Tatsächliche Absichten der Landesregierung bei dem Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2022 und Bereitschaft zur Aufnahme neuer Staatsschulden – Geht es um technische Fragen der Umressortierung oder um Mehrausgaben?
Laut Koalitionsvertrag und Medienberichten plant die neue schwarz-grüne Landesregierung, zeitnah ihren ersten Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2022 vorzulegen. Eine solche Änderung am bestehenden Haushaltsplan wäre für den Fall nachvollziehbar, dass die teilweise neuen Ressortzuschnitte im zweiten Halbjahr die Bewirtschaftung von Teilmitteln in anderen Einzelplänen erforderlich machen. Eine solche Motivation wäre rein haushaltstechnisch motiviert, inhaltlich durchaus nachvollziehbar und würde der Klarheit und Einfachheit beim Mittelabruf dienen.
Ein darüber hinausgehender vermeintlicher Änderungsbedarf erschließt sich allerdings rein sachlich betrachtet nicht. Die CDU hat in ihrer Rolle als Regierungsfraktion auf Vorschlag des CDU-Finanzministers seinerzeit den aktuell gültigen Haushaltsplan mit einem Volumen von beachtlichen 87,5 Milliarden Euro als auskömmlichen Finanzrahmen für das laufende Haushaltsjahr 2022 maßgeblich mit verantwortet und in der relevanten Sitzung des Landtags am 16. Dezember 2021 auch mit Zustimmung des neuen Finanzministers verabschiedet.
Wie in den vergangenen Jahren beinhaltet die Haushaltsarchitektur auch für das laufende Haushaltsjahr 2022 in allen Einzelplänen einen hinreichenden finanziellen Spielraum. Im abgelaufenen Haushaltsjahr 2021 sind beispielsweise im Haushaltsvollzug laut vorläufigem Jahresüberschuss nicht verausgabte Restmittel in der Höhe von rund einer Milliarde Euro zu verzeichnen.
Die aktuelle gesamtwirtschaftliche Lage ist einerseits gekennzeichnet durch hohe Inflation und andererseits drohende Stagnation. In dieser Situation wäre insbesondere eine drohende Ausweitung des Haushaltsvolumens unangemessen und dürfte einem soliden Umgang mit öffentlichen Finanzen widersprechen. Unseriös wäre es in diesem Kontext insbesondere, wenn die neue schwarz-grüne Landesregierung für den kommenden Nachtragshaushalt auf das Zahlenwerk der letzten Steuerschätzung aus dem Mai 2022 abstellen würde. Denn diese Mai-Steuerschätzung bildet bekanntlich die drastischen Folgen des Kriegs in der Ukraine und der absehbaren Energieengpässe auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung und das tatsächlich zu erwartende Steueraufkommen im laufenden Jahr noch völlig unzureichend ab. Außerdem ist es völlig unklar, in welchem Umfang sich die Belastungen der Weltwirtschaft durch die andauernde Pandemie, das Kriegsgeschehen oder die in der Folge weltweiter Turbulenzen erkennbar gestörten Lieferketten noch im Jahresverlauf auf die Konjunktur und Steuereinnahmen konkret auswirken werden.
Sollte die neue schwarz-grüne Landesregierung die Mai-Steuerschätzung dennoch für den geplanten Nachtragshaushalt heranziehen, dürfte dieses im Haushaltsvollzug absehbar zu Fehlbeträgen und am Ende zu einem noch höheren Schuldenstand in Nordrhein-Westfalen führen. Dabei sollte die aktuelle und für unsere Bürger stark belastende Rekordinflation sowie die angesichts der hohen Staatsverschuldungen bei ihren Zinsentscheidungen stark handlungseingeschränkte Europäische Zentralbank (EZB) inzwischen auch dem letzten Anhänger hemmungsloser Schuldenpolitik schmerzhaft vor Augen geführt haben, dass noch mehr öffentliche Schulden keine seriöse Antwort für unser Land und die Europäische Union sein können.
In den vergangenen Jahren hat neben der FDP-Landtagsfraktion insbesondere die CDU in der Landespolitik und in früheren Landesregierungen ebenso wie der neue Finanzminister selbst auf die negativen Folgen und ökonomischen Risiken einer expansiven Haushaltspolitik regelmäßig hingewiesen.
Ich frage daher die Landesregierung:
- Aus konkret welchen einzelnen Gründen plant die neue Landesregierung offenbar einen Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr 2022?
- In welchem Umfang beabsichtigt die schwarz-grüne Landesregierung im Rahmen des angekündigten Nachtragshaushalts die nachträgliche Erhöhung oder Absenkung des Gesamthaushaltsvolumens für das laufende Haushaltsjahr 2022?
- Wie bewertet die neue Landesregierung im einzelnen die vielfach von Expertenseite geäußerte Befürchtung, dass die letzte Steuerschätzung aus dem Mai 2022 aus den zuvor genannten Gründen keine verlässliche Prognose für die Ist-Einnahmen im Jahr 2022 bietet?
- Ist die neue Landesregierung bereit, zur Erreichung ihrer ausgabenwirksamen Ziele im Koalitionsvertrag zusätzliche neue Schulden in der 18. Wahlperiode für den Kernhaushalt oder über Schattenhaushalte (wie beispielsweise für sogenannte Sondervermögen oder über die NRW.BANK) aufzunehmen?
- Welchen Zeitplan schlägt die Landesregierung dem Landtag für die einzelnen Etappen der parlamentarischen Beratung zum Nachtragshaushalt vor, um die ihrerseits damit verbundenen Zielsetzungen zu erreichen?
Ralf Witzel