Für einen starken, aber schlanken öffentlich-rechtlichen Rundfunk – Nordrhein-Westfalen muss ein Aktivposten bei der dringenden Modernisierung und Reform der Landesrundfunkanstalten sein
I. Ausgangslage
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss einen wichtigen Beitrag leisten für eine offene, vielfältige, tolerante, gebildete und demokratisch gefestigte Gesellschaft, indem er die gesamte Bevölkerung mit sachlicher Information und umfassender Berichterstattung versorgt. Dadurch stellt er eine möglichst unabhängige und vielfältige Meinungsbildung sicher. Gerade auch in komplexen Zeiten muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk glaubhaft und breit informieren. Sein Kernauftrag muss dabei mit Angeboten für eine umfassende, seriöse und objektive Information, Bildung und Kultur gestärkt werden. Das hilft zugleich gegen eine mögliche Verunsicherung der Gesellschaft durch herausfordernde Umstände.
Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein Dauerbrennerthema. Derzeit finanzieren die Bürgerinnen und Bürger das Angebot über Rundfunkbeiträge. Das Volumen erreicht mittlerweile ein Gesamtbudget von über 8,4 Mrd. Euro, das die Unabhängigkeit und Staatsferne gewährleisten soll. Der verpflichtende Rundfunkbeitrag ist gesetzlich im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag geregelt und wird in einem mehrstufigen Verfahren unter Beteiligung aller 16 Landesparlamente festgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt im Juli 2021 entschieden, dass den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ein erhöhter Rundfunkbeitrag zusteht. Diese höchstrichterliche Verfassungsgerichtsentscheidung betont einmal mehr, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote ihre Berechtigung haben. Sie stellen die Grundversorgung der Bevölkerung mit Radio- und Fernsehprogrammen sicher.
Private Anbieter betrachten wichtige Inhalte für unsere Gesellschaft, beispielsweise im Bereich der Kultur, vorrangig unter kommerziellen Gesichtspunkten. Daher sichern sie alleine nicht die erforderliche Programmvielfalt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat deshalb den Auftrag, ein am Gemeinwohl orientiertes Programm anzubieten, das im Wettbewerb mit dem privaten Rundfunk steht. Den Bereichen Bildung, Information und Kultur kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Der öffentliche Auftrag einer sachlichen und seriösen Information ist insbesondere in Zeiten von einer verstärkten Verbreitung von „Fake News“ wichtig.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss aber auch eine Debatte nach sich ziehen, wie sich die Bundesländer und ihre Parlamente zukünftig in die Definition des Leistungsangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einbringen können. Eine kritiklose Zustimmung zu Staatsverträgen kann nicht Anspruch, Sinn und Zweck sein. Struktur und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks müssen vielmehr zukunftsfest reformiert werden.
Aber nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch in Bezug auf das Programmangebot herrscht mittlerweile erkennbar ein Spannungsfeld vor. Indem der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Angebote immer weiter ausdehnt, ist eine klare Abgrenzung zum werbefinanzierten privaten Rundfunk oft kaum mehr erkennbar. Dies gilt insbesondere im Bereich der Unterhaltung: Diverse Spielshow- oder Quizformate sind mittlerweile in Quantität und programmlicher Ausgestaltung in austauschbarer Form sowohl im privaten wie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu finden. Hinzu kommt die öffentlich-rechtliche Bereitstellung eines immensen Sportangebots, dessen Sportrechtekosten nicht nur in Zeiten einer Fußballweltmeisterschaft in Katar regelmäßig zu Diskussion führen. Ein Blick in das wöchentliche Programmangebot zeigt, dass der eigentliche Auftrag der Grundversorgung in den Bereichen Information, Bildung und Kultur eher von untergeordneter Bedeutung ist, und dass derartige Formate in der Hauptsendezeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks leider unterrepräsentiert sind. Hingegen sind auf prominenten Programmplätzen regelmäßig teure Unterhaltungssendungen, Sportübertragungen oder andere kostenintensive Produktionen auszumachen.
Die Existenz von mittlerweile 73 Hörfunkwellen und 23 TV-Programmen belegt die Expansion, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahren kontinuierlich vollzieht. Dadurch werden immer mehr Inhalte, die eigentlich ins Vollprogramm gehören, in Spartenkanäle ausgelagert. Vor allem die in den letzten Jahren praktizierte massenhafte Ausdehnung neuer Onlineangebote über das bisherige Rundfunkangebot hinaus ist auffällig. Die durch Staatsvertrag finanzierte öffentlich-rechtliche Onlinepräsenz hat einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, der ein zunehmendes Ärgernis für private Anbieter darstellt, die sich dagegen im Markt mit ihren Angeboten behaupten müssen.
Für die Kostensteigerung im öffentlich-rechtlichen Programm gibt es mehrere Ursachen: Sie resultiert aus teuren Unterhaltungsangeboten, dem Kauf hochpreisiger Sportrechte, der kontinuierlich gewachsenen Anzahl von Spartenprogrammen und zusätzlichen digitalen Angeboten sowie Kostensteigerungen beim Personal. Bei letzterem fallen insbesondere auch Pensionszusagen ins Gewicht. Gerade der Bereich der Altersversorgung wirkt sich entscheidend auf den weiteren Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Diesen deutlichen Mehraufwand bei der Altersversorgung merkt auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) schon seit längerer Zeit kritisch an. Da bislang wirksame Reformen fehlen, stehen die steigenden Aufwendungen der Altersversorgung nicht mehr für Programmzwecke zur Verfügung und wecken Interessen zur erneuten Anhebung des verpflichtend zu entrichtenden Rundfunkbeitrags.
Als Ergebnis dieser Entwicklung ist nüchtern festzustellen, dass sich Deutschland heute im Vergleich mit anderen europäischen Staaten das teuerste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem leistet. Laut Statistischem Bundesamt liegen die Kosten hierzulande jährlich je Haushalt bei 220 Euro, in Großbritannien bei 187 Euro, in Frankreich bei 138 Euro, in Italien bei 90 Euro und in Polen nur bei 54 Euro pro Haushalt. Die britische Regierung hat zu Jahresbeginn 2022 sogar angekündigt, die Gebührenfinanzierung der BBC bis 2027 abschaffen zu wollen. Und der Senat Frankreichs gab der Regierung den Auftrag, bis Ende 2024 den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich zu reformieren. Das Kabinett hat in Reaktion darauf angekündigt, den französischen Rundfunk zukünftig mit Steuergeldern statt mit einer Rundfunkgebühr finanzieren zu wollen.
Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, wenn der WDR-Intendant Tom Buhrow, der im vergangenen Jahr auch kommissarisch den ARD-Vorsitz innehatte, eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus den eigenen Reihen heraus angestoßen hat und einen Neuanfang ohne Denkverbote sowie einen neuen Gesellschaftsvertrag für die öffentlich-rechtlichen Anstalten fordert. Den Forderungen Buhrows folgend erklärt auch Nordrhein-Westfalens Medienminister Nathanael Liminski Reformbereitschaft und hat einen VierPunkte-Plan zur Reform von ARD und ZDF vorgelegt. Auch er fordert eine zügige Aufarbeitung der aktuellen Fehlentwicklungen, eine Stärkung der Aufsicht sowie eine „Zukunftsdebatte über eine Zielvision für einen gemeinnützigen Rundfunk im 21. Jahrhundert“. Es ist Zeit für eine echte und ehrliche Reform und Modernisierung, an deren Ausgestaltung sich auch der Landtag Nordrhein-Westfalen aktiv beteiligen sollte.
Eine Fokussierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags auf seine Kernaufgaben und eine klare Funktionsaufteilung im Mediensystem würde den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfest aufstellen und seine gesellschaftliche Akzeptanz erheblich erhöhen. Positiver Nebeneffekt einer Konzentration auf weniger Sender und Programme, die dann aber wieder über ein klar erkennbares Profil verfügen, ist eine Verbesserung des Markenimages. Ferner lässt sich dadurch der Rundfunkbeitrag zunächst stabilisieren und mittelfristig sogar wieder absenken. Durch ein schlankes, modernes und informatives sowie hochwertiges öffentlich-rechtliches Rundfunkangebot entsteht die notwendige Ausgewogenheit, die ein funktionierendes duales Mediensystem braucht. Im Ergebnis profitieren davon auch die Medien- und Meinungsvielfalt in unserem Land.
II. Beschlussfassung
Der Landtag Nordrhein-Westfalen stellt fest:
- Es braucht einen starken, aber moderneren und schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich primär auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung, Dokumentationen und die Angebote konzentriert, die rein kommerzielle Veranstalter in ihren Programmen nicht als Schwerpunkt haben.
- Wenn im Zentrum der journalistischen Anstrengungen die Erfüllung eines qualitativ hochwertigen Informationsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks steht, wird auch eine Stärkung des Markenkerns erreicht werden.
- Dabei ist der Grundversorgungsauftrag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso zu stärken wie die konsequente und qualifizierte Wahrnehmung der Aufsichtsfunktionen. Es bedarf einer grundlegenden Auftrags- und Strukturanpassung.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, in aktuellen und zukünftigen Verhandlungen mit den anderen Bundesländern über Medienstaatsverträge
- für eine deutliche Reduzierung der Anzahl öffentlich-rechtlicher Fernseh- und Hörfunkkanäle zu sorgen: Durch eine Fusion von ARD und ZDF entsteht beim Fernsehen vor allem ein bundesweites Vollprogramm, in dem es hinreichend Platz für landesspezifische und regionale Fenster geben sollte. Im Hörfunk können Radiowellen mit vergleichbarem Musikschwerpunkt bundesweit fusionieren. So werden redundante programmliche Parallelangebote verhindert und Kosteneinsparungen ohne Verlust an Angebotsbreite und Qualität realisiert.
- sich für eine Fusion von Anstalten einzusetzen: Das ZDF wird dafür privatisiert und seine Politik- und Kulturredaktionen in die ARD überführt. Kleine Länderanstalten wie Radio Bremen oder Saarländischer Rundfunk gehen in Mehrländeranstalten auf.
- unnötige Doppelstrukturen im Bereich der Verwaltung zu vermeiden: Zentrale Aufgaben aller Rundfunkanstalten wie Personalmanagement, Rechnungswesen, Logistik, IT, Pensionskassen, Reisemanagement, Beschaffung oder Rechtsberatung werden deutschlandweit zentral wahrgenommen (Shared Services).
- neben deutlich verbesserten internen Kontrollmöglichkeiten in den Rundfunkanstalten durch deren Gremien zukünftig auch eine unabhängige externe Aufsicht nach BBC-Vorbild einzuführen.
- bei einer strengen Konzentration der Fernseh- und Hörfunkkanäle auf die Erfüllung des Rundfunkauftrags auf das Grundprinzip zu achten, dass der Auftrag mit so wenig Sendern wie möglich zu erfüllen ist.
- für eine Fokussierung der Programmaufwendungen auf Angebote aus den Bereichen Information, Bildung und Kultur zu sorgen. Dabei ist auch die Anzahl teurer Unterhaltungssendungen und gehaltloser Spielshows zu reduzieren.
- sich für eine bundeseinheitlich transparente Definition von Gehaltsbänder für alle Festangestellten und freien Mitarbeiter einzusetzen: Intendantengehälter dürfen die höchste Besoldungsgruppe in den Landesbesoldungsordnungen nicht überschreiten. Die Gehaltsobergrenze liegt damit bei B 11.
- für die Erfüllung des Programmauftrags nicht notwendige sendereigene Einrichtungen, wie beispielsweise Chöre und Klangkörper, perspektivisch aufzulösen.
- durch all diese Maßnahmen sowohl für stärkere Akzeptanz als auch Beitragsstabilität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sorgen. Diese Konsolidierungsmaßnahmen erlauben eine kontinuierliche Reduzierung des Rundfunkbeitrags, die bis zum Jahr 2027 eine Halbierung anstreben sollte.