Für eine verbindliche Migrationspolitik: Legale Einwanderung stärken – Rückführungsoffensive für Personen ohne Aufenthaltsberechtigung unterstützen.
I. Ausgangslage
Nordrhein-Westfalen ist ein Einwanderungsland. Einwanderung darf aber nicht ungeordnet erfolgen. Vielmehr benötigt sie den Rahmen einer vorausschauenden, aktiv steuernden und verbindlichen Migrationspolitik. Dazu zählen Wege der legalen Einwanderung für Arbeitskräfte aus dem Ausland, die humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Schutzsuchenden, aber auch eine Begrenzung irregulärer Migration und die Rückführung von Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung und insbesondere von Straftätern und Gefährdern. Reguläre Migration zu ermöglichen und irreguläre Migration zu reduzieren sind zwei Seiten einer Medaille. Menschen, die keinen Schutz brauchen, suchen teilweise den irregulären Weg über das Asylsystem nach Deutschland, auch weil legale Einwanderungswege nach Deutschland fehlen bzw. zu kompliziert sind. Wer illegale Einwanderung bekämpfen will, muss auch legale Einwanderungswege schaffen.
Die Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen bereits auf den Weg gebracht bzw. vorgesehen, um Wege der legalen Einwanderung zu stärken. Dazu zählen der Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht, die Entfristung und Erweiterung der Westbalkan-Regelung, die Ausweitung der Blue Card auf nicht-akademische Berufe und die Einführung einer Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems, um Arbeitskräften zur Jobsuche den gesteuerten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Gerade die Westbalkan-Regelung hat gezeigt, dass irreguläre Migration drastisch reduziert werden kann, wenn Menschen die Möglichkeit haben, legal als Arbeitskraft mit einem Arbeitsplatzangebot nach Deutschland zu kommen.
Aktuell stehen Deutschland und Nordrhein-Westfalen aber vor besonderen Herausforderungen. Der Ukraine-Krieg hat zur größten innereuropäischen Flüchtlingsbewegung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geführt. Nordrhein-Westfalen hat dabei über 215.000 Menschen aufgenommen. Daneben steigen aber auch die Zahlen der Asylsuchenden aus anderen Ländern weiter an, da die Migrationsbewegungen auf der Balkan- und Mittelmeer-Route wieder zugenommen haben. Überwiegend handelt es sich dabei um Geflüchtete aus Syrien, Irak oder Afghanistan, die insbesondere aufgrund der innenpolitischen Situation in der Türkei versuchen, in die Europäische Union weiterzureisen.
Es ist aber auch zu beobachten, dass viele Geflüchtete die visafreie Einreise nach Serbien nutzen, um von dort aus den Weg in den Schengenraum zu suchen. Das betrifft z. B. Personen aus Tunesien, Ägypten und Indien. Serbien hat sich durch diese Visapolitik zu einer Drehscheibe für irreguläre Migration entwickelt. Das darf so nicht länger hingenommen werden. Zwar hat Serbien inzwischen auf Druck der Europäischen Union angekündigt, strengere Regeln bei der Visavergabe einzuführen und Abkommen zur Visafreiheit mit einigen Staaten aufzukündigen. Serbien muss aber seine grundsätzliche Visapolitik an die Europäische Union anpassen, wenn es ein Beitrittskandidat bleiben will. Dazu zählt insbesondere die Übernahme der EU-Liste der visumspflichtigen Drittstaaten. Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien sollten bis zu einer entsprechenden Anpassung der serbischen Visapolitik eingefroren werden.
Zudem müssen Asylverfahren und Asylklageverfahren dringend beschleunigt werden. Lange Verfahren in Behörden und vor Gerichten dürfen nicht dazu führen, dass Menschen ohne Bleibeperspektive ihren Aufenthalt in Deutschland verfestigen. Es gilt im Interesse aller Beteiligten schnell Klarheit zu schaffen, wer bei uns bleiben darf und wer Deutschland wieder verlassen muss.
Die aktuellen Fluchtbewegungen führen insgesamt zu akuten Engpässen bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten in den Kommunen. Angesichts dieser Lage sollten umgehend auch die Anstrengungen zur Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsberechtigung intensiviert werden. Im Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP auf Bundesebene wurde vereinbart, eine Rückführungsoffensive zu starten, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Eine konsequente Rückführung ist dabei im Interesse der Akzeptanz einer humanitären Migrationspolitik. Diese Intention gilt es jetzt umzusetzen.
Das Land Nordrhein-Westfalen kann den Bund dabei aus eigener Kraft unterstützen. Die Zentralen Ausländerbehörden (ZAB) übernehmen im Rahmen der Rückführung Ausreisepflichtiger als fachlich und personell besonders qualifizierte Behörde wesentliche Aufgaben bei der Unterstützung der kommunalen Ausländerbehörden. Deshalb ist der von der Vorgängerregierung begonnene Ausbau der ZAB dringend fortzusetzen. Die Erstattung des Landes für die ZAB wurde im Haushalt 2022 auf 46,962 Millionen Euro erhöht. Für eine erfolgreiche Rückführungsoffensive ist eine weitere Aufstockung angezeigt.
Im Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht sind zur besseren Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten praktikablere Regelungen zur Abschiebungshaft von Straftätern in § 62 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz vorgesehen. Diese muss das Land Nordrhein-Westfalen ebenfalls konsequent nutzen. Auch die freiwillige Ausreise muss gestärkt werden: Die staatliche Rückkehrförderung für Menschen ohne Bleiberecht muss finanziell besser ausgestattet werden und die staatliche und unabhängige Rückkehrberatung systematisiert und gestärkt werden.
II. Beschlussfassung
Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
- Initiativen des Bundes zur Stärkung legaler Wege der Einwanderung wie den Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht und eine Entfristung und Erweiterung der Westbalkan-Regelung zu unterstützen und diesen Initiativen im Bundesrat zuzustimmen,
- sich auf Bundesebene für eine zeitnahe Umsetzung der vorgesehenen Rückführungsoffensive einzusetzen,
- diese Rückführungsoffensive mit konkreten Maßnahmen des Landes wie einem weiteren Ausbau der Zentralen Ausländerbehörden zu unterstützen und die Haushaltsmittel für die Zentralen Ausländerbehörden weiter zu erhöhen,
- die im Gesetzentwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht vorgesehenen Regelungen zur Abschiebungshaft von Straftätern nach deren Einführung konsequent zu nutzen sowie
- die Rückkehrförderung für Menschen ohne Bleiberecht und die Rückkehrberatung auszubauen und entsprechende Haushaltsmittel zu erhöhen.
Henning Höne
Marcel Hafke
Marc Lürbke
und Fraktion