Was unternimmt die Landesregierung gegen Identitätsdiebstahl?
Die Identität ist eine den Bewertungszusammenhang betreffende, insoweit flexible Summe aus persönlichen Merkmalen, die eine interaktive Person ausmachen. Dabei kann es sich um eine fragmentierte Person handeln, die nur durch wenige Eigenschaften bestimmt ist (Kontoinhaber, Nickname und Avatar in einer Spiel- oder Kommunikationsumgebung), bis hin zu einem existierenden Menschen in einer vollständigen gesellschaftlichen Umgebung mit ihren diversen Schnittstellen (Melderegister, Sozialversicherungsnummer, Bankkonto und vieles mehr).
Mit anderen Worten: Eine Identität ist eine in ihrem Verwendungskontext eindeutige, wiedererkennbare Beschreibung einer natürlichen oder juristischen Person oder eines Objektes z. B. Personengruppe, Unternehmen, Rechner, Programm, Datei, die sich aus Attributen, also den Eigenschaften einer Identität, und einem Identitätsbezeichner zusammensetzt, womit ein beliebiger Name gemeint ist, der die Attribute auf sich vereint und der echt, gefälscht oder von Dritten (einvernehmlich) gegeben worden sein kann. Einfacher ausgedrückt: Die Identität einer Person bildet die Grundlage für ihre Rechtspersönlichkeit. Im tatsächlichen Leben definiert sich diese Identität durch den Personenstand, diese wird zudem durch das Gesetz geschützt. In der virtuellen Welt reicht die Identität einer Person viel weiter und ist weniger klar umrissen. Einige digitale Daten, die die Identität einer Person betreffen (z. B. Kontodaten, Benutzernamen und Kennwörter) ermöglichen den Zugang zu privaten Daten. All diese digitalen Identifizierungsmerkmale, die nicht als Elemente der Rechtspersönlichkeit einer Person betrachtet werden, werden immer begehrter.
Der Begriff Identitätsdiebstahl beschreibt zunächst nur die ungestattete, rechtswidrige Beschaffung fremder, bestehender Identitätsmerkmale im Sinne von Identitätsbezeichnern.
Zum Beispiel: Internationale Betrügerbanden schalten gefälschte Stellenanzeigen in Internet-Jobbörsen oder versenden diese per E-Mail. Sie spähen Bewerber aus, stehlen deren Identität oder betrügen sie um viel Geld - überwiesen für angebliche Vermittlungsgebühren oder Spezialsoftware. Daneben werden im Zusammenhang mit dem Cybercrime häufig Identitätstäuschungen durchgeführt, bei denen zunächst eine meist nur rudimentäre Identität generiert (entwickelt oder gestohlen; Phishing, Skimming, Carding) und dann zu eigenen Zwecken missbraucht wird. Bei der Betrachtung der Handlungen muss zwischen der Edition (Beschaffung, Gestaltung) von persönlichkeitsbestimmenden Merkmalen und ihrer Verwendung im kriminellen Zusammenhang unterschieden werden. Allgemein ist das Vorkommen von diesen Phänomenen überwiegend negativ konnotiert und erfolgt mit Schädigungsabsicht.
Die Schufa hat für geschädigte Personen eigens eine Liste mit Identitätsbetrugsopfern erstellt, welche einem Bericht der WELT AM SONNTAG vom 17.07.2022 inzwischen über 7.000 Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland umfasst. Geschädigte Personen berichten allerdings, dass diese sich von Polizei und Staatsanwaltschaft häufig allein gelassen fühlen. Da die Täterinnen und Täter ihre IP-Adresse mittels VPN-Server legal verschleiern, würden Ermittlungsverfahren häufig eingestellt.
Die Folgen für betroffene Personen sind teilweise gravierend.
Betrügerinnen und Betrüger können im Internet im Namen der geschädigten Personen Waren und Dienstleistungen bestellen. Geschädigte Personen erhalten davon meist erst dann Kenntnis, wenn diese Rechnungen für Waren und Dienstleistungen erhalten, welche diese nie bestellt haben. Werden die Rechnungen nicht bezahlt, folgt ein Negativeintrag bei der Schufa. Hierbei kommt es nicht selten vor, dass die Schädigung der Kreditwürdigkeit erst später aufgedeckt wird, wenn plötzlich die Finanzierung eines Autos oder einer Hypothek ins Haus steht und die Kreditvergabe verweigert wird.
Das Interesse der Täterinnen und Täter geht meist über finanzielle Informationen wie Bankkontonummern hinaus. Sie zeigen überaus großes Interesse an persönlichen Daten wie zum Beispiel Geburtsdatum, Adresse und Personalausweisnummer. Sind die Kriminellen einmal im Besitz dieser sensiblen Daten, können sie einen Führerschein beantragen, Leistungen beziehen oder Anstellungen erschleichen. Opfer müssen sich auch ggf. mit der Strafverfolgung auseinandersetzen, wenn die Identität ohne Wissen der Opfer für die Begehung von Straftaten genutzt wurde.
In der Regel wird ein Identitätsdiebstahl erst spät bemerkt und oft sind dann bereits beträchtliche Schäden entstanden, zum Bespiel Betrugsanklagen, Mahnverfahren oder Negativeinträge in der Schufa. Für die Opfer ist es vielfach schwer, ihre „Unschuld“ nachzuweisen und die zeitliche, finanzielle und psychische Belastungen sind enorm. Auch der öffentlichen Hand können Schäden entstehen. So kann es durch Identitätsdiebstahl zu Subventionsbetrug kommen oder auch zum Steuerbetrug. Steuerlicher Identitätsdiebstahl liegt vor, wenn jemand die Sozialversicherungsnummer einer anderen Person verwendet, um eine falsche Steuererklärung einzureichen und eine Rückerstattung zu beantragen. Identitätsdiebe können auch staatliche Leistungen wie Arbeitslosengeld erhalten.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
- Wie haben sich die Fälle von Identitätsdiebstahl in den letzten fünf Jahren entwickelt?
- Wie hoch ist die Aufklärungsquote der in diesem Zeitraum bekanntgewordenen Fälle? (Bitte übersichtsartig darstellen, wie viele Strafanzeigen es gab, wie viele Ermittlungsverfahren durchgeführt wurden und wie viele Verfahren aus welchen Gründen eingestellt wurden.)
- Welcher wirtschaftlicher Schaden entsteht durch dieses Kriminalitätsphänomen?
- Welcher Schaden (bspw. in Form von Subventionsbetrug, Erschleichung von Leistungen, Corona-Hilfen, Steuerbetrug) ist dem Land Nordrhein-Westfalen in den letzten zwei Jahren durch dieses Kriminalitätsphänomen entstanden?
- Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um Identitätsdiebstahl stärker zu bekämpfen, die Aufklärung zu verbessern und Opfer besser zu unterstützen?
Angela Freimuth
Marc Lürbke