Überregulierung durch HU-Jahreszwang ausbremsen – keine Symbolpolitik auf dem Rücken der Autofahrer

I.          Ausgangslage  

Die Europäische Kommission hat am 24. April 2025 einen Vorschlag zur Überarbeitung der seit 2014 geltenden EU-Richtlinie 2014/45/EU über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern veröffentlicht. Der Vorschlag zielt laut Kommission darauf ab, die Verkehrssicherheit auf europäischen Straßen zu erhöhen, die Luftqualität zu verbessern und Fahrzeugdokumente zu digitalisieren. Im Rahmen der europäischen „Vision Null Straßenverkehrstote“ soll die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten im Straßenverkehr bis 2030 um die Hälfte reduziert werden und sich zum Jahr 2050 an Null annähern. Die Kommission plant daher, die Prüfungsvorschriften für private und kommerzielle Fahrzeuge zu modernisieren und zu verschärfen.  

Konkret schlägt die Kommission in diesem Zuge vor, eine verpflichtende jährliche Fahrzeuguntersuchung, in Deutschland als Hauptuntersuchung (HU) oder „TÜV-Prüfung“ bekannt, für alle PKW und leichten Nutzfahrzeuge einzuführen, die älter als zehn Jahre sind.

Betroffen wären von einer HU-Jahrespflicht nach Zahlen des Kraftfahrbundesamtes knapp die Hälfte der gut 49 Millionen Pkw in der Fahrzeugflotte, konkret gibt es also mehr als 23,4 Millionen deutsche Pkw, die älter als zehn Jahre sind. Damit müssten im Durchschnitt jährlich 11,7 Millionen zusätzliche Prüfungen durchgeführt werden. Eine vergleichbare Regelung jährlicher Pflichtuntersuchungen älterer Autos gibt es aktuell bereits in 16 der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Der Vorschlag wird nun im weiteren Verfahren durch das Europäische Parlament und die Vertreter der Mitgliedsländer im europäischen Rat beraten.  

II.     Handlungsnotwendigkeiten

Das Ziel der europäischen Kommission, die Verkehrssicherheit in Europa zu erhöhen und Fahrzeugdokumente sowie Prüfregularien stärker zu digitalisieren, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Der Vorschlag eines HU-Jahreszwanges für ältere Fahrzeuge ist jedoch ein Paradebeispiel für europäische Überregulierung. Mehr Prüfungen bringen nicht automatisch mehr Sicherheit, es besteht keinerlei Evidenz für tatsächliche Sicherheitsgewinne. Derartige Symbolpolitik auf dem Rücken der ohnehin schon stark belasteten Fahrzeughalter ist entschieden abzulehnen. 

Der Vorschlag der Kommission würde einen extremen bürokratischen und finanziellen Mehraufwand für die Fahrzeughalter bedeuten. Neben dem Termindruck, jährlich pro Pkw eine Untersuchung einplanen zu müssen, entsteht den deutschen Fahrzeughaltern bei aktuell 161 Euro Prüfgebühren für HU & Abgasuntersuchung (AU) so ein finanzieller Mehraufwand von etwa 1,88 Milliarden Euro. Zusätzlich sind auch indirekte Effekte, wie etwa höhere Gebrauchtwagenpreise zu erwarten. Dieser Mehraufwand würde zudem überproportional einkommensschwächere Haushalte treffen, die sich neuere Fahrzeuge nicht leisten können, sowie die Menschen in ländlichen Regionen, die nach wie vor keine adäquate Mobilitätsalternative zum Auto haben.  

Die deutschen Prüfstandards gehen schon heute teilweise über die EU-Vorgaben hinaus, kürzere Intervalle versprechen keine signifikante Verbesserung der Verkehrssicherheit. Zu diesem Schluss kommt auch der ADAC und führt eine Studie der Unfallforschung der TU Dresden an: „Eine Verkürzung der HU-Fristen auf ein Jahr hat keinen messbaren Einfluss auf die Verkehrssicherheit“. Solange es keinerlei Evidenz für tatsächliche Sicherheitsgewinne gibt, sind die zusätzlichen Belastungen in keiner Weise zu rechtfertigen.   

Der Vorschlag der Kommission erfährt auch vonseiten der Kfz-Werkstätten, die wirtschaftlich durchaus von häufigeren Prüfungen profitieren würden, eine klare Absage. Detlef Peter Grün, Vizepräsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, erläuterte dazu in einer Pressemitteilung am 25.04.2025: „Nicht die Frequenz der Hauptuntersuchungen ist entscheidend, sondern ihre fachliche und technische Güte.“ Auch die in Deutschland übliche jährliche Inspektion durch Fachwerkstätten im Rahmen der eigenverantwortlichen Fahrzeugwartung sei ein „wesentlicher Hebel zur Aufrechterhaltung der Betriebs- und Verkehrssicherheit“.

Darüber hinaus lässt sich eine Verschärfung der Prüfintervalle auch statistisch nicht begründen. Die European Automobile Manufacturers Association (ACEA) berichtete kürzlich in einer Studie, dass nur 0,7 Prozent der Verkehrsunfälle auf technische Defekte zurückzuführen sind. Die absolute Mehrheit der Unfälle entsteht durch menschliches Versagen oder externe Faktoren wie den Straßenzustand. Unter den technischen Defekten selbst sind Mängel an Reifen und Beleuchtungsanlagen in 75 Prozent der Fälle die Unfallursache. Derartige Defekte treten oft sehr plötzlich auf und sind so auch durch einjährige Prüfintervalle nur schwer zu entdecken, bevor es zu einem Unfall kommt. Allerdings können sie auch durch entsprechend sensibilisierte Laien frühzeitig entdeckt werden.

Dass sich die Zahl, der durch technische Defekte bedingten Verkehrsunfälle auch ohne HU-Jahreszwang rückläufig entwickelt, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Bei der Verhandlung zu der aktuell gültigen Richtlinie 2014/45/EU brachte die Kommission im Jahr 2012 schon einmal eine jährliche Untersuchung für Fahrzeuge ins Spiel, scheiterte aber letztendlich mit diesem Vorschlag. Damals betrug der Anteil der technischen Defekte an den Unfallursachen noch 6 Prozent. Professionelle Prüfverfahren, Innovationen in der Verkehrssicherheit und sicherheitsbewusste Halter haben diesen Anteil nun auf 0,7 Prozent absinken lassen.  

III.          Beschlussfassung  

Der Landtag stellt fest:  

  • Eine verpflichtende jährliche Hauptuntersuchung älterer Fahrzeuge stellt eine unzumutbare Überregulierung und Mehrbelastung der Fahrzeughalter dar. 
  • Verpflichtende jährliche Hauptuntersuchungen bringen nicht automatisch mehr Sicherheit. Ohne klare Evidenz für tatsächliche Sicherheitsgewinne ist die zu erwartende Mehrbelastung nicht zu rechtfertigen. 
  • Die historische Entwicklung zeigt, dass der Anteil, der durch technische Defekte bedingten Unfälle auch ohne zusätzliche Regulierung stetig abnimmt. 

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,  

  • sich auf Bundesebene und europäischer Ebene klar gegen die Einführung einer verpflichtenden jährlichen Hauptuntersuchung im Rahmen der Novelle der Richtlinie 2014/45/EU auszusprechen,
  • die rückläufige Entwicklung der durch technische Effekte bedingten Unfälle durch geeignete, unbürokratische Maßnahmen, wie eine stärkere Sensibilisierung für Reifen- und Beleuchtungsdefekte im Zuge der Fahrausbildung zu unterstützen,
  • weitere Maßnahmen, wie digitale Verkehrsleitsysteme, zu prüfen, um die durch menschliches Versagen und externe Faktoren verursachten Verkehrsunfälle weiter zu reduzieren.