Versorgung sichern statt Ideologie bedienen – Für bezahlbare Strompreise und höchste Versorgungssicherheit - Jetzt zügig für steuerbare Alternativen zu einem zum Scheitern verurteilten Kohleausstieg 2030 sorgen

I. Ausgangslage

Eine sichere Energieversorgung ist mitentscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Sie gewährleistet stabile Produktionskosten und Investitionssicherheit und bildet die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsplätze und allgemeinen Wohlstand. Zudem schützt sie Verbraucher vor stark schwankenden oder hohen Energiepreisen und sorgt für soziale Stabilität.

In einem Markt, der vorwiegend von tageszeiten- und wetterabhängiger und somit volatiler Stromerzeugung aus Solarenergie und Windenergie geprägt ist, stellt die Versorgungssicherheit eine besondere Herausforderung dar. Aufgrund des Ausbaus erneuerbarer Energien und des stufenweisen Ausstiegs aus der Kohleverstromung besteht ein massiver Zubaubedarf für gesicherte Leistung und flexible Kraftwerke, die kurzfristige Lastspitzen ausgleichen können. In Nordrhein-Westfalen wird in den nächsten fünf Jahren bis zum Jahr 2030 kurzfristig neue gesicherte Leistung in der Dimension von rund 5.000 Megawatt neuer Gaskraftwerkskapazitäten benötigt, um die Spitzenlast im Stromsystem zu decken. In Deutschland insgesamt geht man von 17.000 Megawatt aus. Die Energiepolitik der vergangenen Jahre hat den notwendigen Ausbau gesicherter und emissionsarmer Leistung verschleppt, indem einseitig nur auf besonders teuren Ersatz ohne echte Wirtschaftlichkeitsperspektive in Form neuer Gaskraftwerke gesetzt wurde. Diese Planungen gefährden die Versorgungssicherheit, verteuern das Stromsystem für alle Verbraucher und untergraben die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Der gesetzlich vorgesehene Ausstieg aus der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier für das Jahr 2038 ist um acht Jahre auf das Jahr 2030 vorgezogen worden, ohne dass die hierfür notwendigen Voraussetzungen in Form ausreichender Ersatzkraftwerke vorliegen. Weder lag zum Zeitpunkt der Vereinbarung zum vorgezogenen Ausstieg im Oktober 2022 ein konkreter Fahrplan für die avisierte Errichtung von Gasersatzkraftwerken vor noch gab es die gesetzlichen Bestimmungen für die passenden investiven Rahmenbedingungen, die Energieunternehmen wirtschaftliche tragfähige Perspektiven für den Bau und Betrieb neuer Anlagen und steuerbarer Leistung geboten hätten. Auch in der Folge ist es nicht gelungen, noch rechtzeitig die passenden investiven Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Kohleausstieg zum Jahr 2030 im Rheinischen Revier zu schaffen.

Das Ziel des Bundes, mit der Kraftwerksstrategie und dem geplanten Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) den Bau neuer Gaskraftwerke anzureizen, hat sich bereits im Entwurfsstatus aus Sicht der Energieunternehmen als wirtschaftlich nicht tragfähig und als Fehlkonstruktion erwiesen. Der Versuch, durch das KWSG zügig eine erste Bauwelle neuer Gaskraftwerke anzustoßen, ist gescheitert, weil die vorgesehene staatliche Förderung im Rahmen der Notifizierung gegenüber der Europäischen Kommission nicht als Versorgungssicherheitsmaßnahme, sondern als Dekarbonisierungsmaßnahme deklariert wurde. Dies hat zur Konsequenz, dass die Europäische Kommission vorgesehene Beihilfen nur unter strengen Dekarbonisierungskriterien genehmigt, was die Flexibilität des Gaskraftwerksbaus und -betriebs deutlich einschränkt.

Statt einen schrittweisen Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff zu ermöglichen, hat die Bundesregierung im Entwurf des KWSG für große Ausschreibungsvolumina einen starren Zeitplan vorgesehen, der die verpflichtende Umstellung der neuen Kraftwerke auf einen reinen Wasserstoffbetrieb bereits nach wenigen Jahren Betriebszeit vorgibt.

Da bisher Wasserstoff in großen Mengen kaum verfügbar ist, die Brennstoffkosten hoch und schwer zu kalkulieren sind, ist ein wirtschaftlich tragfähiger Bau und Betrieb solcher Gaskraftwerke unter den vorgesehenen Förderbedingungen des Bundes nicht darstellbar. Die Investitionsbereitschaft der Energiewirtschaft in den zügigen Zubau neuer Gaskraftwerke ist unter diesen Voraussetzungen nicht gegeben. Hinzu kommt, dass der bürokratische Aufwand für die Genehmigung neuer Kraftwerke unverhältnismäßig hoch ist. Genehmigungsprozesse dauern oft Jahre, während der Bedarf an gesicherter Leistung durch neue Kraftwerke dringlich ist. Statt pragmatische Lösungen für einen schnellen Ausbau zu finden, hat die Bundesregierung durch überkomplizierte Vorschriften den Prozess verlangsamt.

Die Folge des verschleppten Gaskraftwerkszubaus ist, dass alte, aufgrund erwartbar steigender CO2-Preise immer unwirtschaftlichere Kohlekraftwerke entweder weiterbetrieben oder in eine teure Reserve überführt werden müssen. Dies führt zu steigenden Kosten für Verbraucher und Industrie. Wer den schnellen Ausbau neuer steuerbarer Leistung weiter verzögert, trägt somit die Verantwortung für die steigenden Strompreise und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.

II. Handlungsbedarf

Die Energieversorgung muss im Wirkungsdreieck von Klima- und Umweltverträglichkeit, Versorgungsicherheit und Bezahlbarkeit so effizient wie möglich ausgestaltet und organisiert werden. Teure staatliche Fördereinbahnstraßen, wie die bisher vorgesehenen Kapazitätsubventionen für Gaskraftwerke im KWSG, müssen vermieden werden. Kapazitätssubventionen führen zu Pfadabhängigkeiten und fossilen Lock-In-Effekten, die zukünftig die Kosten der Dekarbonisierung steigern. Sie verdrängen Speicher und andere Flexibilitätsoptionen und vergrößern die Importabhängigkeiten von Gas und potenziell Wasserstoff, wodurch sie mit Kosten- und Versorgungsrisiken einhergehen. Zudem führen die langwierigen Ausgestaltungs- und Genehmigungszeiten über mehrere Jahre zu Investitionszurückhaltungen.

Die Landesregierung sollte daher auf eine pragmatische, marktwirtschaftlich orientierte Strategie auf Bundesebene hinwirken, die den zügigen Bau von flexiblen Kraftwerken und gesicherter Leistung ermöglicht, ohne unnötige regulatorische Hürden und Kostenfallen aufzubauen. Mittelfristig sollte in einem Leistungsmarkt das Vorhalten gesicherter Leistung und Flexibilität handelbar sein und somit die Kosten von Versorgungssicherheit eingepreist werden. Ineffiziente Kraftwerksreserven, deren Kosten über die Netzentgelte auf die Stromkundinnen und Stromkunden gewälzt werden, werden damit überflüssig. So gelingt ein echter technologieoffener Wettbewerb um Flexibilität mit Speichern, ab- und zuschaltbaren Lasten sowie Back-up-Kraftwerken.

Statt der bisher diskutierten Optionen in Form von Kapazitätssubventionen und eines zentralen, dezentralen oder kombinierten Kapazitätsmarkts ließe sich Versorgungssicherheit über die Einführung einer Absicherungspflicht der Stromversorger am Strommarkt deutlich einfacher und effizienter ausgestalten. Grundidee ist dabei eine Verpflichtung der Stromversorger einzuführen, ihre Lieferverpflichtungen abzusichern. Dies reizt Investitionen in tatsächlich benötigte steuerbare Leistung an und ermöglicht damit eine schnelle, marktwirtschaftliche und kostengünstige Organisation der Versorgungssicherheit. Damit kann auf eine zusätzliche teure Strompreisumlage für private Verbraucher und Unternehmen zur Finanzierung eines zusätzlichen Kapazitätsmarkts verzichtet werden. Die Absicherungspflicht baut auf bestehenden Regelungen und Marktprozessen zum Risikomanagement im Energiemarkt auf und erfordert keine langjährige und unsichere beihilferechtliche Genehmigung durch die europäische Kommission.

Innerhalb der ersten 100 Amtstage der neuen Bundesregierung müssen die Eckpunkte für einen neuen marktwirtschaftlichen und technologieoffenen Kapazitätsmechanismus stehen, der alle möglichen Erzeugungs- und Speicherformen integriert, schnell umsetzbar und unkompliziert ausgestaltet ist. Bis zur Umsetzung dieses Marktdesigns muss für eine Übergangszeit Versorgungssicherheit so pragmatisch wie möglich gewährleistet werden. Gleichzeitig dürfen mittel- bis langfristig gedachte Zukunftstechnologien nicht vergessen werden. Die Kernfusion kann hier eine wesentliche Rolle übernehmen. Die neue Bundesregierung muss durch ein Fusionsgesetz frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen schaffen und den Aufbau eines Ökosystem aus Industrie, Start-ups und Wissenschaft im Bereich Kernfusion unterstützen.

Aufgrund des wachsenden zeitlichen Drucks für die Errichtung von Ersatzkapazitäten durch den fortschreitenden Kohleausstieg und weiterhin hoher Strompreise müssen neben dem Neubau von Kraftwerken auch die Umrüstung bestehender Kohlekraftwerke zu Biomasse- oder Gaskraftwerken eine mögliche zuschlagsfähige Option sein. Von den fast 130 Kohlekraftwerken, die heute in Deutschland noch in Betrieb sind, könnte ein gewichtiger Teil durch eine entsprechende Modernisierung und Umrüstung an vorhandenen Standorten, mit der vorhandenen Infrastruktur und Netzanschlüssen weiterhin genutzt werden. Im Vergleich zum Neubau von Kraftwerken kann die Umrüstung bestehender Anlagen eine kostengünstige, ressourcenschonende und schnell realisierbare Alternative sein. Die Kosten für eine Umrüstung eines bestehenden Kohlekraftwerks auf Biomasse oder Gas als Energieträger betragen nur etwa ein Fünftel der Kosten eines Neubaus und ist in einem Drittel der Zeit für ein Gaskraftneubau, in circa zwei Jahren, realisierbar.

Der beschlossene endgültige Kohleausstieg für das Jahr 2030 im Rheinischen Revier und der damit verbundene Klimaschutzbeitrag sind bis dato nicht erfüllbar. Bis heute liegt aufgrund fehlender investiver Anreize kein einziger Antrag für die Genehmigung des Baus eines Gasersatzkraftwerkes vor. Die Landesregierung muss daher zur Gewährleistung der Planungssicherheit einen alternativen Plan für den Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 vorlegen.

Damit die bestehenden Kapazitäten auch über einen möglichen Streckbetrieb bis zum Jahr 2033 hinaus genutzt werden können, ist es erforderlich, bereits jetzt entsprechende Konzepte zu erarbeiten – spätestens jedoch bis 2026. Da die Planung, Genehmigung und der Bau neuer Kraftwerke bis zu sieben Jahre in Anspruch nehmen, muss frühzeitig gehandelt werden. Ein alternativer Plan zum Streckbetrieb sollte anhand klar nachvollziehbarer und aussagekräftiger Prüfkriterien entwickelt werden, darunter die Auswirkungen auf Strompreise bei abnehmender gesicherter Leistung, die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien (Gefahr der Produktionsverlagerung), die Auslastung verbleibender Kapazitäten, die Entwicklung der wirtschaftlichen Nachfrage sowie die Stabilität des Energiesystems. Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sollten mit Blick auf den verordneten Kohleausstieg 2030 im geplanten Monitoring zur Energie- und Wärmestrategie des Landes eine hervorgehobene Rolle spielen.

Bisher hat der beschlossene Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 keine messbare Klimawirkung entfaltet. Der Bundesrechnungshof hat bereits im Frühjahr 2024 den unzureichenden Klimaeffekt des politisch verordneten früheren Kohleausstieg kritisiert. Dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium ist es bisher nicht gelungen, die durch den früheren Kohleausstieg freiwerdenden Emissionsrechte im europäischen Emissionshandel zu löschen. Damit bleibt der Kohleausstieg klimapolitisch wirkungslos, weil diese Zertifikate einfach an anderer Stelle innerhalb des europäischen Gesamtsystems genutzt werden. Die EU-Kommission hat die Löschungsnotifizierung der Bundesregierung, für die im Jahr 2021 stillgelegten Kraftwerke, nicht akzeptiert. Für die im Jahr 2022 stillgelegten Kraftwerke wurde die die Löschungsnotifizierung von Zertifikaten gerade noch rechtzeitig eingereicht, eine Antwort der Kommission steht aber noch aus. Im Juni 2024 hat das Bundeswirtschaftsministerium zusätzlich einräumen müssen, die bisherigen Auswirkungen des Kohleausstiegs auf die Versorgungssicherheit, die Strompreise und die Klimaschutzziele nicht benennen zu können. Die dafür gesetzlich vorgesehene Überprüfung zum 15. August 2022 im § 54 Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) ist noch immer nicht erfolgt. Vorläufiges Ergebnis des politisch verordneten früheren Kohleausstiegs ist, dass Steuergelder in Milliardenhöhe den Kraftwerksbetreibern als Entschädigung für die Stilllegungen ihrer Kraftwerke gezahlt werden, ohne dass dadurch eine zusätzliche Tonne CO2 eingespart wird. Die Löschung von freiwerdenden Emissionsrechten im Umfang der gesetzlich vorgesehenen Kohlekraftwerksstillegungen, ebenso wie die längst überfällige Versorgungssicherheitsprüfung gemäß § 54 KVBG, müssen dringend angegangen werden.

III. Beschlussteil

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • sich dafür einzusetzen, dass innerhalb der ersten 100 Amtstage der neuen Bundesregierung ein marktwirtschaftlicher und technologieoffener Kapazitätsmechanismus aufgesetzt wird, der zügig Investitionen in gesicherter Leistung anreizt und schnell umsetzbar ist.
  • sich hierbei für das Konzept einer Absicherungspflicht der Stromversorger am Strommarkt einzusetzen, um Versorgungssicherheit marktbasiert, technologieoffen und kostengünstig zu organisieren.
  • sich dafür einzusetzen, dass der Bund, parallel zu den kurzfristigen Maßnahmen, bereits jetzt die rechtlichen und strukturellen Grundlagen für die Nutzung von Kernfusion als Zukunftstechnologie bei der Grundversorgung schafft.
  • sich dafür einzusetzen, dass die klimafreundliche Umrüstung von Kohlekraftwerken zu Biomasse- oder Gaskraftwerken neben dem Neubau von Kraftwerken eine zulässige und mögliche Investitionsoption bei der Schaffung notwendiger steuerbarer Ersatzkapazitäten wird.
  • sich dafür einzusetzen, dass die durch den gesetzlich beschlossenen Kohleausstieg freiwerdenden Emissionsrechte entsprechend im europäischen Emissionshandel gelöscht werden.
  • sich dafür einzusetzen, dass die Überprüfung des Stilllegungspfads von Kohlekraftwerken gemäß §54 KVBG und dessen Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, Strompreise und Klimaschutzziele unverzüglich vorgenommen wird.
  • einen alternativen Plan für den Kohleausstieg zum Jahr 2030 im Rheinischen Revier vorzulegen, um notfalls bestehende Kapazitäten auch über einen möglichen Streckbetrieb über das Jahr 2033 hinausnutzen zu können.
  • unverzüglich ein umfassendes und transparentes Monitoring für die Energie- und Wärmestrategie des Landes umzusetzen, bei der die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie mit Blick auf den beschlossenen Kohleausstieg für das Jahr 2030 eine hervorgehobene Rolle spielen.