Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, Immobilienvermögen im Erbschafts- oder Schenkungsfall marktgerecht bewerten und Freibeträge der Marktentwicklung anpassen

I. Ausgangslage

Mit dem kommenden Jahressteuergesetz soll die Bewertungssystematik bei der Übertragung von Immobilien im Erbschafts- oder Schenkungsfall angepasst werden. Dieser Änderung liegt eine entsprechende Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, nach der Immobilienwerte künftig auch für steuerliche Zwecke möglichst nahe am tatsächlich erzielbaren Verkaufspreis festgestellt werden müssen. Nach entsprechenden Vorarbeiten und Beschlüssen der Großen Koalition gelten seit dem 1. Januar 2022 mit der Novelle der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV 2021) bundeseinheitliche Bewertungsvorgaben, die diesen Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen sollen. Der Entwurf des kommenden Jahressteuergesetzes sieht nun vor, diese einheitlichen Bewertungsvorgaben künftig auch für die Wertermittlung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer heranzuziehen. Da die Immobilienpreise in den letzten Jahren allerdings deutlich gestiegen sind, fallen diese marktorientierten Bewertungen entsprechend höher aus.

Die teils vorgetragene politische Empörung über diese höchstrichterlich gebotene Korrektur der überholten Bewertungssystematik bei der Übertragung von Immobilien ist falsch. Richtig ist hingegen, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner zeitgleich mit dem neuen Jahressteuergesetz die Anhebung der Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer fordert. Ohne eine solche Korrektur der seit dem Jahr 2009 unverändert geltenden Obergrenzen verlieren die Freibeträge einen großen Teil ihrer ursprünglich politisch gewollten Entlastungswirkung, sobald bei einer Immobilienübertragung die geforderte marktnahe Bewertung herangezogen wird. Während sich die Immobilienpreise im Bundesdurchschnitt seit dem Jahr 2009 nahezu verdoppelt haben (+ 98 Prozent im Zeitraum Q1 2009 bis Q2 2022) empirica Miet- und Kaufpreis-Ranking), gilt beispielsweise beim Vererben an Kinder seither unverändert ein Freibetrag von 400.000 Euro.

Auch losgelöst von der Frage der Immobilienbewertung drohen aufgrund der anhaltend hohen Rekordinflation bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Steuererhöhungen durch die Hintertür, wenn die seit nunmehr 13 Jahren geltenden Freigrenzen nicht an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Aufgrund der massiven Geldentwertungen gestatten die konstanten Freibeträge beispielsweise auch bei Barvermögen einen in realer Kaufkraft gemessenen immer kleiner werdenden steuerfreien Übertrag.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest,

  • dass sich die Bundesländer nicht an der stark steigenden Inflation und der gebotenen Korrektur der Bewertungssystematik bei Immobilien zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger bereichern dürfen. Deshalb müssen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, ähnlich wie bei der kalten Progression und der Einkommensteuer, die Freibeträge den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.
  • dass ohne eine solche Anpassung die seit 13 Jahren unverändert geltenden Freibeträge einen großen Teil ihrer ursprünglich politisch gewollten Entastungswirkung verlieren. Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
  • sich über den Bundesrat für eine Anhebung der Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer einzusetzen.

Henning Höne
Marcel Hafke
Ralf Witzel

und Fraktion