ist es unabdingbar dafür Sorge zu tragen, die in Nordrhein-Westfalen dafür verfügbaren Ressourcen effizient und nachhaltig zu nutzen und nicht von vornerein vollständig auf diese zu verzichten.

Zur Deckung der Rohstoffbedarfe werden seit langem bereits aufbereitete Recyclingrohstoffe verwendet, deren Stoffkreisläufe weitgehend geschlossen sind. Ein weiterer Ausbau der Stoffkreisläufe ist durch eine zusätzliche Abgabe nicht erreichbar. Statt heimische Rohstoffe unnötig zu verteuern, muss es gemeinsames Ziel sein, die Rohstoffversorgung in Nordrhein-Westfalen bedarfsgerecht und nachhaltig auszugestalten. Für die Bauindustrie werden neue Produktnormen wie auch Positivlisten benötigt, die dem aktuellen Stand von Aufbereitungstechniken und Zusatzmitteltechnologien entsprechen, um Recycling und die Verwendung von sekundären Reststoffen zu fördern und das Vertrauen in Recyclingprodukte zu stärken. Der stärkere Einsatz von qualitätsgesicherten Sekundärrohstoffen und Recyclingbaustoffen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge muss bei der Vollzugspraxis des neuen Landes-Kreislaufwirtschaftsgesetzes konsequent umgesetzt werde, sofern ein hohes Schutzniveau für Mensch und Umwelt gewährleistet ist. Hier hat die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion. Innovationsausschreibungen im Baubereich können ebenfalls einen Beitrag dazu leisten, die Nachfrage nach Recycling-Baustoffen zu erhöhen.

III. Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • allgemein auf alle Maßnahmen zu verzichten, die potentiell preissteigernd wirken oder eine zusätzliche Belastung für den Wirtschafts- und Industriestandort Nordrhein-Westfalen bedeuten.
     
  • speziell auf die Erhebung zweckgebundener oder nicht zweckgebundener Rohstoffabgaben wie den Kies-Euro gänzlich zu verzichten.
     
  • durch geeignete Maßnahmen den schonenden Abbau auch weiterhin notwendiger Primärrohstoffe in NRW zu sichern, sofern der allgemeine Bedarf nicht ausreichend durch Recycling und Sekundärrohstoffe gedeckt werden kann.
     
  • auf den erhöhten Einsatz von qualitätsgesicherten und umweltverträglichen Sekundärrohstoffen- und Recyclingbaustoffen bei der öffentlichen Auftragsvergabe in der Vollzugspraxis konsequent hinzuwirken.
     
  • neue Produktnormen und einheitliche Standards für die Verwendung von Sekundärrohstoffen zu unterstützen.
     
  • die steuerliche Berücksichtigung von kreislauffähigen Produkten auf Bundesebene anzustoßen, um die Preisdifferenz zu linearer Produktion zu verkleinern
     
  • kreislauffähige Produkte, Anwendungen und Verfahren in Förderrichtlinien zu integrieren.
     
  • das Monitoring der Abfallströme zu überprüfen und ggf. zu erweitern bzw. zu differenzieren.
     
  • auf der Grundlage der dabei gewonnen Erkenntnisse darauf hinzuwirken, dass der Anteil an Baurohstoffen, der durch Sekundärrohstoffe gedeckt wird, weiter gesteigert wird, ohne dass es zu Einbußen bei der Qualität der Produkte und zu Wettbewerbsnachteilen der Wirtschaft führt.
     
  • die Gründung eines gemeinsamen Think Tanks für Rohstoffeffizienz mit Wissenschaft und Wirtschaft zu initiieren, der in Rohstoff- und Ressourceneffizienzfragen berät und praktische und innovative Lösungen, Konzepte und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Rohstoffen entwickelt.
     
  • darauf aufbauend eine landeseigene Rohstoffstrategie als Teil einer umfassenden Kreislaufwirtschaftsstrategie vorzulegen, die die nachhaltige Nutzung und Wiederverwertung von Ressourcen sicherstellt.