Unternehmensbesteuerung in Deutschland modernisieren und international wettbewerbsfähig aufstellen!

I.  Ausgangslage

Die nordrhein-westfälische Wirtschaft sieht sich in den kommenden Jahren mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Der Transformationsdruck hin zur Klimaneutralität und zu neuen digitalen Geschäftsmodellen trifft auf massiv steigende Energiepreise, akuten Fachkräftemangel und hohe Bürokratie- und Steuerbelastungen. Das schränkt die Adaptions- und Anpassungsfähigkeiten insbesondere von energieintensiven Industrieunternehmen erheblich ein.  

In Nordrhein-Westfalen existieren mehr als 1,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in der Industrie. Das entspricht rund 20 Prozent der Beschäftigten in unserem Land. Zuzüglich der industrieorientierten Dienstleistungen steht die Industrie für 40 Prozent der nordrhein-westfälischen Wertschöpfung. Zudem beheimatet Nordrhein-Westfalen bundesweit etwa ein Drittel aller energieintensiven Unternehmen (gemessen an der Zahl der Arbeitsplätze).  

Die Industrie in Nordrhein-Westfalen steht mit einer Exportquote von mehr als 44 Prozent besonders im internationalen Wettbewerb und muss konkurrenzfähig bleiben, um hierzulande Wertschöpfung und Arbeitsplätze erhalten zu können. Neben hohen Energiekosten stellen insbesondere die hohen steuerlichen Belastungen für Unternehmen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen im internationalen Vergleich einen beträchtlichen Wettbewerbsnachteil dar.  

Die steuerliche Gesamtbelastung der Unternehmen liegt in Deutschland bei durchschnittlich 31,3 Prozent und in Ballungsgebieten mit regelmäßig höheren Gewerbesteuerhebesätzen, wie sehr häufig in Nordrhein-Westfalen anzutreffen, sogar noch höher. Die Unternehmen entrichten einen wesentlichen Teil ihrer globalen Ertragsteuern in Deutschland. Der in Deutschland erzielte Umsatz liegt im Durchschnitt lediglich bei rund 17 Prozent des weltweiten Konzernumsatzes; der in Deutschland gezahlte Anteil an Ertragsteuern ist im Verhältnis zu den weltweiten Ertragsteuern hingegen mit rund 46 Prozent fast dreimal so hoch. Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Steuersätzen für Unternehmen. In Kombination mit den stark gestiegenen Energiepreisen, überbordender Bürokratie und großen Transformationsherausforderungen wird Deutschland und insbesondere Nordrhein-Westfalen als Industriestandort zunehmend unattraktiv.  

In der Folge verlagern Industrieunternehmen in Nordrhein-Westfalen ihre Produktion und Wertschöpfung ins Ausland. Die Bayer AG hat unlängst 100 Millionen Euro in ein neues Biotech-Zentrum in Boston investiert. Evonik wendete unlängst 50 Millionen Euro für einen neuen Innovationhub in Pennsylvania auf. RWE hat mit dem Kauf der Tochter von Con Edison sein Erneuerbare Energien-Geschäft in den USA verdoppelt und in diesem Zusammenhang insgesamt 6,8 Milliarden Euro investiert. Die Zukunft der Industrie wird zunehmend nicht mehr in Nordrhein-Westfalen verwirklicht, sondern beispielsweise in den USA. Dort setzt die US-Regierung durch den Inflation Reduction Act (IRA) mit Hilfe von steuerlichen Vergünstigungen und Subventionen massive Investitionsanreize für Unternehmen im Bereich klimafreundlicher Technologien, wenn diese dorthin ihre Produktion verlagern.

Gleichzeitig ist auf europäischer Ebene die Klimaschutzgesetzgebung weiter verschärft und deutlich ambitionierter ausgestaltet worden. Die immer strenger werdenden europäischen Vorgaben für eine klimafreundlichere Produktionsweise und Beschaffung können sich für die Industrieunternehmen zu einem internationalen Wettbewerbsnachteil entwickeln. Das kann Produktionsverlagerungen ins Ausland zur Folge haben, wo niedrigere oder gar keine CO2-Preise gelten. Damit innovativer Klimaschutz zu einem Wettbewerbsvorteil und erfolgreichem Geschäftsmodell wird, ist ein effektiver Carbon-Leakage-Schutz vonnöten.

Die wachsende Unattraktivität Deutschlands und Nordrhein-Westfalens als Industrie- und Investitionsstandort muss ein Weckruf sein, um die in die Jahre gekommene Unternehmensbesteuerung in Deutschland zu modernisieren und international wettbewerbsfähig aufzustellen, um Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland und Nordrhein-Westfalen zu sichern.

Die globale effektive Mindestbesteuerung muss in Deutschland möglichst bürokratiearm umgesetzt werden, damit Steuerdumping verhindert und wirtschaftlicher Wettbewerb zu faireren Bedingungen stattfindet. Die effektive und die nominale Steuerbelastung für Unternehmen sollte im Laufe der kommenden Jahre reduziert werden. Dies könnte durch eine generelle Reduzierung des Tarifs bei der Einkommens- und Körperschaftsteuer oder durch den Wegfall des Solidaritätszuschlags erreicht werden.

Die finanziellen Unabwägbarkeiten und wettbewerbshinderlichen Anreize, die mit der Gewerbesteuer verbunden sind, sollten zudem Anlass sein, Sinn und Zweck der Gewerbesteuer grundsätzlich zu überdenken. Langfristig sollte die Gewerbesteuer durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und die auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer ersetzt werden.

Eine erneute Einführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter sollte erfolgen, sobald sich die Lieferengpässe und Materialknappheiten in der Wirtschaft normalisiert haben. Die auf Bundesebene vereinbarte Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter („Super-AfA“), sollte dafür ebenso zügig umgesetzt werden. Die steuerliche Forschungsförderung sollte zudem auf Sachkosten, die Ansparabschreibung für kleine und mittelständische Unternehmen erweitert werden.

Ministerpräsident Hendrik Wüst hat sich am 10. Januar 2022 öffentlich beim Neujahrsempfang der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer in Duisburg prominent und offensiv für eine Reform der Unternehmensteuern ausgesprochen. Die Landesregierung sollte diesen Impuls aufnehmen, um sich auf Bundesebene initiativ und nachdrücklich für eine solche Reform einzusetzen. Die Maßnahmen können effektiv dazu beitragen den Industrie- und Investitionsstandort Deutschland nicht nur wieder wettbewerbsfähig, sondern auch zukunftsfähig für die digitale und klimaneutrale Transformation auszurichten. Wir wollen, dass die Industrie der Zukunft in Nordrhein-Westfalen entsteht.

II.  Beschlussteil

Der Landtag stellt fest:

  • Unser exportabhängiger Industriestandort ist durch neue EU-Regeln und die Investitionsanreize in den USA herausgefordert.
  • Bei den Unternehmensteuern ist eine Menge zu tun: Entrümpeln, erneuern und entlasten.
  • Attraktive Abschreibungsmodalitäten sind das Mittel der Wahl, um insbesondere im Wettbewerb mit den USA Investitionen auszulösen.
  • Industrie und Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen brauchen einen effektiven Carbon-Leakage-Schutz und Innovations- und Investitionsanreize.  
  • Auch in der Zukunft müssen produktive und wettbewerbsfähige Industrieanlagen in Nordrhein-Westfalen betrieben werden können und entstehen.  

Der Landtag beauftragt die Landesregierung – aufbauend auf den Vorschlägen des Ministerpräsidenten Hendrik Wüst –, mit einer Bundesratsinitiative eine Reform der Unternehmensteuern anzustoßen, die die Unternehmensbesteuerung in Deutschland wesentlich vereinfacht und die Unternehmen effektiv entlastet. Die Initiative hat dabei folgende Maßgaben und Maßnahmen zu enthalten: 

  • Die globale effektive Mindestbesteuerung in Deutschland muss möglichst bürokratiearm umgesetzt werden.
  • Die effektive und die nominale Steuerbelastung für Unternehmen muss im Laufe der kommenden Jahre reduziert werden. Dies könnte durch eine  generelle Reduzierung des Tarifs bei der Einkommens- und Körperschaftsteuer und den Entfall des sog. Solidaritätszuschlags erreicht werden.
  • Die Gewerbesteuer soll durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und die auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer ersetzt werden. 
  • Erneut sollte die Einführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter erfolgen, sobald sich die Lieferengpässe und Materialknappheiten in der Wirtschaft normalisiert haben.  
  • Die steuerliche Forschungsförderung auf Sachkosten und die Ansparabschreibung für kleine und mittelständische Unternehmen müssen erweitert werden. 
  • Auf europäischer und internationaler Ebene muss für einen effektiven und wirksamen Carbon- und Investment-Leakage-Schutz  gesorgt werden der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und Industrie sicherstellt.