Von der Kreide zur KI – ein Aktionsplan für alle nordrhein-westfälischen Schulen

I. Ausgangslage

KI ist Alltag. 62 % der 12‑ bis 19‑Jährigen nutzen laut JIM‑Studie 2024 KI‑Anwendungen wie ChatGPT – vor allem für Schule/Hausaufgaben (65 %), zur Unterhaltung (52 %) und zur Informationssuche (43 %). Andere Studien melden je nach Altersgruppe höhere Raten; laut des  bidt‑Digitalbarometer 2025 haben sogar bereits 88 % der jungen Menschen in Ausbildung generative KI genutzt. Der Zugang zu lizenzfreien Angeboten ist mit passender Hardware niedrigschwellig.

Von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften werden KI-Tools vor allem für Textüberarbeitung, Recherche, Aufgabenkontrolle und Unterrichtsvorbereitung mit Sprachmodellen wie ChatGPT genutzt. Der Trendmonitor der Deutschen Telekom Stiftung beschreibt eine intensive, überwiegend private Nutzung durch Lernende; Lehrkräfte sind zurückhaltend. Die Nutzung durch Schülerinnen und Schüler bleibt oft ungesteuert, ohne didaktische Einbettung, Qualitätsstandards und gleichberechtigten Zugang, obwohl sie sich wünschen, KI‑Kompetenzen in der Schule zu lernen.

Die Potenziale von Künstlicher Intelligenz werden in der schulischen Praxis nicht ausgeschöpft, Risiken nicht angemessen adressiert. Vorteile haben derzeit vor allem Jugendliche mit Unterstützung im Elternhaus oder durch bereits gut aufgestellte Lehrkräfte. Im internationalen Vergleich der Vodafone‑Studie haben deutsche Schülerinnen und Schüler wenig Vertrauen in die Kompetenz von Lehrkräften und Eltern und fühlen sich schlechter vorbereitet. Wichtigste Unterstützer sind Mitschüler (65 %), Eltern (60 %) und Lehrkräfte (50 %). KI ist damit schneller in der Lebenswelt der Jugendlichen angekommen als in den schulischen Strukturen. Während Schülerinnen und Schüler die Chancen der Künstlichen Intelligenz für sich entdecken, bleiben Potenziale im Bildungsbereich weitestgehend ungenutzt und den Risiken kann nicht angemessen entgegengetreten werden.

Während Bremen, Hamburg, Mecklenburg‑Vorpommern, Bayern und Brandenburg bereits konkrete Lösungen einsetzen (u. a. die Open‑Source‑Lösung „Telli“ oder Anbieter wie Fobizz), beschränkt sich Nordrhein-Westfalen auf Einzelprojekte. Der geplante Einsatz von „Telli“ ab diesem Schuljahr soll zunächst nur Lehrkräften offenstehen und verzögert sich; Lernende bleiben außen vor. Ein landesweiter KI‑Fahrplan mit pädagogischen Leitplanken und technischer Unterstützung fehlt. Aktuell sind lediglich 25 Schulen in ein Pilotprojekt eingebunden, das sind weniger als 0,5 % aller Schulen im Land. Lehrkräfte nutzen teils privat finanzierte Tools; landeseinheitliche, datenschutzkonforme und leistungsfähige Lösungen fehlen. Die „Skilling‑Initiative“ startet spät, fokussiert einseitig auf Lehrkräfte und lässt strukturelle Fragen (Infrastruktur‑Souveränität, didaktische Umsetzung) offen.

Die Schulen in Nordrhein-Westfalen benötigen landesweit einheitliche Angebote, damit Lehrende und Lernende zugleich Kompetenzen aufbauen und KI verantwortlich nutzen. Das stärkt Professionalität, Lernwirksamkeit und Zusammenhalt. „Um die Potentiale von generativer KI für kreative Problemlösung und selbstgesteuertes Lernen wirklich zu heben, muss noch einiges geschehen. Schüler und Lehrer sollten schnell gemeinsam auf Entdeckungsreise gehen und die Ergebnisse kritisch reflektieren,“ so Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung. Wissenschaftlich evaluierte Konzepte muss die Landesregierung parallel zur flächendeckenden Bereitstellung lernförderlicher KI-Nutzungsmöglichkeiten erarbeiten lassen, ansonsten bleibt Nordrhein-Westfalen hinter den Entwicklungen weit zurück.

Weil Landesstrategien fehlen oder zu langsam greifen, setzen Kommunen andernorts bereits eigenständig KI‑Lösungen um (z. B. Freiburg sowie rund 50 bayerische Schulträger). Das führt zu Wildwuchs. In Nordrhein-Westfalen müssen alle Schulen, unabhängig von Trägerschaft, Standort oder kommunaler Finanzkraft, auf rechtssicherem, qualitativ hohem und pädagogisch fundiertem Niveau mit KI arbeiten können. Verbote oder zögerliche Pilotprojekte helfen nicht; erforderlich ist die flächendeckende, pädagogisch durchdachte Integration.

Andere Länder zeigen: Offener Technologiezugang, professionelle Lehrerfortbildung und passende Infrastruktur ermöglichen eine breite Nutzung für Lehrende und Lernende. Nordrhein-Westfalen braucht daher eine offene, skalierbare KI‑Infrastruktur, ein landesweites „Schul‑GPT“, offen für Lehrkräfte und Lernende, an den Lehrplänen des Landes orientiert. Dieses muss über offene Standards flexibel angepasst und durch zusätzliche Anwendungen ergänzt werden können. Schulleitungen und Verantwortliche sind kurzfristig zu befähigen, datenschutzkonforme, leistungsfähige KI‑Systeme für Administration, Evaluation und Organisation auszuwählen, einzuführen und wirksam zu nutzen. Schulen sollen in die Lage versetzt werden, stärker mit außerschulischen Partnern der KI‑Bildung kooperieren zu können. Lehrende und Lernende erkunden KI gemeinsam und reflektieren deren Einsatz kritisch. So hält Nordrhein-Westfalen entwicklungstechnisch Schritt und gewährleistet Bildungsgerechtigkeit im KI‑Zeitalter.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Künstliche Intelligenz ist bereits fester Bestandteil der Lebens- und Lernrealität vieler Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen.
  • Die bisherigen wenige Schulen umfassenden Pilotprojekte und Maßnahmen der Landesregierung bleiben in Reichweite, Umfang und Umsetzungsdynamik deutlich hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück.
  • Die ausschließliche Fokussierung auf Lehrkräfte bei der Einführung von KI-Tools wie „Telli“ schafft digitale Gräben und verhindert gleichberechtigte Teilhabe.
  • Bildungs- und Chancengerechtigkeit im digitalen Zeitalter erfordern nicht nur den Zugang zu digitalen Werkzeugen, sondern auch deren didaktisch reflektierten Einsatz in der Breite.
  • Der Einsatz von sogenannter „Shadow AI“, also die eigenverantwortliche Anwendung professioneller KI-Anwendungen durch einzelne Lehrkräfte auf eigene Rechnung, macht KI-Bildung zu einem Zufallsprodukt. Es ist im Sinne der Chancengerechtigkeit dringend geboten, dass die Landesregierung den Schulen angemessene Softwarelösungen bereitstellt.
  • Der Aufbau einer offenen, datenschutzkonformen und landesweiten KI-Infrastruktur ist ein strategischer Baustein für digitale Souveränität in der Bildung.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • einen KI-Aktionsplan für alle Schulen in Nordrhein-Westfalen zu entwickeln und zügig umzusetzen, der die rechtlichen, pädagogischen, technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen bündelt und den Schulen eine verbindliche Orientierung bietet;
  • die derzeit laufenden wissenschaftlich begleiteten Projekte parallel zum landesweiten Rollout fortzusetzen und ihre Erkenntnisse sukzessive in den KI-Aktionsplan für Schulen in NRW einfließen zu lassen;
  • unverzüglich mit der flächendeckenden Einführung von KI-Werkzeugen an Schulen zu beginnen – beginnend mit dem für Nordrhein-Westfalen vorgesehenen „Telli“-Chatbot, der in anderen Bundesländern bereits erfolgreich eingesetzt wird;
  • sicherzustellen, dass Lehrkräfte und Lernende umgehend zeitgleich Zugang zu KI-Anwendungen erhalten („Doppel-Rollout“), um eine gerechte Teilhabe und den unmittelbaren schulischen Nutzen zu gewährleisten;
  • anstelle kleinschrittiger und langwieriger Pilotphasen landesweite Standards und zentrale Angebote für alle Schulen bereitzustellen, um digitale Insellösungen und Ungleichgewichte zwischen Schulträgern zu verhindern;
  • Verantwortliche im Schulsystem – insbesondere Schulleitungen – kurzfristig zu befähigen, leistungsfähige und datenschutzkonforme KI‑Systeme für Administration, Evaluation und Organisation des Schulbetriebs auszuwählen, einzuführen und wirksam anzuwenden;
  • die Zusammenarbeit mit außerschulischen Lernorten und Partnern zur KI-Bildung zu fördern, an denen Lehrende und Lernende gemeinsam ausprobieren und lernen können;
  • eine Whitelist mit ergänzenden oder alternativen KI-Tools zum landesweiten Angebot zu erstellen, die den Anforderungen des Landes für die Schulen entsprechen, diese ständig zu überprüfen und zu erneuern;
  • jährlich über die Umsetzung des KI-Aktionsplans zu berichten – mit Fokus auf tatsächliche Nutzung, Teilhabe und Chancengerechtigkeit, Fortschritte beim Kompetenzerwerb sowie Einhaltung datenschutzrechtlicher Standards.