Gesetzentwurf der Fraktion der FDP: Siebtes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG)

A. Problem

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. November 2024 (1 BvR 1726/23) die Tübinger Verpackungssteuersatzung für verfassungsgemäß befunden hat, beschäftigen sich nun auch zahlreiche nordrhein-westfälische Kommunen mit der Frage der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer. Beispielsweise haben bereits die Räte der Städte Köln und Bonn jeweils ihre Verwaltungen beauftragt, entsprechende Satzungsentwürfe vorzulegen, der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Velbert hat die Einführung einer Verpackungssteuer zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnt.

Befürworter einer Einführung der Verpackungssteuer argumentieren insbesondere, dass diese einen Beitrag zur Vermeidung der globalen Umweltverschmutzung aufgrund von Einwegverpackungen leisten könne. Die tatsächliche Wirkung einer solchen kommunalen Steuer hält sich jedoch in Grenzen: Eine wissenschaftliche Studie zur kommunalen Verpackungssteuer am Beispiel der Stadt Tübingen zeigt, dass keine signifikante Reduzierung des Verpackungsmülls seit Einführung der Verpackungssteuer erreicht wurde. Die beabsichtigte Lenkungswirkung bleibt aus, während gleichzeitig erhebliche bürokratische und wirtschaftliche Belastungen entstehen. Insbesondere kleine und mittlere Betriebe im Lebensmittelhandwerk, in der Gastronomie oder im Einzelhandel sehen sich durch die Steuer mit zusätzlichem Aufwand und höheren Kosten konfrontiert. Hinzu kommt, dass in jeder Kommune unterschiedliche Regelungen zur Verpackungssteuer gelten können, was zu einem Flickenteppich von Vorschriften führt und regional tätige Unternehmen stark benachteiligt.

In einem gemeinsamen Positionspapier weisen der Bund der Steuerzahler, DEHOGA NRW, Handelsverband NRW, Handwerk NRW, IHK NRW sowie Unternehmer NRW ebenso auf die bürokratischen und wirtschaftlichen Aspekte der kommunalen Verpackungssteuer hin, welche sich sowohl auf das Handwerk als auch auf das Unternehmertum negativ auswirken. Auch für die Kommunen selbst bringt die Steuer keine effiziente Lösung: Der Verwaltungsaufwand ist hoch, Personalressourcen werden gebunden, und die Gefahr von Steuerhinterziehung steigt, da eine konsequente Kontrolle kaum leistbar ist. Darüber hinaus überschneidet sich die Verpackungssteuer mit bestehenden bundes- und europarechtlichen Vorgaben, etwa dem Verpackungsgesetz und der künftigen EU-Verpackungsverordnung (PPWR), die bereits Maßnahmen zur Förderung von Mehrwegverpackungen und zur Müllvermeidung vorsehen. Ein kommunaler Alleingang gefährdet die angestrebte rechtliche Harmonisierung.

B. Lösung

Im Kommunalabgabengesetz wird das Verbot einer kommunalen Verpackungssteuer ergänzt. Die durch eine Verpackungssteuer bewirkten zusätzlichen Belastungen in finanzieller und bürokratischer Hinsicht gerade für kleine und mittelständisch geprägte Unternehmen vor Ort entfallen. Auch die Kommunen werden entlastet, indem sie nicht länger den Konflikten über die Frage der Erhebung einer Verpackungssteuer ausgesetzt sind.

Vor dem Hintergrund der zahlreichen praktischen Probleme ist es folgerichtig, die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer gesetzlich zu verbieten, um wirtschaftliche Fairness, rechtliche Klarheit und ökologische Effektivität auf übergeordneter Ebene besser zu gewährleisten. Ziel muss es vielmehr sein, ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft im Dialog zwischen Wirtschaft, Kommunen und Verbrauchern in Einklang zu bringen. Auch die bayerische Staatsregierung bringt ein ähnliches Gesetzesvorhaben zum Verbot der Verpackungssteuer auf den Weg.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten 

Keine.

 

G e g e n ü b e r s t e l l u n g

Gesetzentwurf der Fraktion der FDP

Artikel 1

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) vom 21. Oktober 1969 (GV. NW. 1969 S. 712), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. März 2024 (GV. NW. 2024 S. 155), wird wie folgt geändert:

§ 3 wird wie folgt geändert:

Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Eine Jagdsteuer und eine Verpackungssteuer dürfen nicht erhoben werden.“

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

 

Auszug aus den geltenden Gesetzesbestimmungen

§ 3 Steuern

(1) Die Gemeinden können Steuern erheben. Eine Jagdsteuer darf ab 1. Januar 2013 nicht erhoben werden. Die Erhebung einer Steuer auf die Erlangung der Erlaubnis, Gestattung oder Befugnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes ist unzulässig.

(2) Die Gemeinden und Kreise sollen Steuern nur erheben, soweit die Deckung der Ausgaben durch andere Einnahmen, insbesondere durch Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt. Dies gilt nicht für die Erhebung der Vergnügungssteuer und der Hundesteuer.

(3) Wird eine Steuer erhoben, kann durch Satzung festgelegt werden, dass der Steuerpflichtige Vorauszahlungen auf die Steuer zu entrichten hat, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird.

(4) Die Steuersatzung kann Dritte, die zwar nicht Steuerschuldner sind, aber in rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen zum Steuergegenstand oder zu einem Sachverhalt stehen, an den die Steuerpflicht oder der Steuergegenstand anknüpft, verpflichten, die Steuer zu kassieren, abzuführen und Nachweis darüber zu führen, und ferner bestimmen, dass sie für die Steuer neben dem Steuerschuldner haften.

 

Begründung

Allgemeiner Teil

Die Gastronomiebranche ist einer der zentralen Wirtschaftszweige in Nordrhein-Westfalen und sichert eine Vielzahl standorttreuer Arbeitsplätze. Sowohl durch die nach wie vor anhaltenden Folgen der Coronapandemie, die gestiegenen Energiepreise infolge des Ukrainekriegs, das allgemein inflationsbedingt gestiegene Preisniveau sowie den erheblichen Personalmangel ist diese Branche stark belastet. So führt die Kombination aus diesen Faktoren zu einer angespannten wirtschaftlichen Situation. Die Einführung einer Verpackungssteuer auf kommunaler Ebene würde abermals zu steigenden Preisen sowie bürokratischem Mehraufwand im sogenannten „to-go“-Geschäftsbereich der Gastronomie führen und die Branche weiter schwächen. Händler und Gastronomen müssten eine Steuer auf Einweggeschirr bezahlen. Nicht nur die klassische Gastronomie, sondern auch der Lebensmitteleinzelhandel mit seinen zahlreichen „to-go“-Angeboten wie Salatbars, heißen Theken und anderen verpackten „to-go“-Angeboten wäre betroffen. Zudem würden sich die für die Bürgerinnen und Bürger inflationsbedingt bereits stark gestiegenen Lebenshaltungskosten weiter erhöhen, denn die Steuerlast würde erfahrungsgemäß durch erhöhte Preise zu einem großen Teil letztlich von Verbraucherinnen und Verbrauchern getragen.

Der Bund beabsichtigt aktuell zur Entlastung der Gastronomiebranche, den Umsatzsteuersatz auch für Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar 2026 dauerhaft auf sieben Prozent zu ermäßigen. Diesem Ziel würde die Erhebung einer Verpackungssteuer zuwiderlaufen.

Auch dem erklärten Ziel der Landesregierung, die Wirtschaft von zunehmender Bürokratie zu entlasten und deren Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, würde die Einführung einer Verpackungssteuer widersprechen. Die Unternehmen träfen dann zusätzliche Aufzeichnungs- und Meldepflichten sowie Kontroll- und Abrechnungsaufwand. Zudem droht ein Flickenteppich innerhalb der 396 nordrhein-westfälischen Kommunen mit unterschiedlich ausgestalteten Verpackungssteuersatzungen, was die Umsetzung für Betriebe mit mehreren Standorten erheblich erschweren sowie zu Wettbewerbsverzerrungen und Abwanderung von Geschäften führen kann.

Besonderer Teil

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) regelt die Erhebung von Abgaben wie Steuern, Gebühren und Beiträgen durch die Kommunen. Das Gesetz ermächtigt in § 1 Absatz 1 Satz 1 KAG die Kommunen, diese Abgaben zu erheben, sofern keine anderen Bundes- oder Landesgesetze entgegenstehen. Gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden Steuern erheben. Dabei begrenzt die Gesetzgebungskompetenz des Landes auch den Rahmen der gemeindlichen Steuerfindung, der den Gemeinden durch § 3 KAG eröffnet ist.

Mit Urteil vom 7. Mai 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht die damalige Verpackungssteuersatzung der Stadt Kassel noch als verfassungswidrig eingestuft, da die Verpackungssteuer in ihrer Funktion als Lenkungssteuer den seinerzeit geltenden bundesrechtlichen Vorgaben des Abfallrechts widersprach. Dies stellte einen Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit dar. Mit Beschluss vom 27. November 2024 hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr jedoch festgestellt, dass eine kommunale Verpackungssteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Hintergrund der Entscheidung ist, dass die Stadt Tübingen in ihrer Verpackungssteuersatzung seit dem 1. Januar 2022 eine Steuer auf den Verbrauch nicht wiederverwendbarer Verpackungen erhebt. Damit war sie bundesweit die erste Kommune, die eine Verpackungssteuer erhebt. Betroffen sind nicht wiederverwendbare Verpackungen sowie nicht wiederverwendbares Geschirr und Besteck. Ziel der Stadt ist es, über die Steuer für weniger Müll im öffentlichen Raum zu sorgen. Zur Entrichtung dieser Steuer ist der Endverkäufer von entsprechenden Speisen und Getränken verpflichtet. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte die Verpackungssteuersatzung mit Urteil vom 29. März 2022 für unwirksam erklärt, da es an der "Örtlichkeit" des Verbrauchs der Einwegartikel im Sinne des Art. 105 Absatz 2a Satz 1 GG fehle. Die Länder hätten schlicht keine Gesetzgebungskompetenz.

Gegen dieses Urteil legte die Stadt Tübingen Revision ein. Mit Urteil vom 24. Mai 2023 entschied das Bundesverwaltungsgericht anders. In seiner Begründung betonte das Gericht, dass die aktuelle Satzung nicht gegen den bundesrechtlichen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit verstößt. Die mit der Steuer verfolgten Lenkungsziele stehen dem seit Einführung der Satzung geltenden Abfallrecht des Bundes nicht entgegen. Zwar greife die Erhebung der Verpackungssteuer in die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Verkäufer aus Art. 12 Absatz 1 GG ein. Dieser Eingriff sei jedoch verfassungsgemäß. Die Universitätsstadt Tübingen könne sich wirksam auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder für die Erhebung örtlicher Verbrauchsteuern nach Art. 105 Absatz 2a Satz 1 GG, § 9 Absatz 4 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg berufen. Bei der Verpackungssteuer handele es sich insbesondere um eine "örtliche" Verbrauchssteuer im Sinne des Art. 105 Absatz 2a Satz 1 GG. Nach Auffassung des Senats könne die "Örtlichkeit" auch bei Waren gegeben sein, die nicht "zum Verbrauch an Ort und Stelle" des Verkaufs bestimmt seien, wenn der Verbrauch typischerweise im Gemeindegebiet erfolge. Ausgehend davon sei auch eine "Örtlichkeit" beim Verkauf von "mitnehmbaren Take-away-Gerichten oder -Getränken" gegeben. Solche Speisen und Getränke, so das Bundesverwaltungsgericht, würden in der Regel unmittelbar nach dem Erwerb verbraucht werden, weil sich ihre Temperatur, Konsistenz und Frische schon nach kurzer Zeit nachteilig veränderte. Der Verzehr von Take-away-Gerichten und -Getränken würde also "auf die Schnelle" am häufigsten im Stadtgebiet erfolgen. Genau dort will die Stadt Tübingen für weniger Müll sorgen.

Gegen diese Entscheidung hat eine Fastfood-Franchisenehmerin Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Diese blieb erfolglos. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Verpackungssteuer sowohl formell als auch materiell verfassungsgemäß ist. Zwar werde die Berufsfreiheit der Verkäufer durch die Erhebung der Verpackungssteuer beeinträchtigt, allerdings sei dies für diese zumutbar und der Eingriff zudem verhältnismäßig. Die Indienstnahme der Verkäufer sei geeignet und erforderlich, um die Verpackungssteuer vereinnahmen zu können. Alternativen, wie etwa eine direkte Steuererhebung bei den Verbrauchern, wären nicht praktikabel oder weniger wirksam.

Die Verpackungssteuer ist eine örtliche Verbrauchsteuer. Steuergegenstand ist der Verbrauch von Einwegartikeln, die nicht dauerhaft gebraucht oder gehalten werden, sondern zu einer einmaligen Verwendung bestimmt sind. Der für die Besteuerung maßgebliche Verbrauch erfolgt nicht bereits mit der Abgabe der Einwegartikel an die Käufer der Speisen und Getränke. Zwar verlieren die nicht wiederverwendbaren Einwegverpackungen mit der Abgabe endgültig ihre Funktion, dem Endverkäufer die Übergabe der Speisen und Getränke an die Kunden zu ermöglichen (Verkaufsfunktion). Dies gilt jedoch nicht für die Funktion, den Kunden den Transport und anschließenden Verzehr der Speisen und Getränke zu ermöglichen. Der maßgebliche Verbrauchsvorgang liegt daher im Verzehr von Speisen und Getränken. Die Einwegartikel verlieren nach diesem Zeitpunkt endgültig jede Funktion. Sie werden zu Abfall, der jedenfalls für die Endverbraucher ohne wirtschaftlichen Wert ist.

Nach Artikel 105 Absatz 2a Satz 1 GG liegt die Gesetzgebungskompetenz für örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern bei den Ländern, sofern diese nicht in ihrer Art bereits durch Bundesrecht geregelt sind. Das Land hat die Gemeinden in § 3 Absatz 1 Satz 1 KAG zur Ausübung dieser Kompetenz ermächtigt. Ein gesetzliches Verbot der Verpackungssteuer steht nicht im Widerspruch zum gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht gemäß Artikel 78 Absatz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (LV). Das Verbot einer Verpackungssteuer bewegt sich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Bereich der kommunalen Finanzhoheit. Gemeinden haben keinen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch darauf, einzelne spezifische Steuerquellen zu nutzen. Ihre generelle Möglichkeit, gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 KAG örtliche Steuern zu erheben, bleibt durch das Verbot der Verpackungssteuer unberührt.

Die Gesetzgebungskompetenz des Landes umfasst das Recht, eine bestehende Steuer abzuschaffen, auch wenn den Kommunen das Aufkommen bislang zugeflossen ist. Dem Landesgesetzgeber steht daher auch der umgekehrte Fall der Steuerquellenerschließung, quasi die „Steuerquellenverschließung“, zu, solange der Schutzzweck des Art. 79 LV durch die verbleibenden Steuerquellen gewährleistet bleibt.

Durch das Verbot der Verpackungssteuer erwachsen den Kommunen auch keine Ansprüche nach dem Konnexitätsausführungsgesetz (KonnexAG). Durch sie wird weder eine neue Aufgabe übertragen noch eine bestehende und übertragbare Aufgabe verändert. Das Verpackungssteuererhebungsrecht ist ein Recht, nicht aber eine Aufgabe der Kommunen.

Einen Grund, die Verpackungssteuer zu verbieten, stellt die unzureichende Wirkung der Verpackungssteuer dar. Die beabsichtigte Lenkungswirkung bleibt aus, während gleichzeitig erhebliche bürokratische und wirtschaftliche Belastungen entstehen. Eine wissenschaftliche Studie zur kommunalen Verpackungssteuer am Beispiel der Stadt Tübingen zeigt, dass keine signifikante Reduzierung des Verpackungsmülls seit Einführung der Verpackungssteuer erreicht wurde. Ein indirekter Effekt durch die Verwendung der Steuereinnahmen zu kommunalen Maßnahmen im Bereich der Abfallreduktion ist zwar theoretisch möglich, praktisch jedoch nicht zu erwarten, da die Steuereinahmen keiner Zweckbindung unterliegen und primär der Refinanzierung des entstandenen Verwaltungsaufwandes dienen dürften. Gleichzeitig zeigen wissenschaftliche Lebenszyklusanalysen, etwa durch das Joint Research Center der Europäischen Union oder McKinsey, dass Mehrwegverpackungen nicht pauschal die ökologischere Alternative zu Einwegverpackungen darstellen, sondern in verschiedenen Szenarien höhere Umweltbelastungen erzeugen, insbesondere hinsichtlich des CO2- sowie Wasserverbrauchs. Entsprechend einer Untersuchung des Umweltbundesamtes machen die klassischen ”to-go”-Einwegverpackungen aus Plastik mit 0,6 Prozent bzw. die ”to-go”-Einwegverpackungen aus Papier mit 0,3 Prozent nur einen sehr geringen Anteil des gesamten Verpackungsabfalls aus. Die Steuer setzt damit an einem sehr schwachen Hebel an.

Das Verhältnis von Aufwand zu Wirkung der Verpackungssteuer ist unverhältnismäßig. Wie jede Bagatellsteuer verursacht auch eine kommunale Verpackungssteuer auf Seiten der Kommunen einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Am Beispiel Tübingen zeigt sich, dass umfangreiche und präzise Regelungen notwendig sind, um festzulegen, welche Verpackungen unter welchen Bedingungen steuerpflichtig sind. Eine wirksame Überwachung und Durchsetzung der Steuerpflicht erfordert zudem erheblichen Personaleinsatz. Angesichts knapper Ressourcen und zahlreicher anderer kommunaler Aufgaben, für die dringend Personal gebraucht wird, stellt dies eine erhebliche Belastung für die Verwaltung dar. Die Stadt Pirmasens bestätigte auf Anfrage, dass sie in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits eine Kosten-Nutzen-Analyse der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer durchgeführt hat. Die geschätzten Einnahmen betrugen rund 150.000 Euro, standen aber Personalkosten in etwa gleicher Höhe gegenüber, was die Verpackungssteuer nach Einschätzung der Stadt zu einem wirtschaftlichen Nullsummenspiel macht.

Einen zusätzlichen Sachgrund zur Verhängung eines Steuererhebungsverbotes stellen die erheblichen Wettbewerbsnachteile für betroffene Unternehmen sowie für den Wirtschaftsstandort als Ganzes dar. Die Verpackungen für den Außer-Haus-Verzehr von Speisen und Getränken und damit auch die Gastronomiebetriebe, die entsprechende Produkte und Dienstleistungen anbieten, sind bereits in mehrfacher Hinsicht finanziell belastet. So müssen nach der aktuellen Rechtslage einerseits Lizenzentgelte für systembeteiligungspflichtige Verpackungen nach dem Verpackungsgesetz entrichtet werden und andererseits auch Beiträge zum Einwegkunststofffonds gemäß dem Einwegkunststofffondsgesetz geleistet werden. Der entstehende Abfall ist zusätzlich bereits in die kommunalen Abfall- und Straßenreinigungsgebühren eingepreist.

Ungeachtet dessen leidet die Gastronomiebranche nach wie vor unter den finanziellen Folgen der Coronapandemie, den steigenden Energie-, Ressourcen- und Personalkosten sowie den wirtschaftlichen Unsicherheiten aufgrund globaler Krisen. Die zusätzliche Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer würde für die betroffenen Unternehmen in Gastronomie, Einzelhandel sowie der Event- und Freizeitbranche eine weitere signifikante Kostensteigerung bedeuten. Eine Umfrage der IHK Niedersachsen zeigt, dass 18 Prozent der betroffenen Unternehmen bei der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ihr Take-away-Angebot vollständig aufgeben würden. Weitere 21 Prozent würden mit einer Einschränkung ihres Angebots an Speisen und Getränken reagieren, während 71 Prozent der Betriebe Preiserhöhungen vornehmen müssten. Insbesondere im Niedrigpreissegment, welches viele der betroffenen Betriebe bedienen, besteht jedoch eine hohe Preissensibilität der Kundschaft. Preiserhöhungen in Folge der Steuer werden sich in diesem Segment überproportional auf den Gesamtpreis auswirken und damit zwangsläufig auch zu Umsatzeinbußen führen.

Hinzu kommt der enorme bürokratische Mehraufwand durch die komplexen Vorgaben und Auslegungshinweise der Steuer, der neben der Verwaltung ebenso die Betriebe träfe. Allein die Auslegungshinweise der entsprechenden Regelung in Tübingen sind mit über 20 Seiten äußerst umfangreich. Dieser bürokratische Aufwand bindet die wertvollen Personalressourcen und führt so zu weiteren Umsatzrückgängen. Der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen hat darauf hingewiesen, dass die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuersatzung eine umfassende Beratung und Betreuung der zukünftig betroffenen Steuerpflichtigen voraussetzt. Denn das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss ausdrücklich offengelassen, ob sich eine kommunale Verpackungssteuer gegebenenfalls auf bestimmte Verkäufer von Speisen und Getränken wie etwa Betreiber kleiner Kioske negativ auswirken kann. Diese negativen Auswirkungen habe das Bundesverfassungsgericht jedenfalls bei einer großen Fast-Food-Kette als nicht gegeben angesehen. Zudem hatte die Stadt Tübingen im Jahr 2022 ein Förderprogramm aufgelegt (bis zu 500 Euro bei Anschaffung von Mehrweggeschirr; bis zu 1000 Euro bei Anschaffung von Spülmaschinen (bei gleichzeitigem Kauf von Mehrweggeschirr)).

Es entstünde nicht nur ein zusätzlicher Schulungsbedarf für das Verkaufspersonal, sondern auch eine grundlegende Vollzugsschwierigkeit, da die Feststellung der Steuerpflicht im Einzelfall für die zuständigen Behörden kaum nachvollziehbar ist. Eine Studie der deutschen Industrie- und Handelskammer veranschaulicht, dass ein Gastronomiebetrieb aktuell durchschnittlich bereits 14 Arbeitsstunden je Woche aufwenden muss, um die Vorschriften nach bestehender Rechtslage umzusetzen. Diese Bürokratiekosten entsprechen einem Anteil von 2,5 Prozent des gesamten Umsatzes.

Eine zusätzliche Belastung droht darüber hinaus allen Unternehmen, die mehrere Standorte in verschiedenen Kommunen betreiben. Da es sich nicht um eine landesweit einheitliche Regelung handelt, wird sich ein steuerrechtlicher Flickenteppich auf Landesebene herausbilden, wenn Kommunen in Eigenverantwortung die Einführung einer Verpackungssteuer beschließen. Daraus folgen unterschiedliche Steuersätze, Kassensysteme und Meldepflichten, die es an jedem Standort zu berücksichtigen gilt.

Ein Wettbewerbsnachteil wäre die Folge. Sobald steuerrechtlich kein “level playing field” mehr besteht, werden Kommunen mit einer Verpackungssteuer unattraktiver für Investitionen durch betroffene Unternehmen. Der zu erwartende Umsatzrückgang in den betroffenen Branchen wirkt sich durch einen gleichläufigen Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen auch direkt auf die kommunalen Finanzen aus. Zusätzlich beeinflusst das Ausbleiben von Kunden in den Gastronomiebetrieben auch den Umsatz anliegender Unternehmen negativ und schmälert somit beispielsweise die Attraktivität von Innenstädten für die lokale Bevölkerung und Tagestouristen gleichermaßen.

Auch sozialpolitisch ist die Steuer problematisch: Sie führt zu Preissteigerungen bei verpackten Lebensmitteln und trifft damit insbesondere einkommensschwächere Verbraucherinnen und Verbraucher überproportional.

Schließlich besteht die Gefahr, dass Kommunen die Steuer weniger aus ökologischer Verantwortung als vielmehr zur vermeintlichen Aufbesserung ihrer Haushalte einführen – ein fiskalisch motiviertes Vorgehen, das das Vertrauen in eine nachhaltige Umweltpolitik untergräbt.

Nicht zuletzt ist die Erhebung kommunaler Verpackungssteuern redundant. Das Verpackungsgesetz auf Bundesebene legt bereits Anforderungen an die Produktverantwortung nach § 23 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für Verpackungen fest und trägt somit zur Vermeidung von Einwegverpackungen bei (vgl. §1 Absatz 1 Satz 1 VerpackG). Auch die seit dem 1. Januar 2023 geltende Pflicht zum Angebot einer Mehrwegalternative für Letztvertreiber von Serviceverpackungen aus Kunststoff nach §§ 33, 34 VerpackG bezweckt bereits die Zurückdrängung von Einwegverpackungen zugunsten von Mehrwegprodukten und verfolgt damit dieselbe Stoßrichtung wie eine kommunale Verpackungssteuer.

Außerdem zielt die künftige, am 11. Februar 2025 in Kraft getretene und ab dem 12. August 2026 geltende, europäische Verpackungsverordnung (PPWR) darauf ab, den Verpackungsverbrauch in der EU zu reduzieren, die Recyclingfähigkeit zu verbessern und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Zudem werden verbindliche Anforderungen an Rezyklate, Wiederverwendbarkeit, Kompostierbarkeit und die Kennzeichnung von Verpackungen eingeführt. Ein kommunaler Alleingang gefährdet die angestrebte rechtliche Harmonisierung.

Insbesondere ist in Art. 32 der EU-Verordnung 2025/40 eine Wiederbefüllungsverpflichtung für das Gastgewerbe für Getränke oder Speisen zum Mitnehmen geregelt. Bis zum 12. Februar 2027 muss das Gastgewerbe sicherstellen, dass heiße oder kalte Getränke bzw. fertig zubereitete Lebensmittel auch in dem von den Verbraucherinnen und Verbrauchern mitgebrachten eigenen Behältnissen eingefüllt werden können. In diesem Fall darf kein höherer Preis verlangt werden und es dürfen keine schlechteren Verkaufsbedingungen gelten als bei dem Verkauf in einer Einwegverpackung.

In Art. 33 der EU-Verordnung 2025/40 ist außerdem ein verpflichtendes Wiederverwendungsgebot für das Gastgewerbe geregelt, das Getränke und Speisen zum Mitnehmen anbietet. Bis zum 12. Februar 2028 müssen Endvertreiber ihre Waren auch in wiederverwendbaren Verpackungen abgeben. Der Endvertreiber darf die Ware nicht zu einem höheren Preis oder zu weniger günstigen Bedingungen anbieten als in einer Verkaufseinheit, wenn das gleiche Produkt in einer Einwegverpackung verkauft wird. Ausgenommen von dieser Regelung sind nur Kleinstunternehmen gemäß der EU-Empfehlung 2003/361/EG. Dieses sind grundsätzlich Endvertreiber, die weniger als 10 Beschäftigte haben. In Anbetracht der Tatsache, dass diese verpflichtenden Regelungen für das Gastgewerbe ab dem 12.Februar 2027 bzw. 12. Februar 2028 gelten, muss berücksichtigt werden, dass diese Pflichtenregelungen die gleiche Zielrichtung haben wie eine kommunale Verpackungssteuer.

Die EU-Verordnung muss nicht in deutsches Recht umgesetzt werden, sondern gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten ab dem 12. August 2026. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die in der EU-Verordnung gefassten Regelungen die gleiche Zielrichtung wie eine kommunale Verpackungssteuer haben. Dies kann dazu führen, dass entsprechende kommunale Regelungen mit Wirkung der EU-Verordnung als höherrangigem Recht unter Umständen sogar als unzulässig angesehen werden. Zudem resultiert aus dieser EU-Verordnung auch die Notwendigkeit einer Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung des deutschen Verpackungsgesetzes.

 

Henning Höne
Marcel Hafke
Dirk Wedel
Dietmar Brockes
Ralf Witzel

und Fraktion