Unterstützung für ungewollt kinderlose Paare in Nordrhein-Westfalen – Landeseigene Förderung von Kinderwunschbehandlungen sichern

I. Ausgangslage

Kinderwunschbehandlungen sind für viele Paare mit ungewollter Kinderlosigkeit von zentraler Bedeutung. Schätzungen zufolge sind in Deutschland rund sechs Millionen Frauen und Männer im Alter von 25 bis 59 Jahren betroffen. Für diese Menschen ist der unerfüllte Kinderwunsch nicht nur eine emotionale Belastung, sondern auch eine existenzielle Frage.

Die moderne Medizin bietet ihnen durch entsprechende Verfahren eine Chance, ihren Kinderwunsch zu realisieren. Doch diese Behandlungen sind oft teuer und ohne finanzielle Unterstützung für viele kaum zugänglich. Daher ist die Förderung von Kinderwunschbehandlungen von gesellschaftlicher Bedeutung, um Familiengründungen zu ermöglichen und eine stabile Bevölkerungsentwicklung zu unterstützen.

Die emotionale Belastung, die ungewollte Kinderlosigkeit mit sich bringt, kann für die Betroffenen erheblich sein. Gefühle wie Trauer, Frustration und Schuldgefühle sind in dieser Zeit nicht selten und viele Paare erleben intensive emotionale Krisen. Diese Belastungen können auch zu Partnerschaftskonflikten und sozialen Rückzügen führen. Die Unsicherheit darüber, ob der Kinderwunsch jemals erfüllt wird, verstärkt die emotionale Notlage zusätzlich. Daher ist es umso wichtiger, dass Kinderwunschbehandlungen durch Förderung unterstützt werden, um Paaren in dieser schwierigen Phase nicht zusätzlich finanzielle Steine in den Weg zu legen und ihnen die Chance auf eine erfüllte Familienplanung zu ermöglichen.

Erfolgreiche Förderung sichern

Eine Unterstützung, wie sie von der damaligen Landesregierung von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde, spielt daher eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Paaren. Seit 2019 unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen ungewollt kinderlose Paare durch eine Beteiligung an der Bundesförderung für Maßnahmen der assistierten Reproduktion. Dabei werden bis zu vier Behandlungszyklen einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) gefördert. Nach Abzug der Krankenkassenleistungen erhalten heterosexuelle Ehepaare für die ersten vier Versuche eine Erstattung von bis zu 50 Prozent des Eigenanteils. Heterosexuelle Paare in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft werden bei den ersten drei Versuchen mit bis zu 25 Prozent und beim vierten Versuch mit bis zu 50 Prozent unterstützt. Die Förderung erfolgt paritätisch durch den Bund und das Land Nordrhein-Westfalen und basiert auf der „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion durch das Land Nordrhein-Westfalen (Assistierte-Reproduktions-Richtlinie)“.

Im Mai 2024 hat die schwarz-grüne Landesregierung das laufende Förderprogramm für die medizinischen Kinderwunschbehandlungen ausgesetzt.4 Grund hierfür war, dass die Landesregierung durch eine Entscheidung der grünen Bundesfamilienministerin Lisa Paus scheinbar überrascht wurde. So hat das zuständige Bundesfamilienministerium die Fördermittel für das Jahr 2024 auf 70 Prozent der ursprünglichen Summe gekürzt und zudem angekündigt, die
Zuschüsse für 2025 nochmals deutlich abzusenken.5 Das Antragsportal wurde bereits im Dezember 2023 geschlossen, und rund 1.500 Paaren wurde bereits mitgeteilt, dass ihre Anträge vorerst nicht bearbeitet werden können.6 Nach wie vor findet sich auf der entsprechenden Website des Landesfamilienministeriums kein Hinweis darauf, dass die Förderung nicht länger besteht (Stand: 01.09.2024).7 Von der Landesregierung hätte erwartet werden können, dass in dieser sensiblen Angelegenheit proaktiv informiert würde und dass zu einem Fortbestehen der Förderung zum Beispiel Fördersätze angepasst werden. Aber dies ist nicht geschehen. Die Aussetzung der Förderung bedroht nun die Chancen auf Elternschaft für viele Menschen, die auf diese medizinische Unterstützung angewiesen sind. Ein Kinderwunsch darf nicht am Geld scheitern.

Es ist absolut nicht hinzunehmen, dass die finanzielle Unterstützung von ungewollt kinderlosen Paaren bei Kinderwunschbehandlungen davon abhängig ist, ob und in welcher Höhe der Bund sich an der Förderung beteiligt. Wenn die grüne Bundesfamilienministerin beschließt, die Mittel zu kürzen, darf dies nicht automatisch bedeuten, dass auch die grüne Landesfamilienministerin in Nordrhein-Westfalen nachzieht und die Förderung einstellt. Die betroffenen Paare, ohnehin mit emotionalen und finanziellen Belastungen kämpfen, dürfen nicht zusätzlich durch politische Entscheidungen verunsichert werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat gemeinsam mit dem Bund durch die Bereitstellung von Fördermitteln erheblich dazu beigetragen, dass Paare mit unerfülltem Kinderwunsch Hilfe erhalten. Diese Unterstützung darf nun nicht aufgrund von Bundesentscheidungen gefährdet werden.

Landeshaushalt 2025 als klares Signal an ungewollt kinderlose Paare

Ein klares Signal im Landeshaushalt 2025 ist daher dringend notwendig. Es muss sichergestellt werden, dass ausreichende Mittel für die Förderung der Kinderwunschbehandlungen bereitgestellt werden, unabhängig von der Beteiligung des Bundes. Mit Einführung des Programms 2019 stellte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung bis zu 5,5 Millionen Euro zur Verfügung. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass im Haushaltsentwurf für 2025 bisher keine neuen Mittel eingeplant sind, sondern lediglich Mittel aus den Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 4,5 Millionen Euro für 2025 respektive 300.000 Euro für 2026 angedacht sind.8 Diese unsichere Haushaltslage trifft vor allem die betroffenen Paare hart, die nun im Unklaren darüber sind, ob sie überhaupt noch auf finanzielle Unterstützung hoffen können. Nordrhein-Westfalen sollte seine Verantwortung ernst nehmen und einen verlässlichen Rahmen schaffen, der den Betroffenen weiterhin die notwendige Unterstützung garantiert.

Seit Beginn des Förderprogramms wurden von 2019 bis 2023 insgesamt 28.443 Anträge auf finanzielle Unterstützung gestellt, von denen etwa 95 Prozent bewilligt wurden. Die Nachfrage ist also ungebrochen hoch und die Notwendigkeit für eine nachhaltige Förderung offensichtlich. Die Unsicherheit in der Haushaltsplanung belastet nicht nur die Verwaltung, sondern gefährdet die gesamte Förderstruktur und damit die Selbstbestimmung der Familienplanung in Nordrhein-Westfalen.

Nordrhein-Westfalen darf sich dieser Verantwortung nicht entziehen. Es braucht dringend eine klare Positionierung und die Zusicherung, dass die Mittel für Kinderwunschbehandlungen auch weiterhin verlässlich zur Verfügung stehen. Denn ungewollte Kinderlosigkeit ist nicht nur ein individuelles Schicksal, sondern betrifft viele Paare und ist von gesellschaftlicher Relevanz. Die Förderung der Kinderwunschbehandlungen muss weiterhin ein fester Bestandteil der Familienpolitik des Landes bleiben. Dies bedeutet eine landeseigene Förderung aufzustellen, die unabhängig von den Entscheidungen des Bundes ist.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Ungewollte Kinderlosigkeit ist kein marginales Thema, sondern betrifft viele und ist existenziell – sowohl für die betroffenen Frauen und Männer beziehungsweise Partnerschaften als auch gesellschaftlich für eine stabile Bevölkerungsentwicklung.
  • Kinderwunschbehandlungen sind für ungewollt Kinderlose daher von zentraler Bedeutung.
  • Ein Kinderwunsch in Nordrhein-Westfalen darf nicht am Landesfinanzminister und der Landesfamilienministerin scheitern.
  • Eine Förderung von Kinderwunschbehandlungen in Nordrhein-Westfalen darf nicht in Abhängigkeit von finanziellen Mittel von Seiten des Bundes stehen.
  • Bei dem sensiblen Thema der Förderung von Kinderwunschbehandlungen braucht es transparente und aktuelle Informationsquellen für Interessierte.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • eine landeseigene Förderung von Kinderwunschbehandlungen unabhängig von einer finanziellen Beteiligung des Bundes zu sichern und zu etablieren,
  • sicherzustellen, dass im Nachtragshaushalt 2025 ein Ansatz, möglichst orientiert an der Fördersumme der vergangenen Jahre von Land und Bund in Höhe von 4,5 Millionen Euro, veranschlagt wird und falls nötig die Fördersätze angepasst werden.
  • eine Härtefallregelung für antragsstellende Paare einzurichten, die vor der Verabschiedung des Haushalts 2025 Altersgrenzen erreichen und so Gefahr laufen, keine Förderung mehr zu erhalten.
  • zudem bei der landesseitigen Förderung zu prüfen,

o inwiefern bestehende Altersgrenzen (bei Frauen vom 25. bis zum 40. Lebensjahr) der Lebenswirklichkeit in Nordrhein-Westfalen entsprechen und gegebenenfalls angepasst werden sollten und
o wie zukünftig die gewünschte Elternschaft von lesbischen Paaren berücksichtigt werden kann.