Verwaltungsdigitalisierung voranbringen – Onlinezugangsgesetz zeitnah umsetzen

I. Ausgangslage

Das 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet den Bund, die Länder und die Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Das Gesetz identifiziert 575 zu digitalisierende Verwaltungsleistungen (sogenannte OZG-Leistungen), welche im OZG-Umsetzungskatalog in 35 Lebens- und 17 Unternehmenslagen gebündelt und 14 übergeordneten Themenfeldern (zum Beispiel „Familie & Kind“ und „Unternehmensführung & -entwicklung“) zugeordnet werden. Bund und Länder haben sich dabei auf eine arbeitsteilige Umsetzung gemäß dem „Einer für Alle“ (EfA) Prinzip verständigt.

In der zurückliegenden Legislaturperiode hat Nordrhein-Westfalen unter der Federführung von Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart bei der Umsetzung des OZG größere Fortschritte gemacht als alle anderen Bundesländer. In Nordrhein-Westfalen waren im Mai 2022 gemäß dem Dashboard zur OZG-Umsetzung des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat 338 OZG-Leistungen digitalisiert. Mit weitem Abstand folgen an zweiter Stelle Baden-Württemberg mit 233 OZG-Leistungen. Schlusslicht sind Berlin und das Saarland mit lediglich 80 digitalisierten Verwaltungsleistungen. Bei in Nordrhein-Westfalen entwickelten Lösungen, wie z.B. dem Wirtschafts-Service-Portal.NRW, wurde zudem auf Open Source Software gesetzt. Dies ermöglicht anderen Bundesländern nicht nur, diese Lösung kostenlos bzw. ohne den Erwerb zusätzlicher Lizenzen zu übernehmen, sondern auch Anpassungen an die jeweiligen Anforderungen des Landes bzw. der Kommunen vorzunehmen. Zur Umsetzung des OZG auf kommunaler Ebene hat die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung zudem mit den Mitteln für Modellkommunen in Höhe von 100 Millionen Euro sowie den Mitteln für das OZG aus dem Konjunkturprogramm des Bundes bereits wichtige Hilfen an die Kommunen gegeben.

Vor dem Hintergrund des in vielen Bundesländern unzureichenden Umsetzungsstandes sowie des bevorstehenden Fristendes hat der IT-Planungsrat in einer Sondersitzung am 2. Mai 2022 eine Priorisierung der EfA-Leistungen im föderalen Programm vorgenommen. Der vom IT-Planungsrat getroffene Beschluss („Priorisierte EfA-Leistungen im föderalen Programm“) führt besonders wichtige Leistungen auf, die noch im Jahr 2022 flächendeckend ausgerollt werden sollen.

Damit die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen flächendeckend alle Verwaltungsleistungen zeitnah digital beantragen können, sind allerdings noch erhebliche zusätzliche Anstrengungen erforderlich. Insbesondere die Kommunen benötigen weitere technische, organisatorische, personelle und finanzielle Unterstützung, damit bereits zur Verfügung stehende digitale Antragsverfahren auch flächendeckend zum Einsatz kommen. Diese Erkenntnis hat in der vergangenen Legislaturperiode auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geteilt, welche etwa im am 29. März 2022 eingebrachten Antrag „NRW braucht einen digitalen Aufbruch“ (Drucksache 17/16900) eine höhere Geschwindigkeit bei der Digitalisierung der Kommunalverwaltungen gefordert hat, indem „die Kommunen in der Fläche bei der Digitalisierung, sowohl finanziell, als auch personell unterstützt werden.“

Bedauerlicherweise findet die Notwendigkeit entschiedener zusätzlicher Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen bei der Verwaltungsdigitalisierung im schwarz-grünen Koalitionsvertrag kaum Beachtung. Darin nimmt sich die Landesregierung lediglich vor, die von FDP-Digitalminister Prof. Dr. Pinkwart an den Start gebrachten Portalverbünde fortzusetzen, mit denen Kommunen die Nutzung zentraler Verwaltungsleistungen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Ein Bekenntnis zur fristgerechten Umsetzung des OZG-Prozesses bis zum 31. Dezember 2022 sowie weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen zur Einhaltung der Umsetzungsfrist sind dem Koalitionsvertrag nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus hat die schwarz-grüne Landesregierung entschieden, die digitalpolitischen Kompetenzen wieder auf mehrere Landesministerien aufzuteilen. Statt die Entscheidung der vorherigen schwarz-gelben Landesregierung fortzuführen, welche alle digitalpolitischen Kompetenzen im damaligen Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie gebündelt hatte, wickelt Schwarz-Grün das 2017 eingerichtete Digitalministerium, das erste seiner Art deutschlandweit, ab.

Die Fraktion der FDP hat die Landesregierung in einer Kleinen Anfrage (Drucksache 18/142) um Auskunft gebeten, welche über die Fortführung der bestehenden Portalverbünde hinausgehenden Maßnahmen diese plane, um den Kommunen zu ermöglichen, die bundesgesetzliche Pflicht einer digitalen Antragsmöglichkeit kommunaler Verwaltungsleistungen fristgerecht einzuhalten. In der Antwort der Landesregierung (Drucksache 18/293) teilt diese am 26. Juli 2022 mit, das nun für das Thema Verwaltungsdigitalisierung zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sei gegenwärtig mit einer Bestandsaufnahme zum Sachstand der Digitalisierung der OZG-Leistungsbündel beschäftigt. Konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sind der Antwort nicht zu entnehmen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Die Im Jahr 2017 vorgenommene Bündelung aller digitalpolitischen Kompetenzen in einem Landesministerium hat erheblich dazu beigetragen, dass sich Nordrhein-Westfalen zwischen 2017 und 2022 vom Schlusslicht zum Spitzenreiter bei der Digitalisierung entwickelt hat.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • im engen Austausch mit den Kommunen eine schnellstmögliche und flächendeckende Digitalisierung aller OZG-Leistungen zu gewährleisten. Sofern eine vollständige und flächendeckende Umsetzung bis zur im OZG definierten Frist am 31. Dezember 2022 nicht gewährleistet werden kann, wird die Landesregierung aufgefordert im Dialog mit den Kommunen eine neue Umsetzungsfrist sowohl für gemäß dem Beschluss des IT-Planungsrats als prioritär eingestufte als auch den als nicht-prioritär eingestuften Verwaltungsleistungen festzulegen.
  • im Landeshaushalt eine ausreichende finanzielle Unterstützung der Kommunen vorzusehen, damit tatsächlich alle Kommunen bereits zur Verfügung stehende digitale Antragsverfahren übernehmen können und die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen aller Kommunen alle OZG-Leistungen digital beantragen können.
  • die Kommunen auch über die von FDP-Digitalminister Prof. Dr. Pinkwart an den Start gebrachten Portallösungen hinaus zusätzlich technisch, organisatorisch und personell bei der Verwaltungsdigitalisierung zu unterstützen.
  • sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der Bund sich an der Umsetzung des OZG auf kommunaler Ebene finanziell beteiligt.
  • die Digitalisierung der Landesverwaltung bis 2025 abzuschließen und die E-Laufmappe und die E-Akte so schnell wie möglich innerhalb der gesamten Landesverwaltung auszurollen.
  • neben der im Rahmen des OZG-Prozesses festgehaltenen Verpflichtung einer digitalen Beantragung von Verwaltungsleistungen auch die digitale Bearbeitung von kommunalen Verwaltungsleistungen verstärkt in den Blick zu nehmen und sich im Dialog mit den Kommunen auf einen verbindlichen und raschen Zeitplan für eine Umsetzung zu verständigen.

Henning Höne
Marcel Hafke
Angela Freimuth

und Fraktion