Ziel: Gründerland Nr. 1 – Jetzt Kurs setzen für einen neuen Gründungsboom

I. Ausgangslage

Unternehmensgründungen bilden als Triebfeder für Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze ein wesentliches Element dynamischer Volkswirtschaften. Deshalb brauchen wir mutige Menschen, die selbständig sein möchten, kreative Ideen haben und diese umsetzen. Ganz gleich, ob es sich dabei um ein traditionelles Unternehmen, einen kleinen Handwerksbetrieb oder um ein Start-up handelt.

In den vergangenen Jahren konnte sich durch intensive Bemühungen der Vorgängerregierung ein vitales Startup-Ökosystem und Gründungsklima in Nordrhein-Westfalen entwickeln, das die Bedingungen für Gründungen stark verbessert und für ein dynamisches Gründungsgeschehen gesorgt hat.

Die Ergebnisse des 11. Deutschen Startup Monitors (DSM), herausgegeben vom Startup Ver- band und PwC Deutschland, zeigen deutlich entwickelte Stärken der Startup-Landschaft in Nordrhein-Westfalen auf. 74 Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer in Nordrhein-Westfalen bewerten ihr Ökosystem als gut oder sehr gut. Besonders gut schneidet Nordrhein-Westfalen bei dem Netzwerk zu anderen Startup-Gründerinnen und -Gründern, bei der Nähe zu Universitäten und dem Wissenstransfer an den Hochschulen ab. Die von der früheren Landesregierung geschaffenen Exzellenz-Start-Up-Center (ESC) sind ein voller Erfolg. 74 Prozent
der Startups, die an der Befragung in Nordrhein-Westfalen teilgenommen haben, erhalten Hochschulunterstützung (Bundesdurchschnitt 49 Prozent). Besonders häufig Erwähnung finden hierbei die Universitäten Aachen, Bochum, Köln, Münster und Paderborn – fünf der sechs ESC-Standorte.

Ergänzt durch die 71 Startercenter, die von Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern und kommunalen Wirtschaftsförderungen getragen werden, gibt es mittlerweile flächendeckend Angebote zur Förderung und Beratung von Startups in Nordrhein-Westfalen.

Gründungsförderung braucht jedoch einen langen Atem und stabile Rahmenbedingungen und Perspektiven, um langfristig erfolgreich zu wirken. Hier droht der Landesregierung die Puste auszugehen.

II. Handlungsbedarf

Wie aus aktuell veröffentlichen Zahlen des Startup Verbands hervorgeht, hat das Gründungsgeschehen in Nordrhein-Westfalen erheblich an Dynamik eingebüßt. Die Zahl der NRW-Neugründungen fiel von 446 im Vorjahr auf nur noch 413. Bei den Neugründungen ist die Bilanz mit einem Rückgang von sieben Prozent schlechter als der Bundesdurchschnitt.

Die Ergebnisse der letzten DSM-Befragung aus 2023 weisen über entwickelte Stärken der Startup-Landschaft auch auf eine ganze Reihe von Schwachstellen in der Gründungsförderung in Nordrhein-Westfalen hin. Die zahlreichen dezentralen Förderangebote in der Fläche begrenzen den Wirkungskreis der Gründungsförderung. Das Gründungsgeschehen konzentriert sich auf wenige Hotspots wie Köln und Düsseldorf. Dieses Ungleichgewicht zeigt sich auch in der Grundgesamtheit der Befragten, die mehrheitlich aus den Startup-Hotspots stammen. Gemessen an seiner Hochschul- und Bevölkerungsdichte ist mit der Ausnahme Bochums insbesondere das Ruhrgebiet beim Gründungsgeschehen unterdurchschnittlich vertreten.

Die Finanzierung von Startsups über die Gründungsphase hinaus und die Mobilisierung und Verfügbarkeit von Wagniskapital ist eines der größten Problemfelder der Gründungsförderung in Nordrhein-Westfalen. Mehr als jedes zweite Startup erhält in Nordrhein-Westfalen eine staatliche Förderung, aber nur jedes zehnte Startup tatsächlich privates Wagniskapital. Im bundesweiten Vergleich zu den Startup-Hochburgen Berlin, Bayern und Hamburg ist Nordrhein-Westfalen bei der Höhe des eingeworbenen Kapitals je Bundesland deutlich abgehängt. Während in Bayern im Jahr 2023 laut EY-Startup-Barometer im Verhältnis der Einwohnerzahl pro Kopf 131 Euro Kapital, in Berlin 652 Euro Kapital von Startups eingeworben wurde, konnte in Nordrhein-Westfalen nur Kapital in Höhe von 18 Euro pro Kopf eingeworben werden. Der NRW-Marktanteil am gesamten deutschen Startup-Finanzierungsvolumen im Jahr 2023 betrug nur magere 5,5 Prozent.

Vor allem die Phase nach Inanspruchnahme einer staatlichen Förderung, in der die Kapitalintensität rasch zunimmt und privates Wagniskapital von Investoren benötigt wird, stellt sich besonders problematisch dar. Bisher ist es nicht gelungen vermehrt privates Kapital für die Entwicklung von Startups in Nordrhein-Westfalen zu aktivieren. Die Ergebnisse des Startup-Reports 2023 der Landesregierung zeigen, dass mehr als 70 Prozent der befragten Startups die Wahrscheinlichkeit einer Anschlussfinanzierung von einem Kapitalgeber aus Nordrhein-Westfalen als mittelmäßig oder gering einschätzen. Die Gefahr besteht, dass trotz eines bisher vitalen Gründungsgeschehens dem Bundesland für das weitere Unternehmenswachstum schnell der Rücken zugekehrt wird. Die Gründerförderung wird mitgenommen, Arbeitsplätze und Wertschöpfung entstehen dann woanders. Gerade bei einer Vielzahl noch kleiner Start-ups in Nordrhein-Westfalen ist dies eine ständige Gefahr. Hierzu passt der Befund der aktuellen DSM-Befragung: Jedes fünfte Startup würde beim nächsten Mal woanders gründen und nicht in Nordrhein-Westfalen.

Durch Kürzungen der Finanzierungsmittel für die Exzellenz-Start-Up-Center riskiert die Landesregierung indessen den Erfolg und die Schlüsselrolle der Universitäten bei wissensbasierten Ausgründungen. Der Mitteleinsatz für die Nachfolgeförderung soll so kalkuliert werden, dass mehr Standorte als bisher gefördert werden, aber mit weniger Mitteln pro geförderter Hochschule (LT-Vorlage 18/1844). Im Bereich der Förderung zukunftsweisender Technologien wie KI-Weiterentwicklung, Robotik, Quantencomputing, Cybersicherheit und industrielle Transformation sind für das Jahr 2024 Landesmittel in Höhe von mehr als 63 Millionen Euro gekürzt worden. Die Landesregierung verschiebt ihre Förderprioritäten im Bereich der Gründungsförderung. Der Ansatz einer ganzheitlichen, technologieoffenen Gründungsförderung in
der Breite wird zugunsten einer Agenda zur Erreichung der Klimaschutzziele aufgegeben. Entsprechende Fördermittel sind im Haushaltsplan 2024 umgeschichtet worden (LT-Vorlage 18/1729).

Dauerhaftes Ärgernis für Gründerinnen und Gründer bleibt weiterhin das hohe Ausmaß an Bürokratie, das mit Gründung und Entwicklung eines Unternehmens verbunden ist. Fast 90 Prozent der befragten Startups der aktuellen DSM sehen die Beschleunigung und Vereinfachung von Verwaltungsprozessen als zentralen Hebel an, um Startup-Förderung weiterzuentwickeln. 80 Prozent der Befragten sehen zudem in der Öffnung und Vereinfachung öffentlicher Vergaben für Startups einen zentralen Hebel für die Weiterentwicklung des Startup-Ökosystems. Der Startup-Report 2023 der Landesregierung unterstreicht als Kernergebnis, dass die
Bewältigung bürokratischer Hürden als eine zentrale Herausforderung betrachtet wird. Trotz dieses Befundes hat die Landesregierung bisher keine Maßnahmen und Initiativen für den Abbau von Bürokratie ergriffen.

Als größte Herausforderung wird von 46 Prozent der befragten Gründerinnen und Gründer des Startup-Reports 2023 in Nordrhein-Westfalen der Vertrieb und die Kundengewinnung angesehen. Startups tun sich häufig schwer damit, Zugang und Kontakt zu großen Unternehmen zu finden, die auf etablierte Geschäftspartner und Lieferbeziehungen setzen. Gerade innovationsaffine mittelständische Unternehmen können von neuen und zukunftsweisenden Technologien und Ideen aus Startup-Händen profitieren. Mittelständische Betriebe können Startups dagegen echte und belastbare Testumgebungen, Praxisnähe und rasche Markteinführungsmöglichkeiten bieten. Die Schaffung von Synergien zwischen der wachsenden Startup-Landschaft und etablierten mittelständischen Unternehmen ist bisher ein Defizit, dass für die Weiterentwicklung der Startup-Förderung und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nicht behoben wurde.

Das Gründungsgeschehen in Nordrhein-Westfalen hat ebenso an Schwung verloren wie die Ambitionen der Landesregierung aus Nordrhein-Westfalen ein innovatives und mutiges Gründerland zu machen, das Triebfeder für zukunftsweisende Ideen, Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze wird. Die Gründerinitiative des Landes muss dringend neu belebt werden.

Defizite bei der Bereitstellung von Wagniskapital, dem Bürokratieabbau, der mittelfristiger Finanzierung von Universitätsausgründungen und Synergien mit der mittelständischen Wirtschaft müssen angegangen und behoben werden. Im Innovationsbericht des Landes aus dem Jahr 2022 heißt es hierzu: „In der mittelfristigen Perspektive gilt: Gründungsförderung benötigt einen langen Atem und feste Rahmenbedingungen.“

III. Beschlussfassung

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • das Gründungsgeschehen in Nordrhein-Westfalen umfassend mit Hilfe aussagekräftiger Kennziffern statistisch dauerhaft auszuweisen und die Entwicklung des westfälischen Startup-Ökosystems in regelmäßigen Abständen wissenschaftlich zu evaluieren. Der Landtag ist hierzu jährlich zu unterrichten.
  • sämtliche Angebote der Gründungs- und Startup- und Scale-up-Förderung des Landes auf einer gemeinsamen und übersichtlichen Plattform miteinander zu vernetzen, zu verzahnen und zu präsentieren.
  • jährlich mit einem landesweiten Aktionstag in den Schulen zum Thema Unternehmensgründung und Startups für mehr Pionier- und Unternehmergeist zu werben und Schülerinnen und Schüler zu ermutigen ihre Ideen und Visionen in die Tat umzusetzen.
  • die Gründung eines Unternehmens in weniger als 24 Stunden zu ermöglichen. Bisher dauert es im Durchschnitt 75 Tage bis ein neues Startup endgültig angemeldet ist. Die Verfahren müssen vereinfacht, digitalisiert und gebündelt werden.
  • Freiheitzonen zu schaffen, die die Gründung und Ansiedlung junger, forschungsintensiver Unternehmen erleichtern. Dazu gehören eine niedrige Gewerbesteuerbelastung und eine schnelle, digitale und englischsprachige Verwaltung.
  • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Gründerinnen und Gründer zu verbessern.
  • Startups zu erleichtern, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen.
  • die Meistergründungsprämie zu verdoppeln, um Neugründungen und Betriebsübernahmen im Handwerk sowie die Beteiligung an einem bestehenden oder neu gegründeten Handwerksbetrieb besser zu fördern.
  • aus vorhandenen Mitteln eine Beteiligungsgesellschaft für einen landeseigenen Innovations- und Risikokapitalfonds bestehend auf zwei Säulen zu errichten:
    1. Einer landeseigenen Landesagentur für Sprunginnovationen zur Förderung radikaler und inkrementeller Innovationen;
    2. einem Wagniskapitalfonds für die Wachstumsphase von jungen Unternehmen. Die Fonds werden privatwirtschaftlich von erfahrenen Wagniskapitalgebern verwaltet.
  • im Rahmen der Fin.Connect.NRW-Initiative einen Wagniskapital und Business AngelsMarktplatz aufzubauen.
  • die Landesinitiative „Mittelstand Innovativ & Digital“zu ein zentralen Innovationscluster auszubauen, das die Innovationsbemühungen der Schlüsselbranchen der nordrhein- westfälischen Wirtschaft konzentrieren: Etablierte Unternehmen, Startups und Wissenschaft sollen unter einem Dach branchenübergreifend an der Entwicklung produktionsbezogener digitaler Technologien arbeiten, wie u.a. der Entwicklung praxisbezogener Lösungen auf dem Weg zur intelligenten Fabrik. Das Mittelstandsinnovationscluster soll bevorzugt in einem GRW-Fördergebiet verortet werden.
  • das High-Tech.NRW-Acceleratorprogramm des Landes auszubauen.
  • die Fachkräfteeinwanderung weiter zu entbürokratisieren.
  • bei ausländischen Fachkräften für den Standort Nordrhein-Westfalen über NRW.Global Business NRW, Wirtschaftsmessen und online zu werben sowie die im Verfahren zur nordrhein-Fachkräfteeinwanderung erforderlichen Formulare digital und auch in englischer Sprache bereitzustellen.
  • für alle Verwaltungsleistungen ab dem 01.01.2025 ein Digitalisierungsgrundsatz und ein Recht auf digitale Erledigung einzuführen. Jeder Kontakt mit der Verwaltung soll digital möglich sein. Das Land setzt fest, nach welchen digitalen Standards sämtliche IT-Anwendungen bei Ministerien, nachgeordneten Behörden, Bezirksregierungen und Kommunen miteinander kommunizieren können (Schnittstellen-Standard).
  • Förderbürokratie durch die Schaffung einer zentralen digitalen Plattform zu senken, über die alle verfügbaren öffentlichen Förderprogramme übersichtlich aufbereitet und durch alle Nutzergruppen einfach und unkompliziert zu administrieren sind. Antragssteller sollen ohne Zeitverzögerung mit ihren Vorhaben durchstarten können. Der integrierte digitale Prozess muss den Antrag, die Bearbeitung und den Bescheid ebenso umfassen wie die Erstellung und Auswertung von Verwendungsnachweisen, die Auszahlung von Darlehen oder Zuschüssen sowie die Ausweisung von Bürgschaften. Digitale Verfahren sind kurz und transparent. Bei der Bearbeitung sollen Künstliche Intelligenz und semantisch-linguistische Algorithmen eingesetzt werden. Ziel ist es, Bescheide sofort nach Eingabe der erforderlichen Angaben zu erteilen.
  • Hochschulausgründungen und den Wissenstransfer aus den Hochschulen in die Wirtschaft wieder zu stärken und zu fördern.
  • darauf hinzuwirken, dass geförderte Big-Data-Analysen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Sinne von Open Access für weitere Innovationen und wirtschaftliche Anwendungen zur Verfügung gestellt werden.
  • die Arbeit der Datenethikkommission zu beobachten und geeignete Empfehlungen und Erkenntnisse auf Nordrhein-Westfalen zu übertragen.
  • zu prüfen, wie Daten unter Berücksichtigung der DSGVO einfacher, digitalisiert, standardisiert und zentral in anonymisierter und pseudonymisierter Form sowohl für gemeinnützige als auch für kommerzielle Forschung verfügbar gemacht werden können.
  • sämtliche Landesmaßnahmen mit der Startup-Strategie des Bundes zu harmonisieren.